Justin Gatlin:"Der Weltrekord ist möglich"

Der mehrfache Dopingsünder läuft so schnell wie noch nie zuvor. Sein einziges Ziel: Usain Bolt schlagen.

Von Martin Schneider, Doha

Justin Gatlin sagte also: "Das war ein magischer Abend für mich. Mit dieser Leistung habe ich ein Statement abgegeben." Damit hatte er Recht. Auf vielen Ebenen. Die Frage ist nun: Was soll man mit diesem Statement vom Freitagabend, diesen 9,74 Sekunden über 100 Meter beim Diamond-League-Meeting in Doha, anfangen?

Justin Gatlin ist ein außergewöhnlicher Athlet, keine Frage. Er ist Olympiasieger (Athen 2004), Doppelweltmeister (Helsinki 2005) und nun der fünftschnellste 100-Meter-Läufer der Geschichte. Justin Gatlin ist aber auch ein außergewöhnlicher Dopingsünder. Er wurde zweimal erwischt, einmal Amphetamine, einmal Testosteron. Eigentlich bedeutet das eine lebenslange Sperre. Es wurden erst acht Jahre, dann nur vier Jahre und nun ist dieser Justin Gatlin wieder da und läuft mit 33 Jahren schneller als jemals zuvor. Schneller als zu der Zeit, in der er nachweislich gedopt hat. Wie geht man damit um?

Vor ein paar Tagen musste Gatlin die Silbermedaille von London zurückgeben

Man kann es halten wie sein großer Konkurrent Usain Bolt. Der sagte: "Gatlin hat seine Strafe bekommen und verbüßt, deshalb ist das für mich kein Problem." So läuft das in einem normalen Rechtsprozess. Aber ist das in einem Sport, der so massiv um Glaubwürdigkeit kämpfen muss wie die Leichtathletik, wirklich so einfach? Vor ein paar Tagen musste Gatlin seine olympische Silbermedaille von London zurückgeben, die er mit der 4x100-Meter-Staffel der USA gewonnen hatte: Seinem Teamkollegen Tyson Gay wurde die Einnahme von anabolen Steroiden nachgewiesen. Er wurde wegen guter Kooperation nur für ein Jahr gesperrt und läuft nun seit einiger Zeit wieder. Gay ist mit 9,69 Sekunden übrigens der zweitschnellste Mensch der Geschichte.

IAAF Diamond League in Doha

Wenig entspannt zur Weltjahresbestzeit: Justin Gatlin.

(Foto: Stringer/dpa)

Der schnellste Mensch ist natürlich nach wie vor Usain Bolt (9,58 Sekunden), der bisher unbelastet von Doping-Geschichten ist. Der kämpft aber seit geraumer Zeit mit vielen Verletzungen und steigt erst am 13. Juni in New York in die Saison ein. In der jetzigen Form scheint es denkbar, dass Gatlin den unangefochtenen König der Tartanbahn bei den Weltmeisterschaften Ende August in Peking schlagen kann. Schon einmal hat er das geschafft. Bei einem Meeting in Rom 2013. Im vergangenen Jahr traten die beiden nicht gegeneinander an. Gatlin hatte auch deswegen alle seine 18 Einzelrennen über 100 und 200 Meter gewonnen. Wobei er zu manchen Meetings, etwa dem traditionsreichen im Züricher Letzigrund, aufgrund seiner Dopingvergangenheit gar nicht mehr eingeladen wird.

"Da platzt mir der Kragen"

Bolt zu schlagen ist trotzdem sein erklärtes Ziel. "Natürlich liegt die Messlatte sehr hoch, aber 9,8, 9,7 und hoffentlich auch 9,6 Sekunden werden in diesem Jahr kommen. Ich will da rausgehen und auf einem höheren Level dominieren", sagte der US-Amerikaner auf der Pressekonferenz vor seinem Lauf. Gatlin gilt nicht als bescheidenster Zeitgenosse seiner Zunft. Im Gegensatz zu dem zurückhaltenderen Gay oder dem Jamaikaner Asafa Powell ist Gatlin eher der Typ Dampfplauderer.

Justin Gatlin: Danach superentspannt im TV: In 9,74 Sekunden über 100 Meter setzt Gatlin ein Ausrufezeichen.

Danach superentspannt im TV: In 9,74 Sekunden über 100 Meter setzt Gatlin ein Ausrufezeichen.

(Foto: Osama Faisal/AP)

Die Vorraussetzungen sind jedenfalls da. Im März verkündete der Sportartikel-Riese Nike, Justin Gatlin wieder unter Vertrag zu nehmen. Zuvor wollte ihn kaum einer haben, er wurde von einer chinesischen Firma ausgestattet. Der deutsche Sprinter Sven Knipphals sagte damals: "Da platzt mir nur noch der Kragen, das ist ein völlig falsches Zeichen. Der kassiert ordentlich ab und wir können froh sein, wenn wir ein paar Klamotten bestellen dürfen." Diskuswerfer Robert Harting bat den Leichtathletik-Weltverband IAAF mal, ihn bei der Wahl zum Leichtathlet des Jahres nicht zu berücksichtigen, weil er nicht mit Gatlin auf einer Liste stehen wollte.

Gatlin scheint das egal zu sein: "Ich bin bereit. Ich fühle es. Wer immer mein Gegner sein wird, ob es Usain ist oder irgendjemand anderes, ich werde bereit sein", sagte er vor seinen 9,74 Sekunden in Doha. Und noch viel wichtiger: "Ich denke, der Weltrekord ist nicht außer Reichweite."

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