Juventus Turin:Senatoren und Juwele

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Von wegen nicht fit: 90-Millionen-Mann Gonzalo Higuain schießt Juve zum 2:1-Sieg gegen Florenz.

(Foto: imago)

Kaum ein Verein in Europa hat mehr Geld ausgegeben - und niemand ist so selbstbewusst wie der italienische Meister. Zum Saisonauftakt erfüllt Juve die Pflicht - und untermauert die großen Ambitionen.

Von Filippo Cataldo, Turin/München

Als sich die Spieler von Juventus zum ersten Mal in dieser Saison zum Anpfiff formierten, sahen die Zuschauer Gigi Buffon, klar. Der ewige Torwart, 38, stand natürlich in der Startelf. Auch die drei Senatoren im Dreier-Abwehrverbund, Leonardo Bonucci, Andrea Barzagli und Giorgio Chiellini standen da im schwarzweißen Trikot, gut gelaunt und froh, dass es wieder losging. Vor den dreien reihte sich Sami Khedira ein, der deutsche Weltmeister im zentralen Mittelfeld der Alten Dame, dem später das 1:0 beim 2:1 gegen den AC Florenz gelingen sollte. Ganz vorne standen Paulo Dybala, wie immer ein wenig tänzelnd, und Mario Mandzukic.

Lauter bekannte Gesichter. Aber: Wo zum Teufel waren nur die Millionen-Geschenke? Die Spieler, die Juventus und seinen Fans in dieser Saison weit mehr als den sechsten Scudetto hintereinander bescheren sollen?

Wo war Gonzalo Higuaín, 28, vor einigen Wochen für unglaubliche 90 Millionen Euro vom SSC Neapel ausgelöst, um einerseits sein kleines Bäuchlein künftig für die Turiner über den Platz zu wuchten und andererseits natürlich, um die nötigen Tore für eine erfolgreiche Saison zu erzielen? In der abgelaufenen Spielzeit waren dem Argentinier, leichtes Übergewicht hin, gewisse Trainingsfaulheit her, 36 Treffer in 35 Ligaspielen gelungen. Nun aber saß er zunächst auf der Bank, um ein freundliches Lächeln bemüht.

Higuain trifft im ersten Spiel

In der 66. Minute erhob er sich, nahm ein paar Schlücke aus der Trinkflasche, strich sich das Trikot flach, bekreuzigte sich dreimal, trottete unter dem Beifall der Fans aufs Feld und erzielte neun Minuten später per Abstauber das entscheidende 2:1. Auftrag erfüllt. Die Saison kann beginnen.

157,5 Millionen Euro hat Juventus in diesem Sommer in neue Spieler investiert, neben Manchester United und Manchester City war die Vecchia Signora die bestimmende Mannschaft auf dem Transfermarkt. Paul Pogba, der im Mittelpunkt der teuersten Transfer-Transaktion der Fußball-Geschichte stand, wechselte für 105 Millionen Euro zu Manchester United. Während ManUnited erst wieder in die Lage kommen muss, die Premier League zu dominieren, hat Juventus das viele Geld nicht für die nationalen Aufgaben investiert.

Die Serie A ist dem Rekordmeister in den letzten Jahren zu klein geworden, einen ernstzunehmenden Gegner um den sechsten Meistertitel hintereinander scheint es nicht zu geben - vorsichtshalber hat Juve den zwei größten Rivalen Neapel und dem AS Rom die jeweils besten Spieler abgekauft: Neapel eben jenen Torjäger Higuain, Rom für 32 Millionen Euro Spielmacher Miralem Pjanic. Der saß gegen Florenz sogar 90 Minuten auf der Bank. Ebenso wie Linksaußen Marko Pjaca, 21, für den man 23 Millionen nach Zagreb überwiesen hat, und den vom FC Bayern für drei Millionen Euro ausgeliehenen Innenverteidiger Medhi Benatia.

Nicht einmal Real Madrid spricht so forsch von hohen Zielen wie Juve

Die neuen Juwele hat Juve für den Angriff auf Europa geholt. Nicht einmal die notorisch selbstbewussten Verantwortlichen von Titelverteidiger Real Madrid haben vor dieser Saison die internationalen Ziele so offensiv verkauft wie Juve. "Ich bin hier, um die Champions League zu gewinnen", hat Benatia bei seiner Ankunft in Turin gesagt. "Das Ziel ist, alles zu gewinnen", sagte Dani Alves, 33, der nach acht Jahren und drei Champions-League-Titeln ablösefrei aus Barcelona kam und am Samstag gegen Florenz neben Mittelfeldspieler Marko Lemina, 22, als einer von zwei Neuzugängen in der Startelf stand.

Sogar Trainer Massimiliano Allegri, nicht wirklich als Lautsprecher bekannt, postulierte im vereinseigenen TV-Sender: "Dieses Mal wollen wir die Champions League gewinnen." Immerhin mit der natürlichen Einschränkung, dass man dafür "etwas Glück" brauche. Trotzdem: "Wir haben an Attraktivität und Stärke zugelegt und unsere Fähigkeiten erweitert", so Allegri. Juventus gehöre zu den "vier besten Klubs in Europa".

Das ist vielleicht ein wenig übertrieben - was ist mit Atlético Madrid, das zweimal in den letzten drei Jahren das Champions-League-Finale erreichte? Was mit Paris Saint-Germain, das nach den Wünschen der katarischen Eigentümer eigentlich schon in der abgelaufenen Saison dran gewesen wäre mit dem europäischen Triumph? Was mit Manchester City, dem neuen Experimentierfeld Pep Guardiolas?

Und doch: Verteidiger Chiellini, einer der Wenigen in Turin, der den Ball etwas flacher hält und unentwegt davor warnt, das Kerngeschäft - die Spiele in der Serie A - aus den Augen zu verlieren, trifft durchaus einen Punkt, wenn er wie neulich in der Gazetta dello Sport sagt, dass "wir in jedem Mannschaftsteil Qualität dazugewonnen haben." Juventus habe zwar Pogba und Stürmer Alvaro Morata (für 30 Millionen Euro zurück zu Real Madrid, die Red.) verloren. Das sei "schade, war aber erwartbar. Darauf konnten wir uns vorbereiten und richtig reagieren", sagt er. Bemerkenswert: Trotz der Rekordausgaben für ganz schön viele, ganz schön vielversprechende neue Spieler, hat Juventus am Ende sogar einen kleinen Transferüberschuss erzielt.

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