Kameruns Niederlage gegen Kroatien:"Das ist eine Schande, ich hasse so etwas"

World Cup 2014 - Group A - Cameroon vs Croatia

Prügelnde Mannschaftskollegen: die Kameruner Benjamin Moukandjo (links) und Benoit Assou-Ekotto

(Foto: dpa)

Chaos, eine Tätlichkeit und Prügel gegen den eigenen Teamkollegen: Bei der WM fällt Kamerun nicht mit Fußball auf, sondern mit einem anarchischen Innenleben. Auch der Nationaltrainer Volker Finke schämt sich nach dem WM-Aus - denkt aber nicht an Rücktritt.

Von Matthias Schmid

Es ist nicht überliefert, ob bei Paul Biya ein paar Tränen geflossen sind. Der Staatspräsident Kameruns ist ein stolzer Mann und ein großer Freund des Fußballs. Es ist deshalb davon auszugehen, dass unfreundliche Worte gefallen sind im Präsidentenplast von Jaunde während der Übertragung von der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, vielleicht weinte Biya sogar. Seine Mannschaft verlor nicht nur ein Spiel gegen Kroatien (0:4), es verspielte auch alle Sympathien, Biyas Sympathien.

Der 80-Jährige hatte sich bei der Neujahrsansprache noch hoffnungsvoll an die Vorzeigekicker des Landes gewandet. Sie sollen bitteschön das Volk verzücken, sagte er. Seine Worte wirken nach zwei Spielen mit zwei Niederlagen wie aus der Zeit gefallen. Vor allem ein Bild wird übrig bleiben von dieser missratenen WM, bei der es die Kameruner wieder nicht geschafft haben, aufzusteigen in die K.o.-Runde. So wie vor 24 Jahren bei der WM in Italien, als die Mannschaft um den tanzenden Roger Milla auf wundersame Weise das Viertelfinale erreichte hatte.

Übrig bleiben wird stattdessen das Bild mit den hässlichen Fratzen von Benoit Assou-Ekotto und Benjamin Moukandjo. Kurz vor dem Schlusspfiff diskutierten sie miteinander, leidenschaftlich, gestenreich, es fielen böse Wörter, wie es heißt. Moukandjo vom AS Nancy wehrte sich, indem er wegwerfende Armbewegungen machte, erst mit links, dann mit rechts. Assou-Ekotto von den Queens Park Rangers reagierte mit einem Kopfstoß, doch bevor ihn Assou-Ekotto in den Schwitzkasten nehmen konnte, befreite er sich. Erst ein Mitspieler konnte sie trennen.

"Das ist eine Schande. Ich hasse, so etwas zu sehen", schimpfte Volke Finke, der Nationaltrainer. Der 66-jährige frühere Bundesligatrainer will nun herausfinden, was genau geschehen ist. "Das ist nicht akzeptabel, das ist nicht das Bild von Kamerun, dass wir zeigen wollen." Aber auch wenn man nicht so nah dran ist an den Spielern wie Finke, ist unschwer zu erkennen, dass Kamerun nur eine Ansammlung von Individualisten ist, keine Mannschaft, die gemeinsame Ziele verfolgt und füreinander einsteht, wenn es darauf ankommt. Anarchie bestimmt das Geschehen, nicht Taktik oder Technik.

Die Rote Karte in der 40. Minute für Alexandre Song vom FC Barcelona, nach einer beispiellosen Ellbogenattacke in den Rücken von Mario Mandzukic, wirkte wie ein Hilferuf eines einzelnen Spielers der überforderten und zerstrittenen Truppe. "Schon in den ersten zehn Minuten war keine gute Atmosphäre bei ihnen im Team, sie haben gestritten", beschrieb Kroatiens Kapitän Darijo Srna die aufgeladene Stimmung. Seinem Team reichte schon eine ordentliche Leistung, um mühelos zu seinem 4:0-Erfolg nach Toren von Mandzukic (61., 63.), Ivica Olic (11.) und Ivan Perisic (48.) zu kommen, der alle Möglichkeiten vor dem letzten Gruppenspiel am Montag gegen Mexiko offen hält, nach der Auftaktniederlage gegen Brasilien doch noch das Achtelfinale zu erreichen.

Wohl nur noch einmal an der Linie

Finke hat ganz andere Sorgen vor der Partie gegen Brasilien. Viele Beobachter gehen davon aus, dass er als Nationaltrainer des Landes ein letztes Mal an der Linie stehen wird. Der ehemalige Oberstudienrat vermochte es nicht, die Löwen zu zähmen. "Kühlen Kopf" wolle er nun bewahren, sagte Finke. Eine Nacht drüber schlafen. Die Welt dürfte trotzdem nicht anders aussehen. Finke denkt nicht daran, alles hinzuwerfen. Die Fragen der kamerunischen Journalisten zielten nach dem Spiel alle darauf ab. Diesen Gefallen tat Finke ihnen aber nicht, im Gegenteil. "Wir müssen nach vorne schauen, dieses Team hat Spieler für die Zukunft", sagte Finke fast trotzig.

Inwieweit der gebürtige Nienburger diese mitgestalten kann, ist ungewiss. Der nationale Verband ist nicht gerade dafür bekannt, viel Geduld mit seinen Trainern aufzubringen: Fünf Trainerwechsel in den vergangenen fünf Jahren belegen die Unstetigkeit und fehlende Geduld. Teile der Mannschaft hat Finke offenbar mit seiner Haltung aber überzeugen können. "Er versteht die afrikanische Seele sehr gut", sagt Verteidiger Joel Matip vom FC Schalke über den Trainer, der sich im Chaos um den inhaftierten Verbandschef, im Prämienstreit, als Adressat der Anfeindungen der Legende Roger Milla oder im Machtkampf mit Samuel Eto'o als recht geschickter Diplomat erwies.

Schöne Kombinationen gegen Deutschland

Dass die Spieler auch anders können, als zu streiten, sogar schön zu kombinieren, hat das 2:2 in der Vorbereitung gegen die deutsche Nationalmannschaft gezeigt. Doch davon war bei der WM nichts zu sehen.

Nach dem desaströsen Auftritt gegen Kroatien in Manaus wollten Matip und auch sein Mainzer Kollege Eric Maxim Choupo-Moting lieber nichts sagen, sie behielten für sich, was sie von den offen ausgetratgenen Streitereien ihrer Teamkollegen hielten. Auch Stephane Mbia vom FC Sevilla wollte nicht groß darauf eingehen, stattdessen ließ er im Bauch des Stadions dafür seine Hose runter. Es war aber keine weitere Eskapade, sondern tatsächlich so etwas wie eine versöhnliche Geste. Mbia tauschte mit seinem spanischen Mannschaftskollegen Ivan Rakitic die Hose. Nur in Unterhosen standen die beiden da - das wird Kameruns Präsident Paul Biya sicherlich auch nicht so gern gesehen haben.

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