Juventus Turin in der Champions League:Zerschellt an der eisenharten Bande

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Geste des Abends: Gianluigi Buffon, r. legt Kylian Mbappé seine Pranke auf den Kopf.

(Foto: imago/PanoramiC)
  • Sechs Spiele zu null, 621 Minuten ohne Gegentor: Nach dem 2:0 im Halbfinal-Hinspiel steht Juventus Turin fast im Finale.
  • Die Italiener stoppen mit einer herausragenden Abwehr Monacos Stürmer Kylian Mbappé.
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Von Thomas Hummel

Der Arbeitsnachweis von Kylian Mbappé war verheerend. In 93 Spielminuten notierten die Statistiker für ihn genau sechs Pässe und drei misslungene Flanken. Dazu zwei Torschüsse. Als der Stürmer des AS Monaco nach einem zu weit geratenen Pass zu spät kam, nahm Turins Torwart Gianluigi Buffon den Ball auf und legte anschließend seine Torwartpranke auf den fast kahlrasierten Schädel Mbappés. Es war das Bild des Abends.

Hier das 18-jährige Wunderkind, die Franzosen nennen ihn den kleinen Prinzen. Dort das 39-jährige Torwartfossil, der ewige Gigi. Es sah aus, als würde der Fußballvater seinem Sohn erklären: Dir mag die Zukunft gehören, aber heute bist du noch nicht gut genug. Heute bin ich noch der Stärkere.

AS Monaco gegen Juventus Turin, dieses Halbfinale der Champions League ist das Duell der Generationen. Hier die junge, vor Kraft, Übermut und Talent berstende Mannschaft aus Monaco. Dort die stoische, eisenharte Bande aus Italien, die in ihrem langen Fußballerleben schon alles gesehen und erlebt hat. Im Hinspiel am Mittwochabend bewahrheitete sich vorerst eine Weisheit des italienischen Bayern-Trainers Carlo Ancelotti: Mit jungen Spielern gewinnt man Spiele, mit erfahrenen Spielern gewinnt man Titel. Nach dem 2:0-Auswärtserfolg steht Juventus Turin kurz vor dem Einzug ins Finale der Champions League.

Monacos Problem: Mbappé hatte praktisch nie den Ball

Mbappé wurde dabei zum Sinnbild des monegassischen Scheiterns. Denn trotz seiner schlimmen Statistiken war er aufgefallen. Vor der Halbzeit schoss er zweimal auf das Tor, zweimal rettete Buffon. Wenn der Stürmer den Ball hatte, zog aus dem kleinen Stade Louis II ein Raunen rund um die Welt, sein schneller Antritt, seine Fertigkeit am Ball, sein Selbstbewusstsein im Dribbling sind eine Attraktion. Das Problem für den AS Monaco war nur: Mbappé hatte praktisch nie den Ball. Die alten Gauner aus Turin ließen ihn einfach nicht mitspielen.

"Die ganze Welt weiß inzwischen, zu was er fähig ist", sagte Monacos Mittelfeldspieler Tiémoué Bakayoko, "sie haben die Räume um ihn herum sehr eng gemacht. Doch manchmal ist er ihnen entkommen. Auf diesem hohen Niveau muss er noch lernen, wie wir alle." Das ist die Resthoffnung des AS Monaco: Dass die Jungprofis in diesem Hinspiel gelernt haben, wie man gegen die vielleicht beste Defensive der Welt klarkommt. Es ist eine sehr kleine Resthoffnung.

Denn Juventus machte keinesfalls den Eindruck, auch nur einen Millimeter preiszugeben. Klar, hin und wieder müssen auch die Turiner die Klasse der tollen Fußballer aus dem Fürstentum respektieren. Doch eine Niederlage im Rückspiel zu Hause mit zwei oder drei Toren Unterschied käme einem sportlichen Erdbeben gleich. Zu stark, zu kontrolliert, zu unüberwindlich spielten die Italiener. Und auch sie haben sehr gute Fußballer dabei.

Dani Alves zum Beispiel, der Rechtsverteidiger. In Barcelona haben sie es längst bereut, dass sie den Brasilianer vor der Saison haben ziehen lassen. Alves wird zwar am Samstag 34 Jahre alt, gehört aber mit Philipp Lahm und Dani Carvajal immer noch zur Elite auf seiner Position. Einen Ersatz für Alves konnte Barcelona nicht annähernd auftreiben. In Monaco bereitete er beide Tore für Juventus vor. Das erste mit einem Hackenpass, den man sich nur ausdenken kann, wenn man in Brasilien aufgewachsen ist. Vor dem zweiten Tor schlug er eine Flanke so haargenau auf seinen Stürmer, dass dieser nur noch den Fuß hinhalten musste.

Mandzukic spielt mehr Linksverteidiger als Stürmer

Der Stürmer hieß Gonzalo Higuaín. Der Argentinier war vor der Saison für 90 Millionen Euro aus Neapel gekommen, dennoch trägt er den Verdacht mit sich herum, für das allerhöchste Niveau nicht gut genug zu sein. In Monaco stolperte er zuerst über die eigenen Füße, schoss einen Ball Richtung Eckfahne und flog mit seltsam gerecktem Hals an einer Flanke vorbei. Higuaín begann tollpatschig - um mit seiner vierten Aktion das 1:0 zu erzielen (29.) und später auch das 2:0 (59.). "Ich bin glücklich, jetzt wird hoffentlich niemand mehr sagen, dass er es in Europa nicht schafft", erklärte Trainer Massimiliano Allegri.

Das Fundament des Turiner Erfolgs steht allerdings hinten. In elf Partien dieser Champions-League-Saison kassierte die Mannschaft bloß zwei Gegentreffer. Seit sechs Spielen, exakt seit 621 Minuten, steht die Null. In Monaco bestand die aus der italienischen Nationalmannschaft bekannte Dreierabwehr aus Andrea Barzagli, Leonardo Bonucci und Giorgio Chiellini, die weiter an ihrer eigenen Legende bastelt. Ein derart kantiges, wehrhaftes und gleichzeitig schlaues Dreigestirn hat die Fußballwelt wohl noch nicht gesehen. Und wenn mal was durchkommt, dann steht da immer noch Buffon. Zudem hat sich die ganze Mannschaft von Juventus dem emsigen Verteidigen verschrieben. Der aus seiner Zeit in Wolfsburg und beim FC Bayern als eher störrischer Stürmer bekannte Mario Mandzukic war in Monaco mehr als linker Verteidiger zu sehen als vorne im Strafraum. Im Rückspiel in Turin ist dann auch Sami Khedira wieder dabei, der im Hinspiel eine Gelbsperre absaß. Auch das ist für Monaco eine eher schlechte Nachricht.

So feiert Juventus wohl demnächst die sechste italienische Meisterschaft in Serie, im Pokal-Endspiel wartet Lazio Rom als Gegner. Doch die wahre Sehnsucht zielt auf den Erfolg in der Champions League ab. Nach 1996 will Turin endlich wieder die Königsklasse gewinnen!

Bis dahin verteilen sie noch Komplimente an die Gegner, selbst wenn diese gnadenlos unterlegen waren. Nach dem Schlusspfiff in Monaco tauschte Buffon mit Mbappé das Trikot - als Zeichen des Respekts, wie er sagte. Der 35-jährige Barzagli erklärte: "Ich habe schon viele gute Spieler gesehen, als sie jung waren. Aber noch nie einen wie ihn." Dann versicherte der 32-jährige Chiellini, dass Mbappé ein "future crack" sei, also ein Star für die Zukunft. Für den Mai 2017 zählt aber nur die Frage: Wie oft darf der 18-Jährige beim Rückspiel in Turin den Ball berühren?

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