Julian Baumgartlinger:"Klar dominiert Bayern - aber gegen uns haben sie verloren"

Werder Bremen v 1. FSV Mainz 05 - Bundesliga

"Wer fitter ist als andere, hat auf dem Platz einen Vorteil": Julian Baumgartlinger.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Er weiß, wie man den Meister besiegt: Der Mainzer Kapitän Julian Baumgartlinger spricht über seine überragenden Zweikampfwerte - und starke Österreicher in der Liga.

Interview von Jonas Beckenkamp

Mit dem FSV Mainz 05 wirbelt der gebürtige Salzburger Julian Baumgartlinger, 28, seit einigen Monaten die Bundesliga durcheinander. Dass die Mainzer sogar in die Nähe der Champions-League-Plätze vorgerückt sind, liegt auch an ihrem Kapitän: Baumgartlinger verleiht dem Mittelfeld Stabilität, seine natürliche Autorität schätzen sie alle in Rheinhessen. Und plötzlich schießt der frühere 1860-Profi auch noch Tore!

SZ: Frage an den Österreicher Julian Baumgartlinger - wo gibt es in Mainz das beste Schnitzel?

Julian Baumgartlinger: Puh, gute Frage. Ich habe hier tatsächlich noch gar kein echtes Wiener Schnitzel gegessen. Mein Problem ist, dass ich kein klassischer Schnitzelesser bin. Aber jetzt, wo ich's höre: Ich sollte es dringend mal rausfinden.

Mainz und Ihre Heimat - wie groß sind da Unterschiede?

Da bestehen durchaus Gemeinsamkeiten. In beiden Städten gibt es zum Beispiel einen schönen Dom. Die Leute sind an beiden Orten offen, herzlich und gastfreundlich. Ich erkenne hier sehr viel von daheim wieder. In Salzburg fehlt uns vielleicht ein wenig der Weinanbau - der macht Mainz sehr besonders. Dafür haben wir die Berge und die Skigebiete.

Zwischen Salzburg und Mainz lagen bei Ihnen viele Jahre in München beim TSV 1860. Ganz passend eigentlich für den Übergang aus den Alpen an den Rhein ...

Ja, total. Ich hatte es sehr einfach in München. Von der Distanz und der Lebensart her war es damals kein großes Problem. München ist nach wie vor ein Stück Heimat für mich, denn meine Frau kommt von dort. Wir verbringen sehr viel Zeit in der Stadt.

Beim FSV Mainz gibt es eine gewisse Tradition mit Österreichern. Ivanschitz, Fuchs, Sie und jetzt der junge Onisiwo - warum finden Österreicher es dort so leiwand?

Das geht sogar noch weiter zurück. Dietmar Constantini, mein späterer ÖFB-Teamchef, hat hier als Trainer gearbeitet, Stefan Ilsankers (früher bei Salzburg, jetzt Spieler bei RB Leipzig; Anm. d. Red.) Vater war hier einst Torwart. Vielleicht hat es tatsächlich mit den regionalen Gemeinsamkeiten zu tun. Und der Verein hat sicherlich gemerkt, dass man mit uns ganz gut arbeiten kann, dass wir sehr professionell sind und dass Österreich mittlerweile ein interessantes Ausbildungsland geworden ist.

Sie kamen 2011 und brauchten sagenhafte 112 Bundesligaspiele für ihr erstes Tor in diesem Winter. Dann schoben Sie gleich die Vorlage zum 2:1 in München nach und einen weiteren Treffer gegen Bremen. Werden Sie jetzt noch Torschützenkönig?

(lacht) Da ist mir schon ein Stein vom Herzen gefallen. Ich war sehr froh, dass es endlich geklappt hat. Unabhängig davon, dass ich ja selten in Tornähe kam, hat es mich schon beschäftigt, dass ich über 100 Spiele lang nie traf. Die aktuellen Erfolgserlebnisse waren mir wichtig und sie sind eine Befreiung für mich, das gebe ich offen zu.

Besser als das Toreschießen beherrschen Sie kämpferische Aspekte des Spiels. Oft nennt man Sie "Staubsauger" oder "Abräumer" ...

Treffende Beschreibungen, finde ich. Meine Stärken liegen nun mal im defensiven Bereich. Speziell im Spiel ohne Ball kann ich gut Einfluss nehmen. Mit meiner Fitness bereichere ich unser Team auch dann, wenn ich die Kugel nicht habe. Laufleistung, Bälle erobern, Zweikämpfe gewinnen - da kann ich jederzeit aktiv eingreifen, egal was sonst passiert. Ich mag es, mich so ins Spiel zu kämpfen.

Laut Statistik hat nur der Gladbacher Granit Xhaka mehr Zweikämpfe gewonnen als der kernige Baumgartlinger!

Deswegen sind Bezeichnungen wie "Mittelfeldarbeiter" in meinem Fall auch richtig. In Mainz haben wir eine taktische Ausrichtung, die eine solche Spielweise auch erfordert. Am besten ist doch immer, wenn jeder sein Können gewinnbringend im Team einbringt. Umso schöner, wenn die Zahlen das bestätigen.

"Die Bundesliga ist die beste Liga"

Sie sind zudem der fleißigste Umschaltspieler der Liga mit 155 sogenannten "Ballsicherungen". Wie geht das mit dem Bälle gewinnen?

Das hängt von vielen Faktoren ab. Zweikampfführung, Erfahrung, Spielintelligenz. Es hilft, Fußball vorausschauend zu denken. Und ich muss vorbereitet sein: Ich fühle mich durch unser Trainerteam meist sehr gut informiert über die Gegner, da weiß ich, was auf mich zukommt. Aber ich schaue mir auch selbst vor Spielen genau an, was mein unmittelbarer Gegenspieler gerne macht. Es passieren immer weniger Fehler im modernen Fußball, da sollte man jede Kleinigkeit ausnutzen. Ich mag diese kleinen Szenen, die nicht unbedingt in den Highlights vorkommen.

Ihr Trainer Martin Schmidt würde Sie gerne torgefährlicher sehen. Wie schwer fällt Ihnen dieser Spagat?

Gar nicht schwer. Mir macht es Spaß, dass mich der Trainer in dieser Hinsicht ermutigt. Früher war ich oft der defensivere Part in der Doppelsechs, das ändert sich jetzt. Jetzt spiele ich variabler und kann auch mit nach vorne, manchmal sogar bis in den gegnerischen Strafraum - wie bei meinen ersten Bundesligatoren. Solche Wege wäre ich vor zwei Jahren noch nicht gegangen.

Ihre Athletik fällt einem sofort auf. Veranlagung oder hartes Training?

Dahinter steckt viel Arbeit, ganz klar. Darauf achte ich nicht erst seit ich Profi bin, vieles habe ich mir schon als junger Bursche antrainiert. Das geht auf meine Kindheit zurück, denn ich habe schon immer viel Sport getrieben. Mit fünf, sechs Jahren war ich in der Leichtathletik, parallel begann ich mit dem Fußball. Da haben sich Grundlagen gebildet. Später habe ich gemerkt: Wer fitter ist als andere, hat auf dem Platz einen Vorteil.

Ihre Mainzer Zeit ist aber auch geprägt von zwei schweren Knieverletzungen. Wie erging es Ihnen damit?

Das war in meinem Sportlerleben echt eine Zäsur. Bis zu meiner Meniskusverletzung im Jahr 2013 musste ich höchstens mal wegen einer Grippe ein paar Tage pausieren. Und dann war ich plötzlich damit konfrontiert, fünf, sechs Monate auszusetzen. Ich war gezwungen, auf Krücken herumzuhumpeln und musste notgedrungen damit anfangen, über das Profileben zu reflektieren. Ich habe versucht, diese Zeit zu nutzen, habe mir unsere Spiele angeschaut und mir Gedanken über unser Fußballspiel gemacht. Die Zeit als Zuschauer war insofern sehr lehrreich - aber auch irrsinnig hart für jemand mit meinem Bewegungsdrang.

Das Mainzer Modell ist ja, Spieler günstig zu holen, sie zu formen und dann gewinnbringend abzugeben. Sie sind dagegen die große Konstante. Was hält Sie beim FSV?

Der Verein ist jetzt das achte Jahr am Stück in der Bundesliga. Diese Konstanz finde ich spannend. Ich habe miterlebt, wie sich der Klub weiterentwickelt und etabliert hat. Ich habe gesehen, welche Spieler anfangs zu uns kamen und was für Leute heute kommen. Dieser Weg hat mir sehr gefallen. Ich habe gemerkt: Da geht immer was vorwärts und da kann auch ich noch reifen. Deswegen hatte ich nie die Priorität, unbedingt den Verein wechseln zu wollen. Das Umfeld, die Stadt - das alles hat einen sehr hohen Wohlfühlfaktor.

Die ehemaligen Mainzer Okazaki und Fuchs mischen gerade mit Leicester die Premier League auf - neidisch?

Vielleicht wäre ich es früher gewesen. Da dachte ich: Wow, England, dort möchte ich auch mal spielen. Aber mittlerweile sage ich: Die Bundesliga ist für mich die beste Liga in Europa, weil sie die ausgeglichenste ist. Klar dominiert Bayern alles, aber gegen uns haben sie zum Beispiel verloren. Ich mag den Wettbewerb in Deutschland. Hinter Platz eins kann im Grunde jeder jeden schlagen. Auch infrastrukturell und wirtschaftlich passt es, weshalb ich mir gut vorstellen kann, mein ganzes fußballerisches Leben hier zu verbringen.

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