Jupp Heynckes beim FC Bayern:Wenn der Cando zweimal bellt

Coach Heynckes takes over Bayern Munich

Wieder da: Jupp Heynckes bei seinem ersten Training an der Säbener Straße.

(Foto: REUTERS)
  • Der FC Bayern erlebt eine der heftigsten Erschütterungen der jüngeren Vereinsgeschichte.
  • Der reaktivierte Trainer Jupp Heynckes soll nun als Versöhner das Team einen.
  • Dass er 72 Jahre alt ist, sei zweitrangig, betont Heynckes immer wieder selbst.

Von Benedikt Warmbrunn

Es dauert nicht ganz drei Minuten, bis Jupp Heynckes über das spricht, worum es geht an diesem Vormittag, und vielleicht auch in den nächsten acht Monaten. In den 49 Minuten danach wird es um alles andere gehen, um Ordnung, um Alter, um Heynckes' Ruhepuls, um eine SMS von Claudio Pizarro, um ein abgelehntes Angebot des FC Barcelona, um die Entwicklung des internationalen Fußballs und um den Schäferhund Cando. Erst einmal aber redet Jupp Heynckes über Freundschaft.

Montagvormittag, die Arena in Fröttmaning, der FC Bayern präsentiert seinen neuen Trainer. Es ist keine normale Trainerpräsentation. Sie ist zwar nicht so aufwendig wie die von 2013, als Pep Guardiola vorgestellt wurde, damals gab es spanische und bayerische Tapas. Sie ist auch nicht so aufwendig wie die im Juli 2016, als Carlo Ancelotti mit einer Videobotschaft ehemaliger Spieler wie Cristiano Ronaldo begrüßt wurde. Am Montagvormittag gibt es immerhin belegte Brötchen und Butterbrezen, eine Videobotschaft gibt es nicht. Es kommt aber auch kein Unbekannter.

Eine der heftigsten Erschütterungen der jüngeren Vereinsgeschichte

"Verschiedene Gründe" habe es gegeben, sagt Heynckes, warum er nun zum vierten Mal als Trainer des FC Bayern vorgestellt wird, als sein eigener Nach-Nach-Nachfolger (2011-2013) oder auch als sein eigener Nach-Nach-Nach-Nach-Nach-Nachfolger (2009). "Erstens, das wissen Sie alle, dass da eine Freundschaft zwischen Uli Hoeneß und mir besteht", der Vereinspräsident rechts neben ihm auf der Bühne grinst bestätigend. "Zudem", sagt Heynckes, verstehe er sich "sehr gut" mit Karl-Heinz Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden links neben ihm, auch zu ihm sei der Kontakt in den vergangenen Jahren "nie abgerissen". Mit diesem ersten Punkt endet die Aufzählung auch schon.

Heynckes spricht dann darüber, dass er dem FC Bayern viel verdanke, dass seine erste Station in München, die von 1987 bis 1991, das "Sprungbrett" für seine internationale Karriere gewesen sei, dass diese ihm erst die Jahre auf Teneriffa und in Bilbao ermöglicht habe, dass diese ihn zu Real Madrid und damit zum Champions-League-Titel 1998 geführt habe, und, das verrät er erstmals, dass er deshalb auch ein Angebot des FC Barcelona erhalten habe, 1996, das er aber ablehnte. Und nun, da der FC Bayern ihn wieder gefragt hat, nach einer der heftigsten Erschütterungen der jüngeren Vereinsgeschichte, nach der Entlassung von Carlo Ancelotti, da kann und will er nicht nein sagen. Er sieht es als einen Freundschaftsdienst, als ein Dankeschön.

Vier Jahre, vier Monate und fünf Tage ist es an diesem Montag her, dass Heynckes als Trainer des FC Bayern verabschiedet wurde, wenige Tage nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte, dem Gewinn des Triples 2013. Zurückgekommen ist er, weil der FC Bayern ihn braucht, nicht aber, weil er den FC Bayern braucht.

Als Heynckes 2013 verabschiedet wurde, erzählte er, dass er sich auf den Ruhestand freue. Am Montag berichtet er nun, dass er in den ersten zwei Jahren Anfragen internationaler Spitzenvereine bekommen habe. Er hat sie alle abgelehnt. "Ich war sehr zufrieden mit meinem Leben." Jeden Morgen ist er eine halbe Stunde geschwommen, er war regelmäßig im Fitnessraum seines Hauses, morgens und abends machte er Spaziergänge mit seinem Schäferhund Cando, inzwischen auch schon zwölf Jahre und vier Monate alt, "er mit ganz langsamen Schritten, ich ein bisschen energischer vorneweg". Er berichtet von Abenden im Theater, im Musical, bei Freunden. Und er berichtet von den gesundheitlichen Problemen seiner Frau, die nächsten Montag eine neue Knieprothese eingesetzt bekommt. Dieses neue Leben aufzugeben, sagt Heynckes, sei ihm "sehr schwergefallen". Seine Frau und seine Tochter hätten ihm jedoch zugeraten, "und Cando hat zweimal gebellt, und dann war das Ding in trockenen Tüchern".

Der große Versöhner ist wieder da

Was er nun vorhat mit der Mannschaft, das verrät Heynckes noch nicht wirklich. Er betont, dass er den internationalen Fußball weiterverfolgt habe, dass dieser "nicht neu erfunden worden" sei. Vor allem aber will er wieder das sein, was er in der Triple-Saison war: der große Versöhner. Darüber spricht er mehrmals. "Für mich ist wichtig, eine ganz klare Hierarchie zu installieren." Außerdem will er allen Spielern wieder "Vertrauen in ihre Fähigkeiten geben". Als Beweis seiner eigenen Versöhnerfähigkeiten zitiert Heynckes - im Deutsch mit lateinamerikanischen Einschlag - aus einer SMS von Claudio Pizarro ("Alles Gute! Viel Glück! Viel Erfolg!"). Von jenem Pizarro, dem er 2013 vor dem Viertelfinal-Spiel in Turin sagen musste, dass er nur auf der Tribüne sitzen werde. "Das finde ich großartig", sagt Heynckes, und es ist nicht ganz klar, ob er Pizarros SMS oder doch auch seine eigene Mannschaftsführung meint.

An diesem Gespür für Stimmungen ist Ancelotti unter anderem gescheitert, und deswegen haben sich Hoeneß und Rummenigge wieder für Heynckes entschieden. "Den Jupp, den kennen wir, den mögen wir, da wissen wir alle, wie er tickt", sagt Hoeneß, der Heynckes "meinen ziemlich besten Freund" nennt.

"Das Alter ist nur eine Zahl"

Und dann ist da noch das mit dem Alter.

Jupp Heynckes Returns To Bayern Muenchen As Head Coach

Am Vormittag präsentieren Karl-Heinz Rummenigge, Hasan Salihamidzic und Uli Hoeneß (von links) den neuen Trainer.

(Foto: Jan Hetfleisch/Getty)

Zum Thema macht es Heynckes immer wieder selbst, natürlich jedes Mal, um zu zeigen, dass es kein Thema sein muss. Er sagt: "Das Alter ist nur eine Zahl." Und er erzählt, dass am Freitag ein befreundeter Internist bei ihm auf dem Bauernhof in Schwalmtal vorbeigeschaut habe, wegen seiner Frau. Dieser habe dann auch Heynckes' Blutdruck gemessen, die Zahlen weiß er auswendig: 120-70. Dazu der Ruhepuls: 60. Bei diesen Werten, verkündet Heynckes nicht ohne Stolz, "da muss man schon gut drauf sein". Auch der Geist "macht mit", sagt er. Als er dann geht, hat Heynckes 52 Minuten lang nachgewiesen, dass ihm das Kunststück gelungen ist, in seinen nicht ganz viereinhalb Jahren im Ruhestand nicht weiter gealtert zu sein.

Dann verlässt Heynckes lockeren Schrittes die Bühne, als der 68-jährigste 72-Jährige der Republik.

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