Juventus Turin:Der beste Präsident der Familie

Roma vs Juventus

Nur minimal älter als Torwart Buffon: Juve-Präsident Andrea Agnelli.

(Foto: Ettore Ferrari/dpa)
  • Mit einem Sieg im Champions-League-Finale könnte Juventus Turins Präsident Andrea Agnelli den größten Erfolg seiner Amtszeit verbuchen.
  • Der seit einem Jahrhundert in Familienbesitz befindliche Verein gewann unter seiner Führung zuletzt sechs Meisterschaften in Folge.
  • Vor Gericht muss Agnelli jedoch zu Verbindungen zu von Mafiosi unterwanderten Fangruppierungen aussagen.

Von Birgit Schönau, Turin

Andrea Agnelli war sechs, als er das erste Mal der Verlobten Italiens vorgestellt wurde, ein schüchternes Kind. Die Verlobte Juventus, la fidanzata d'Italia überstrahlt auch im 120. Lebensjahr die Konkurrenz im Land, jeder vierte Italiener fühlt sich zu ihr hingezogen. Als Italiener ist man Juventino oder Anti-Juventino, als Agnelli hat man leidensbereiter Verehrer, hingebungsvoller Gefährte und großzügiger Mäzen von Madama zu sein, wie der Klub in seiner Heimatstadt tituliert wird.

Niemand käme auf die Idee, Juventus den Zusatz "Turin" zu verpassen, wie das im Ausland so üblich ist. Turin, das ist der FC Torino. Juve dagegen war von Anfang an größer als jene Stadt, in der eine Handvoll Gymnasiasten 1897 ihren Fußballverein gründeten. Schon 1923 übernahmen die Fiat-Konzernherren Agnelli Juventus. Fast ein Jahrhundert durchgehend im Besitz einer Familie zu sein, ist weltweit einmalig für einen Sportklub. Während überall in Europa und sogar im benachbarten Mailand die Traditionsklubs an Russen, Araber, Chinesen verhökert werden, halten die Agnelli in Turin die Stellung.

An einem sonnigen Spätsommertag 1982 hatte Andreas Vater Umberto, damals Juve-Präsident, seinen Sohn mitgenommen - zum Training, danach zum Mittagessen. Der Kleine durfte neben Paolo Rossi sitzen, der soeben mit seinen Toren Italien den WM-Titel beschert hatte. Angesichts seines Idols brachte der Junge kein Wort heraus, "aber ich erinnere mich noch an das riesige Glücksgefühl, Rossi so nah zu haben".

Jetzt ist das Kind von damals selbst der Chef, der erfolgreichste der Familiengeschichte. Gerade hat Andrea Agnelli den Großvater Edoardo überholt, der in den 1930er Jahren fünf Italien-Meisterschaften in Serie sammelte. Unter Andrea wurden es in sechs Jahren sechs Titel und drei Pokale. Dabei hatte er, als er 2010 Präsident wurde, vor allem eine Sorge: "Als einziger Agnelli nichts zu gewinnen."

Mehr als ein Patron, der sein Steckenpferd pflegt

Am Samstag nun erlebt Andrea, inzwischen 41 und selbst Vater von drei Kindern, sein zweites Champions-League-Finale im Amt. Und während er früher schon froh darüber war, in der Königsklasse zu überwintern, will er nun unbedingt auch noch hier die Vorfahren übertreffen.

Vor zwei Jahren, gegen Barcelona in Berlin, war Juve noch Außenseiter - und verlor. Diesmal ist Real Madrid auch Favorit, doch ein Sieg der Italiener wäre keine Sensation mehr. Auf dem Platz stehen für Juve große Namen wie Dani Alves, Sami Khedira, Gonzalo Higuain, die Weltklasseabwehr mit Giorgio Chiellini, Leonardo Bonucci und Andrea Barzagli, das Torwart-Monument Gigi Buffon und das Supertalent Paulo Dybala.

Aber selbst diese Spieler wären nicht ganz oben, wenn nicht auch hinter den Kulissen hervorragende Arbeit geleistet würde. "Es reicht nicht mehr aus, als Patron sein Steckenpferd zu pflegen", sagt Agnelli und erzählt, wie es bei Juve aussah, als sein Onkel Gianni und später sein Vater Umberto Präsident wurden: "Sieben, acht Personen arbeiteten in der Verwaltung, waren aber eigentlich nur mit der Mannschaft beschäftigt."

Die Präsenz ist das Geheimnis

Heute gibt es 400 Mitarbeiter und für dieses Jahr wird ein Rekordumsatz von annähernd 500 Millionen Euro erwartet. Was eine glatte Verdoppelung gegenüber den Anfangsjahren des Präsidenten bedeutet, der studierter Betriebswirt ist und vorher auch schon im Sportmanagement arbeitete.

Unter Agnelli eröffnete Juventus 2011 als erster italienischer Klub eine eigene Arena. Im Sommer wird das alte Verwaltungsgebäude am zentralen Corso Ferraris und das dauer-vernebelte Trainingsgelände in Vinovo verlassen und in die neue Klubzentrale neben dem Stadion umgezogen. Was nicht zuletzt dem Präsidenten viel Fahrerei erspart. Der ist oft beim Training und natürlich bei jedem Heimspiel dabei, zwischendurch geht er in sein von vielen Zigaretten verqualmtes Büro.

"Die Präsenz ist das Geheimnis des Erfolgs", glaubt Verteidiger Chiellini, der selbst soeben seinen BWL-Master gemacht hat. "Manager an der Klubspitze sind mittlerweile keine Seltenheit. Aber wer ist schon derart mit seinem Verein verwachsen wie unser Präsident?"

Im Stadion sitzt neben Agnellis Lebensgefährtin immer auch seine Mutter Allegra aus dem alten und weit verzweigten Adelsgeschlecht der Caracciolo. Aufrecht, aristokratisch, vornehm. Als leidenschaftlicher Juventus-Fan wird sie selbstredend nach Cardiff reisen. Genau wie Andreas Cousin John Elkann, der Präsident des Fiat-Chrysler-Konzerns. Die beiden fast gleichaltrigen Vettern repräsentieren einen der schillerndsten Clans des europäischen Old Money, natürlich machen sie sich dabei auch Konkurrenz. Aber im Sommer spielen sie gemeinsam in einer Mannschaft, wenn die Agnelli im eigenen Stadion ihr traditionelles Familienmatch veranstalten, selbstredend hinter verschlossenen Türen.

Mafiosi in der Kurve?

Die Juve-Trophäen darf Andrea für sich beanspruchen, allerdings muss er derzeit auch allein in den Ring steigen, um vor dem Sportgericht eine heikle Sache zu klären. Der Präsident ist gemeinsam mit drei anderen Managern angeklagt, unerlaubte Beziehungen zu organisierten Tifosi gepflegt und gegen Vorschriften zum Tickethandel verstoßen zu haben. Es geht darum, dass einige Ultra-Gruppen, insbesondere die berüchtigten Drughi von der Klubleitung Eintrittskarten auch zum Weiterverkauf erhalten haben. Unter den Ultra-Führern befindet sich ein nicht vorbestrafter Mann, der derzeit in Turin unter dem Verdacht angeklagt ist, ein Mittelsmann der kalabrischen Mafia-Organisation 'Ndrangheta zu sein. Sein mitangeklagter Vater war nach eigenen Aussagen zumindest bis 2012 Mitglied der 'Ndrangheta.

Andrea Agnelli hat inzwischen vor dem Turiner Gericht und dem Antimafia-Ausschuss des italienischen Parlaments erklärt, nichts von möglichen Infiltrierungen durch die Mafia gewusst zu haben. Die in der Juve-Kurve arbeitende Polizei-Antimafia-Einheit Digos habe ihn auch zu keinem Zeitpunkt vor solchen Machenschaften gewarnt. Der Präsident wurde nur als Zeuge vernommen, dennoch riskiert er vom Sportgericht eine Sperre.

Der Prozess war für Ende Mai terminiert, wurde jedoch auf September verschoben. Soviel Rücksicht muss sein für ein Champions-League-Finale, das aus Andrea Agnelli endgültig den Besten in der Familie machen könnte.

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