Jupp Heynckes:Ein Fisch namens Philippo

  • Zum vierten Mal wird Jupp Heynckes Trainer beim FC Bayern.
  • Er sprang in München immer wieder als Nothelfer ein. Er ist der einzige Triple-Gewinner der Vereinsgeschichte und ein guter Freund von Uli Hoeneß.
  • Die Ewartungen an ihn sind nun klar: Den Riss, der durch die Mannschaft geht, zu kitten.

Von Lisa Sonnabend

Es gibt viele Bilder aus der gemeinsamen Zeit, die in Erinnerung geblieben sind. Zum Beispiel diese: Im Mai 2013 lädt Jupp Heynckes die Spieler des FC Bayern auf seinen Bauernhof in der Nähe von Mönchengladbach ein, Bastian Schweinsteiger tollt mit Cando, dem Schäferhund des Trainers, durch den Garten. Es wird gelacht, es gibt rheinischen Sauerbraten, sogar einen Schluck Wein für die Profis. Wenige Tage später gewinnt der FC Bayern das Champions-League-Finale in Wembley, in der Woche danach auch noch das Pokalfinale und damit das Triple. Die Spieler werfen ihren 68-jährigen Trainer in die Luft, als wäre er ein Kleinkind, das Geburtstag feiert.

Es ist der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte, es ist der Moment, in dem Heynckes die größte Freude an seinem Beruf verspürt. Doch die Münchner haben ausgerechnet jetzt keine Verwendung mehr für ihn, da sie bereits Monate zuvor Pep Guardiola verpflichtet haben. Heynckes zieht sich zurück, schneidet die Blumen in seinem Garten, macht lange Spaziergänge mit Cando, füttert die Fische im Teich. Auch den Koi-Karpfen, den ihm die Bayern-Spieler zum Abschied geschenkt haben. Heynckes taufte ihn Philippo. Nach Philipp Lahm, seinem Kapitän.

Vier Jahre und vier Monate ist das her - und nun ist bekannt: Die Beziehung zwischen Jupp Heynckes und dem FC Bayern, die immer eine ganz besondere war, lebt noch einmal auf. Der Rheinischen Post hat er jetzt selbst bestätigt, dass es Gespräche gebe, dass er sich mit Uli Hoeneß, Karl-Heinz Rummenigge und Sportdirektor Hasan Salihadmidzic getroffen habe. Sie hätten ihn gebeten, das Amt bis zum Sommer 2018 zu übernehmen. Es sei noch nichts klar, sagt Heynckes, er müsse erstmal die Lage analysieren. Klar sei nur, dass er trotz seines Alters - Heynckes wird im Mai 73 - "topfit" für die Aufgabe sei.

Die Erwartungen an Heynckes sind klar. Ein erneutes Triple? Niemand würde ernsthaft so ein Ziel ausgeben. Der gelernte Stuckateur soll vielmehr zunächst den Riss wieder kitten, der durch die Mannschaft gegangen ist.

Es geht ihm nicht nur um die Leistung eines Profis, sondern um den Menschen

Vor allem in seinen späten Jahren gab wohl keinen Trainer im Profifußball, der so empathisch arbeitet wie Heynckes. In der Triple-Saison schlich er meist lange vor Trainingsbeginn durch die Gemeinschaftsräume an der Säbener Straße. Er nahm sich Zeit, plauderte mit den Fußballern, zog sie auch mal auf, so hat er es einmal selbst erzählt. Heynckes geht es nicht nur um die Leistung eines Profis, es geht ihm immer auch um den Menschen dahinter. Es gab eine Zeit, da war Sturheit ein prägender Charakterzug von ihm, später wandelte er sich, und irgendwann verlor eigentlich kein Spieler ein schlechtes Wort mehr über ihn.

Doch den Erfolg des Trainers Heynckes nur auf seine Menschlichkeit zu reduzieren, greift zu kurz. Er ist detailbesessen, tüftelt vor Spielen lange an der Aufstellung, kann sich in Taktikdiskussionen verlieren. Fast 24 Stunden würde er sich mit Fußball beschäftigen, berichtete seine Ehefrau Iris einmal, die seit 1967 mit ihm verheiratet ist. Nur für das gemeinsame Abendessen habe er seine Arbeit kurz unterbrochen.

Aus Arbeitskollegen werden Freunde

Als Fußballer war Heynckes einer der erfolgreichsten Stürmer des Landes. Er war schnell, vielseitig und schusssicher. 220 Tore erzielte er in 369 Bundesligaspielen - nur Gerd Müller und Klaus Fischer haben häufiger getroffen. Nach seinem Karriereende 1979 begann er als Trainer bei Borussia Mönchengladbach zu arbeiten. Es folgten Stationen bei Eintracht Frankfurt, Schalke, Bayer Leverkusen, in Bilbao, auf Teneriffa, bei Benfica Lissabon oder Real Madrid, wo er 1998 erstmals die Champions League gewann. Und immer wieder beim FC Bayern.

Als ihn Uli Hoeneß 1987 das erste Mal verpflichtete, brauchte Heynckes zunächst ein wenig Zeit, doch in seiner zweiten und dritten Saison in München holte er den Meistertitel. Hoeneß und Heynckes waren nicht nur Arbeitskollegen, sie wurden Freunde. Als Köln-Trainer Christoph Daum 1989 den Bayern-Trainer mit Schimpftiraden attackierte wie "Heynckes könnte auch Werbung für Schlaftabletten machen", kam es zu einem hitzigen Showdown im Sportstudio. Während Heynckes mit rotem Kopf die meiste Zeit über schwieg, gingen Hoeneß und Daum aufeinander los. Der Bayern-Manager verteidigte seinen Trainer vehement - mit nicht immer jugendfreien Worten.

1991 trennten sich die Wege zwischen Heynckes und dem FC Bayern zunächst. Nach vier Spielen ohne Sieg musste der Trainer gehen. Hoeneß bezeichnete dies später als "die größte Fehlentscheidung meiner Karriere". Mit Nachfolger Søren Lerby rutschte der FC Bayern zum Saisonende bis auf Platz 12 der Bundesligatabelle ab.

Triple nach dem Trauma

Es dauerte fast zwei Jahrzehnte, bis Hoeneß und Heynckes wieder zusammenfanden. Nachdem Jürgen Klinsmann 2009 fünf Spieltage vor Saisonende gefeuert worden war, sprang der Gladbacher ein und führte die Münchner immerhin noch auf den zweiten Tabellenplatz. Zwei Jahre später wurde Heynckes erneut gebraucht. Nach der Beurlaubung von Louis van Gaal und dem Weggang von Interimstrainer Andries Jonker übernahm er zur Saison 2011/2012 das Amt. Zum Saisonende standen drei zweite Plätze, die Niederlage im Elfmeterschießen im Champions-League-Finale zuhause in München gegen Chelsea schmerzte wie kaum eine andere in der Vereinsgeschichte.

Danach begann - mit Ende 60 - das erfolgreichste Jahr des Jupp Heynckes. Wenige Tage nach dem historischen Triple erschien der Trainer zu einer Pressekonferenz. Er trug ein braun-weiß kariertes Sakko, das ihn ein wenig älter aussehen ließ. Er erzählte, wie ihn die Saison körperlich mitgenommen habe, wie er gespürt habe, dass er an sein Limit gestoßen sei. Dann verkündete Heynckes, dass er keinen neuen Verein übernehmen werde. Es kullerten ihm ein paar Tränen herunter. Das Wort Rücktritt nahm er jedoch nicht in den Mund, stattdessen sagte er: "Ich habe persönlich etwas gegen endgültig."

Im März 2016 überreichte Hoeneß ihm den Ehrenring der Stadt Mönchengladbach. Er schwärmte mal wieder von ihrer Freundschaft, sprach davon, wie Heynckes in der Zeit, als er im Gefängnis saß, immer zu ihm gehalten habe. Dann lobte er ihn mit den Worten: "Du bist ein Vorbild an Einsatz, Willen und Menschlichkeit. Ich möchte mich vor deinem Lebenswerk verneigen." Es klang nicht so, als würden die beiden es für möglich halten, noch einmal beim FC Bayern zusammenzuarbeiten.

Als Rentner hatte Heynckes sich eigentlich ganz wohl gefühlt. Fußball habe er zuletzt eher mit den Augen eines Fans geschaut, betonte Heynckes immer mal wieder. Doch nun kehrt er tatsächlich noch einmal zurück.

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