Juventus im Champions-League-Finale:Die Helden von 2006 sollen es richten

UC Sampdoria v Juventus FC - Serie A; Buffon

Bilden zusammen die Turiner Mauer: Gianluigi Buffon, Leonardo Bonucci und Andrea Barzagli (v. l. n. r.).

(Foto: Valerio Pennicino/Getty Images)
  • Im Champions-League-Finale gegen den FC Barcelona wird Juventus Turin in erster Linie auf eine gute Defensivarbeit setzen.
  • Im Unterschied zur Serie A wird das Team mit vier Verteidigern antreten, Regisseur Andrea Pirlo wird sich steigern müssen.
  • Hier können Sie das Spiel später im Liveticker verfolgen.

Von Birgit Schönau, Rom

"Gut, dass wir jetzt gegeneinander spielen", diesen schönen Satz hatte Giorgio Chiellini, der Verteidiger von Juventus Turin, vor ein paar Tagen in Erwartung eines Duells mit Luis Suárez gesagt. Dann werde das Gerede über den Schulterbiss aufhören, meinte Chiellini, aber wie man weiß, hat sich dieser Plan zerschlagen. Dass Chiellini beim Berliner Champions-League-Finale wegen einer Waden- zerrung ausfällt, hat sich inzwischen herumgesprochen - offen bleibt aber, was diese Nachricht für wen bedeutet.

Für Chiellini ist sie unangenehm, er wäre natürlich gerne dabei gewesen. Aber ist die Nachricht auch schlimm für Juventus? Wer erwartet, dass die Mannschaft von Trainer Massimiliano Allegri mit acht Mann verteidigen wird, könnte sich täuschen - jedenfalls bis zum ersten Juve-Tor.

Vier Verteidiger plus Gigi Buffon, Zähne fletschend

Wer aber erwartet, dass Juve, sagen wir mal, schwerpunktmäßig eher im Rückwärtsgang arbeitet, der könnte damit nicht ganz unrecht haben. Dass die in der Serie A gern praktizierte Dreierkette auch im Berliner Olympiastadion zum Einsatz kommen wird, ist nicht besonders wahrscheinlich. Nur drei Juve-Hintermänner gegen Messi, Neymar, Suárez? Das wäre ja schon beim Tischfußball tollkühn.

Vier werden es sein, nominell. Plus Gigi Buffon im Tor, Zähne fletschend. Dass Chiellini ausfällt, muss dabei nicht wirklich schlimm für Juventus sein. In der Champions League war der stets etwas linkische Innenverteidiger mit riskanten Manövern und folgenreichen Fehlern aufgefallen, zuletzt bescherte er Real Madrid im Halbfinale einen Elfmeter. Sicher, Suárez hätte er womöglich auf Distanz halten können - mit der psychologischen Barriere, für die ersten fünf Minuten.

Aufstellung neu

Die Aufstellung zum Finale der Champions League

(Foto: SZ)

Chiellinis Stellvertreter heißt eigentlich Angelo Ogbonna, auch er Nationalspieler, allerdings mit erst zehn Einsätzen. Ogbonna ist stark, wendig, aber er hat weder Chiellinis Erfahrung noch dessen Kampfgeist. Vermutlich wird Allegri auf Andrea Barzagli setzen, obwohl der 34-Jährige gerade erst von einer Verletzung genesen ist. Er ist eher nicht in Top-Form, aber möglicherweise trotzdem verlässlicher als Ogbonna. Barzagli ist die Ruhe selbst, und gegen das Barcelona-Trio cool zu bleiben, ist schon die halbe Miete.

Der Italiener Barzagli gehört mit Buffon und Andrea Pirlo zu jenem Trio, das im Berliner Olympiastadion schon mal Weltmeister wurde, anno 2006. Jetzt wollen die Herren es dem Rest der Welt gerne noch einmal beweisen, bevor sie gemütlich auf der Bank Platz nehmen (Barzagli), sich den Karriereausklang in Dubai oder in den USA vergolden lassen (Pirlo) oder die nächste Runde mit Blick auf die WM 2018 einläuten. Das hat jedenfalls Buffon vor, der als erster Spieler mit sechs WM-Teilnahmen in die Annalen eingehen will.

Aber jetzt: erst mal Barcelona. Und da kann sich Buffon neben Barzagli auch auf Leonardo Bonucci verlassen, einen Juve-Routinier mit mehr als 200 Einsätzen. Zusammen bilden die vier Juve-Hintermänner Buffon, Chiellini, Barzagli und Bonucci auch das Rückgrat der Squadra Azzurra, dort sind sie allerdings nicht ganz so erfolgreich wie im Verein. Zur "Berliner Juve-Mauer", wie italienische Gazetten unbekümmert kalauern, gehören als Außenverteidiger außerdem der laufstarke Schweizer Stephan Lichtsteiner und der Franzose Patrice Evra, der mit Manchester United 2008 schon einmal ein Champions-League-Finale gewonnen hat.

Präzision, Pragmatismus, Phlegma

In England war der aus Senegal stammende Evra mit Suárez einst bei einem Ligaspiel übel aneinandergeraten. Der Uruguayer habe ihn ständig provoziert und rassistisch beleidigt, klagte Evra. Suárez kassierte eine Sperre von acht Tagen und weigerte sich beim nächsten Aufeinandertreffen, Evra die Hand zu geben. Die Episode ereignete sich vor drei Jahren. "In Berlin wird es kein Problem geben", versichert Evra, "ich werde allerdings auch dafür sorgen, dass er mich wahrnimmt."

Darauf dürfte auch der Kollege Arturo Vidal bestehen, den Allegri aus dem Mittelfeld etwas weiter nach hinten rücken dürfte. Vidal soll den Gegner abschrecken, ihm Bälle klauen, unterstützt von dem gewieften Claudio Marchisio. Und der große Andrea Pirlo wird sich nicht damit zufrieden geben können, das Tempo zu drosseln. Gegen Real Madrid war der Regisseur oft unpräzise, in Berlin muss jeder Pass sitzen.

Barça-Trainer Enrique hat noch nie gegen Juve gewonnen

Präzision, Pragmatismus und Phlegma, nur das kann helfen. Und helfen könnte auch, dass Allegri nicht das Finale nutzen will, um der Welt zu zeigen, welch kreativer und einmaliger Trainer er ist. Der Mann ist frei von Profilierungssucht und Sendungsbewusstsein. Seine größte Tugend ist die Anpassungsfähigkeit. Ironischerweise wirken diese ur-italienischen Eigenschaften im Zeitalter der Trainer-Gurus erfrischend bodenständig.

Bei Juve macht man sich keine Illusionen über die Rollenverteilung im Finale. Sicher, Barça-Trainer Luis Enrique hat noch nie gegen Juventus gewonnen, er hatte es zuvor aber auch nur mit dem AS Rom versucht. Barcelona ist der Favorit, die Turiner sind die Überraschung des Turniers. Der Außenseiter. Schritt für Schritt haben sie sich voran getastet, jede Partie minutiös vorbereitet, sich jedem Gegner angepasst, Dortmund, Monaco, Real Madrid.

Nein, zufällig ist Juventus sicher nicht im Endspiel. Gleichgültig, wie es ausgeht, es ist schon ein Erfolg - anders als für Barcelona.

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