Julian Pollersbeck beim Hamburger SV:Abgewatscht vom Tarzan

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Bei der U21-Europameisterschaft in Polen war Julian Pollersbeck der große Rückhalt des deutschen Teams. (Foto: Getty Images)
  • Im Sommer kam Julian Pollersbeck für 3,5 Millionen Euro als frisch gekürter U21-Europameister zum Hamburger SV.
  • Seitdem läuft es weniger gut: Der talentierte Torwart hat noch kein Bundesligaspiel absolviert, sein früherer Förderer Gerry Ehrmann kritisiert ihn harsch.

Von Carsten Scheele

Schon bei der U21-Nationalmannschaft war Julian Pollersbeck, 23, der Vorsänger in der Kabine, deshalb hat ihn das Ritual nicht sonderlich hart getroffen. Beim Teamabend des Hamburger SV in einem italienischen Restaurant mussten die Jungspunde ein Liedchen trällern. Sowas kann peinlich werden, nicht aber für Pollersbeck. Genau wie Jann-Fiete Arp, 17, und Tatsuya Ito, 20, stand der Torwart vor der Mannschaft und sang. Die Stimmung soll gut gewesen sein.

Sportlich läuft es für eines der größten deutschen Torwarttalente weniger gut beim HSV, schon gar nicht auf dem Platz. Den sieht Pollersbeck nur im Training oder bei der Regionalligareserve, erst recht, seit ihn Trainer Markus Gisdol für die Partie gegen Schalke (0:2) zum dritten Torwart degradiert hat. Arp und Ito werden gerade als Zukunft des Vereins gefeiert, aber Pollersbeck? Ist weit weg von einem Bundesliga-Einsatz.

Harte Kritik von Ex-Förderer Gerry Ehrmann

Als frisch gekürter U21-Europameister war Pollersbeck im Sommer für stattliche 3,5 Millionen Euro vom Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern gekommen, und wer als Torwart eine solche Summe kostet, kann eigentlich davon ausgehen, dass er auch gebraucht wird. Nicht so beim HSV. Dort verfügt Christian Mathenia trotz manchem Wackler über einen Stammplatz, dahinter hat sich Tom Mickel mit "herausragenden" Trainingsleistungen (Gisdol) vorerst auf die zweite Torhüterposition geschoben. Pollersbecks Ruf ist deutlich schlechter. Er soll lange nicht so energisch trainieren wie Mickel, abends gerne mal ausgehen. Auch athletische Defizite waren ein Thema. Pollersbeck hat einen Extra-Trainingsplan erhalten, wiederholt wurde er von Gisdol zum Gespräch gebeten. Gisdol sagte nun, er sei dafür da, Trainingsleistungen zu belohnen.

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Ein klarer Hinweis an Pollersbeck, und es kam in dieser Woche sogar noch schlimmer: Aus bislang unbekannten Grund fühlte sich sein früherer Förderer aus Kaiserslautern, Gerald Ehrmann, bemüßigt, seinen ehemaligen Schützling harsch zu kritisieren. Pollersbeck sei "zu bequem", habe "zu wenig Eigenantrieb", waren noch die netteren Dinge, die Ehrmann bei Sport1 losließ. Blöd für Pollersbeck: In Torhüterfragen genießt Ehrmann, genannt "Tarzan" oder "Gerry", landesweit ein gehobenes Ansehen. Er hat Topkräfte wie Kevin Trapp, Tim Wiese oder Roman Weidenfeller geformt; ohne Ehrmanns Arbeit würde der FCK wahrscheinlich längst in der dritten Liga oder noch tiefer spielen.

Auch Pollersbeck sollte in diese Riege der A-Nationaltorhüter aufsteigen, doch dessen Entwicklung beim HSV sagt Ehrmann keineswegs zu. Ihn überrasche das alles nicht, erklärte der 58-Jährige: Würde Pollersbeck hart trainieren, habe er keinerlei Probleme, so Ehrmann: "Aber man muss ihm zweimal die Woche den Arsch aufreißen, weil er von sich aus nichts macht." Diese Worte veranlassten HSV-Sportchef Jens Todt dazu, doch ein vorsichtiges Lob für Pollersbeck zu formulieren. Der junge Torwart sei "auf einem guten Weg", so Todt im Hamburger Abendblatt: "Von uns gibt es keinen Tadel." Irgendwann werde sich Pollersbeck schon durchsetzen.

Trotzdem macht sich das Pollersbeck-Lager seine Gedanken. Gisdols Haltung gegenüber Pollersbeck wirkt besonders hart, als wolle der Trainer an ihm ein Exempel statuieren. Die Degradierung vor dem Schalke-Spiel komme einer "Bestrafung" gleich, bekräftigte Pollersbecks Berater Roman Rummenigge am Dienstag. Dabei habe der Torwart intensiver trainiert und in Sachen Fitness Fortschritte erzielt. Man werde sich genau anschauen, wie es in den kommenden Wochen beim HSV weitergeht. Das bedeutet wohl: Trennung nicht ausgeschlossen.

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