Kandidaten für die IOC-Präsidentschaftswahl:Banker, Boxer, Weltrekordler

IOC-Präsident - Kandidaten

Wer wird der neue IOC-Präsident? Thomas Bach, Vizepräsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Sergej Bubka aus der Ukraine und Wu Ching-Kuo aus Taiwan (obere Reihe von links nach rechts), Richard Carrion aus Puerto Rico, Ng Ser Miang aus Singapur oder Denis Oswald aus der Schweiz (untere Reihe von links nach rechts)

(Foto: dpa)

Thomas Bach ist Favorit für das Amt des scheidenden IOC-Präsidenten Jacques Rogge. Wer sind seine Konkurrenten? Richard Carrion aus Puerto Rico dürfte Bach gefährlich werden, ein Taiwanese könnte bereits in der ersten Wahlrunde scheitern. Die Kandidaten in Kurzportraits.

Von Johannes Aumüller

Thomas Bach - der Favorit

Schon seit vielen Jahren stand für Beobachter der internationalen Sportpolitik fest, dass es im Leben von Thomas Bach, 59, ein großes Ziel gibt: die Präsidentschaft im IOC. Bach selbst verneinte derartige Ambitionen oft. Doch als er im Mai als erster Bewerber seine Kandidatur erklärte, galt er schnell als Favorit - und behauptete diese Position bis zum Wahltag. Bach, 1976 als Florettfechter Olympiasieger mit der Mannschaft, begann schon früh mit der Sportpolitik.

Er verstand sich wie kaum ein Zweiter aufs Netzwerken - und hatte stets einflussreiche Unterstützer. So arbeitet er in den Achtzigerjahren für Adidas und in dieser Zeit eng mit dem im Weltsport einflussreichen Firmenpatron Horst Dassler zusammen. Unter dem Präsidenten Samaranch stieg er bis zum IOC-Vize auf. 2006 wurde Bach Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).

Kandidaten für die IOC-Präsidentschaftswahl: Großer Favorit: Thomas Bach

Großer Favorit: Thomas Bach

(Foto: AFP)

Auch abseits der Sportpolitik war der Wirtschaftsanwalt auf vielfältige und zuweilen umstrittene Weise aktiv, etwa als Berater von Siemens. Besonders häufig waren dabei Verquickungen in den arabischen Raum zu bemerken: So präsidiert Bach der deutsch-arabischen Vereinigung Ghorfa und ist Aufsichtsratschef der Weinig AG - einem Hersteller von Holzverarbeitungsmaschinen, den mehrheitlich kuwaitische Investoren kontrollieren.

Sergej Bubka - der Weltrekordler

Bereits als Athlet hatte Sergej Bubka den Ruf, sehr berechnend vorzugehen. Zentimeter um Zentimeter verbesserte der Stabhochspringer aus Donezk in der Ukraine die Bestmarken, bis sie bei 6,14 Meter (im Freien) beziehungsweise 6,15 Meter (in der Halle) standen - so kassierte er Prämien für insgesamt 35 Weltrekord-Sprünge. Nach dem Ende seiner sportlichen Karriere 2000 war Bubka vielfältig aktiv: Er saß zeitweise für die "Partei der Regionen" im ukrainischen Parlament, stand an der Spitze einer Bank und verdiente mit Großbäckereien viel Geld.

In der Sportpolitik fährt Bubka mehrgleisig. Seit 2000 ist er im IOC, seit 2005 führt er das nationale Olympia-Komitee der Ukraine. Parallel zur IOC-Kandidatur treibt er auch die Bewerbung von Lemberg für die Winterspiele 2022 voran. Sein Kontakt nach Moskau, wo sich Kreml-Chef Wladimir Putin längst in die Weltsportpolitik einmischt, gilt als eng; registriert wurde, dass Bubka seine Kandidatur in St. Petersburg bekannt gab.

Allerdings ist er mit erst 49 Jahren auch der jüngste Kandidat und hat noch Zeit, um sportpolitische Ziele zu erreichen. Sollte er, wovon auszugehen ist, nicht IOC-Chef werden, dürfte er sich bald auf das Duell mit dem Briten Sebastian Coe ums Präsidentenamt im Leichtathletik-Weltverband IAAF konzentrieren.

Richard Carrion & Ng Ser Miang

Richard Carrion - der Banker

Richard Carrion ist wohl der Kandidat, der Thomas Bach am ehesten gefährlich werden kann. Der Banker, der jüngst ins Direktorium der New Yorker Notenbank einrückte, ist seit 1990 IOC-Mitglied und exzellent vernetzt. Als Schatzmeister schaffte er es, die Finanzen der Ringe-Organisation zu mehren. Unter ihm erhöhten sich die Rücklagen von 100 auf mehr als 900 Millionen Euro, vor allem wegen der lukrativen TV-Verträge, die er aushandelte.

Richard Carrion

Aussichtsreich: Richard Carrion.

(Foto: dpa)

Für den Fall einer Wahl will er das IOC effizienter organisieren und die Kosten bei Olympischen Spielen reduzieren. Im Wahlkampf beschwerte Carrion sich, dass er weitgehend auf eine Rolle als "Mann des Geldes" reduziert wurde. "Ich höre immer: 'ein Banker, ein Banker'. Was soll ich sagen? Die IOC-Mitglieder werden für den stimmen, den sie für den Besten halten. Ich weiß mich in dieser Welt zu bewegen."

Neben seiner Tätigkeit im IOC ist Carrion seit 2007 zudem im Basketball-Weltverband aktiv. Er gilt als enger Vertrauter von Noch-Präsident Jacques Rogge. Carrion kommt zwar aus der Karibik und rückte auch wegen guter Kontakte zu Samaranch ins IOC, doch das heißt nicht, dass er die Stimmen des früher so einflussreichen iberischen Blocks sicher hat. Das Alterslimit für IOC-Mitglieder erwägt er zu erhöhen, was ihm Stimmen bringen könnte.

Ng Ser Miang - der Diplomat

Ng Ser Miang versteht sich auf symbolische Gesten. Als er im Mai seine Kandidatur verkündete, tat er dies in der Pariser Sorbonne-Universität - wo auch 1896 das IOC gegründet worden war. Wie so viele der sechs Bewerber ist auch der aus China stammende Ng äußerst vermögend: Reich wurde er mit einem Busunternehmen, das er an den Staat verkaufte, derzeit ist er Chef einer großen Supermarktkette. Daneben war er auch politisch aktiv, er vertrat sein Land als Botschafter in Ungarn und in Norwegen und saß für die Regierungs- partei im Parlament.

Im IOC ist Ng seit 1998, seit 2010 als Vizepräsident. Mit dem scheidenden Präsidenten Jacques Rogge verbindet ihn nicht nur die Leidenschaft fürs Segeln. Seinen guten Ruf im IOC verdankt Ng seinen diplomatischen Fähigkeiten und der Organisation der ersten Weltjugendspiele 2010 in seinem Heimatland Singapur.

Entsprechend versucht er im Wahlkampf auch mit dem Thema Jugend zu punkten - und mit seiner Herkunft. "Alle Asiaten müssen zusammenhalten. Asien hat das Recht, künftig den IOC-Präsidenten zu stellen", sagte Ng kürzlich. Doch der Appell fruchtete nicht: Der einflussreiche kuwaitische Scheich Al-Sabah, Chef aller asiatischen olympischen Komitees, sprach sich im Wahlkampf unerlaubt offen für Thomas Bach aus.

Denis Oswald & Wu Ching-Kuo

Denis Oswald - der Jurist

Kürzlich hätte Denis Oswald einen bedeutenden Posten in der internationalen Sportwelt bekommen können. Er war als Chef der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) im Gespräch, und als renommierter Jura-Professor hätte er auch beste Chancen gehabt. Doch der 66-Jährige, als aktiver Ruderer 1968 Bronzemedaillengewinner im Vierer mit Steuermann, lehnte ab - und strebt stattdessen das höchste Amt im Weltsport an. "Man kann als IOC-Präsident mehr Einfluss ausüben", sagte er dazu in einem SZ-Interview im Juni.

Kandidaten für die IOC-Präsidentschaftswahl: Erfahrener Sportpolitiker: Denis Oswald.

Erfahrener Sportpolitiker: Denis Oswald.

(Foto: AFP)

Oswald ist ein äußerst erfahrener Sportpolitiker, er führte lange den Welt-Ruderverband sowie die Vereinigung der olympischen Sommersport-Verbände und war Richter am Internationalen Sportgericht (Cas). Der 66-Jährige formulierte im Wahlkampf am direktesten; so sagte er zum Beispiel, er hoffe, dass das, "was ich bin und was ich getan habe mehr zählt als Händeschütteln und Kontaktpflege".

Für den eher unwahrscheinlichen Fall seiner Wahl will Oswald nicht die Anzahl der Sportarten, sondern die der einzelnen Disziplinen verringern. Seine frühere Forderung, die Vollversammlung im Sinne eines "Sportparlaments" mit je 35 Vertretern aus Verbänden, nationalen Olympia-Komitees und Athleten sowie 35 "Unabhängigen" auszubauen, nahm er nicht mehr auf.

Wu Ching-Kuo - der Architekt

Wu Ching-Kuo, von Beruf Architekt, ist der größte Außenseiter aller sechs Anwärter; gut möglich, dass der 66-jährige Taiwanese bereits in der ersten Wahlrunde ausscheidet. In seiner Jugend war er Basketballspieler, als Funktionär machte er aber im Boxen Karriere. 2006 löste er den umstrittenen Präsidenten Anwar Chowdry aus Pakistan an der Spitze des Welt-Boxverbandes (Aiba) ab - und half der Föderation, aus einer großen Glaubwürdigkeitskrise hinauszukommen. Das IOC hatte damals sogar TV-Gelder eingefroren wegen manipulierter Kampfrichter-Urteile.

Wu reformierte den Verband, bei den Spielen in drei Jahren soll die angeschlossene Profi-Abteilung ihr Debüt geben. Allerdings geschah seine Wahl damals unter anderem auch, weil sich der dubiose Usbeke Gafur Rachimow für ihn aussprach; der stand schon damals im Visier von Europol und FBI, sitzt aber bis heute im Vorstand des Welt-Boxverbandes.

Ins IOC rückte Wu bereits 1988. Sein Programm umfasst unter anderem, die Zahl der IOC-Mitglieder auf 130 zu erhöhen, das Alterslimit von 70 auf 75 anzuheben und die Jugendspiele umzugestalten. Zudem hat er zwei Vorlieben, die für Funktionäre eher untypisch sind: zum einen Brief- marken, zum anderen hätte er gerne in jeder Olympia-Stadt ein Museum.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: