Joshua Kimmich:Große Ungerechtigkeit

Der junge FC-Bayern-Profi ist an beiden Gegentoren beteiligt - das überlagert seinen insgesamt starken Auftritt. Die Mitspieler nehmen den 20-Jährigen in Schutz, Trainer Guardiola lobt ihn sogar als "perfekt".

Von Benedikt Warmbrunn, Turin

Wäre die Welt des Fußballs nicht eine, in der schon kleine Dinge zu großen Ungerechtigkeiten führen, die Szene, die von dieser Partie am Dienstagabend in Turin geblieben wäre, wäre vielleicht diese eine kurz vor der Halbzeit gewesen: Juventus, der Gastgeber, angestachelt durch den Rückstand kurz vorher, spielt den Ball mit einer Flanke in den Strafraum des FC Bayern, weil ja alle zuvor behauptet hatten, dass der FC Bayern gegen Juventus bei hohen Bällen verwundbar sei. Also flankte Juan Cuadrado von der rechten Seite vor das Tor, hoch sprang Mario Mandzukic, der Stürmer, den sie in seinen Zeiten beim VfL Wolfsburg und beim FC Bayern als einen der besten Kopfballspieler der Bundesliga bezeichnet hatten. Sehr hoch sprang Mandzukic, er stand kurz in der Luft, dann landete er wieder auf dem Boden. Berührt hatte er den Ball nicht.

Er hatte das Kopfballduell verloren mit Joshua Kimmich, 176 Zentimeter groß. Und damit elf kleiner als Mandzukic.

Weil aber in der Welt des Fußballs an manchen Abenden dann doch kleine Dinge zu großen Ungerechtigkeiten führen, war dieses Kopfballduell nicht das Bild, das von Kimmichs Auftritt bleiben wird. Vom Auftritt eines 20-Jährigen, der all diesen abgebrühten Spielern von Juventus einfach noch abgebrühter begegnete, der Kopfballduelle mit Mandzukic gewann oder der Paul Pogba pomadig aussehen ließ, indem er den Ball über ihn hinweg lupfte. Bleiben wird vielmehr vor allem dieses eine Bild: Kimmich, auf dem Boden liegend, Füße und Arme von sich gestreckt, und ein paar Zentimeter vor ihm lag der Ball, im Tor des FC Bayern.

Es war ein ausgesprochen ungerechtes Detail, dass am Ende einer Aneinanderreihung von Unachtsamkeiten Kimmich in dieses Laufduell mit Stefano Sturaro gehen musste. Kapitän Philipp Lahm war zu weit weg von seinem Gegenspieler, der kurz zuvor eingewechselte Medhi Benatia irrte noch im Strafraum herum, aber am Ende war es eben Kimmich, dem gegen Sturaro ein paar Zentimeter fehlten. Und er somit auch am zweiten Gegentor beteiligt war. Vor dem ersten kam ein scharfer Pass des Gegners auf ihn zu, wieder einmal hatte Kimmich das Gespür für den Raum an die richtige Stelle geführt, aber dann wollte er den Ball annehmen, wollte sofort weiterspielen, wollte einen Gegenangriff einleiten. Doch der Ball versprang ihm, das erste Gegentor war eingeleitet.

"Er hat ein super Spiel gemacht", lobte Torwart Manuel Neuer später dennoch, er warb bei den Journalisten darum, "ein bisschen zurückhaltend" zu bleiben. "Er hat wieder sehr, sehr gut gespielt", lobte auch Lahm, "einzelne Situationen passieren einfach. Es gibt genug Situationen, in denen einer von uns einen Fehlpass spielt."

Guardiola lobt den Musterknaben tatsächlich als "perfekt"

Bisher war Kimmich ja der Musterknabe im System von Trainer Pep Guardiola. Egal, wohin dieser ihn stellte, der gelernte zentrale Mittelfeldspieler wirkte so, als ob er eigentlich diese neue Position ohnehin viel lieber spiele. Ob das als Rechtsaußen war. Ob das als Linksverteidiger war. Oder eben als Innenverteidiger, was er seit den Verletzungen von Jérôme Boateng und Javier Martínez spielt. Auch mit dieser neuen Rolle fremdelte er nicht, gegen Juventus zum Beispiel war er auffälliger als sein Nebenmann David Alaba, er trieb mit seinen Zuspielen die Juve-Defensive vor sich her. Und wenn der Ball mal auf den eigenen Strafraum zukam, dann sprang er selbst über seinen Gegenspieler hinweg oder überlupfte ihn, und schon war die Situation geklärt.

Guardiola dachte daher wohl allein an diese Szenen, als er Kimmichs Leistung ganz und gar nicht zurückhaltend kommentierte. Er sagte: "Perfekt." Tatsächlich? Tatsächlich, Guardiola sagte: "Perfekt, perfekt, perfekt."

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