José Mourinho:Unter Haien

Es besteht die Gefahr, dass der Trainer des FC Chelsea zwischen Genie und Wahn verbrennt, ähnlich wie es mit Christoph Daum geschah.

Von Klaus Hoeltzenbein

Am Wochenende hatten sie es satt, es kam zum Aufstand der Senioren. Arsène Wenger, der langjährige Trainer des FC Arsenal, stellte fest, dass dem FC Chelsea "eine Stimme der Moral" fehle. Nun gut, dieser Wenger ist sauer und befangen, könnte man meinen, er ist in der Champions League raus und trottet in der Premier League dem Londoner Rivalen aussichtslos hinterher.

Hilfestellung bekam Wenger dann von einem aus der alten Garde, Ottmar Hitzfeld verteilte eine verbale Watsche, wie er es öffentlich nie tat, in all den Jahren, in denen er mit Dortmund und dem FC Bayern die Champions League gewann: José Mourinho sei "ein arroganter Trainer. Er ist ziemlich cool. Obwohl, cool klingt zu positiv. Er ist sehr kalt und nur von sich überzeugt. Er ist kein Sportsmann".

Sind diese beiden, Wenger und Hitzfeld, von gestern? Oder sind sie Teil jener "Unterwelt", die Mourinho jüngst in einer Art Parabel für die portugiesische Zeitung Dez Record entwarf? Jenes Schattenreichs, aus dem "ein Junge, der es wagt, große Gedanken zu haben" (Mourinho über Mourinho) weggebissen werden soll, aber: "Der Junge gewöhnt sich an die Bisse und den Schmerz." Er fürchte sich nicht davor, "mit den Haien" zu schwimmen.

Foulspiel-Training

Bevor die Welt nun den Mut dieses Schwimmers beklatscht, muss eine Frage gestellt werden: Bissen Wenger oder Hitzfeld in ihrer langen Jagd nach Erfolg ebenso fest zu?

Hat je einer einen Schiedsrichter "einen entlaufenen Sträfling" genannt (Mourinho über Markus Merk), oder einen Unparteiischen gemobbt (Mourinhos Provokation führten zum Rücktritt des Schweden Anders Frisk)?

Hat einer Gegners Spieler am Einwurf gehindert (Mourinho 2003 gegen Lazio Rom, erste Uefa-Sperre) oder nach einem berechtigten Platzverweis ein Riesen-Theater (Mourinho jüngst in Barcelona, zweite Uefa-Sperre) inszeniert? Das ist nur ein Teil der Liste der Affären und Verfahren, in die der Süchtige aus Setubal ("Ich will Titel!") verwickelt ist.

Es besteht die Gefahr, dass Mourinho, 42, zwischen Genie und Wahn verbrennt, ähnlich wie es mit Christoph Daum geschah. Der war nicht ganz so grandios wie der Portugiese, der 2004 mit Champions-League-Sieger FC Porto bewies, dass der Trainer der wertvollste Mann im Verein sein sollte.

Auch für sein neues Werk, den FC Chelsea, ließe sich schwärmen - bis zu Momenten wie jenen, in denen Mourinho im Stadion zynisch den Finger auf den Mund legt. Nach dieser Geste führte ihn die Polizei auf die Tribüne. Wenige Wochen ist das erst her, als Mourinho in Richtung der Liverpooler Fans signalisierte, sie mögen schweigen. Nicht Chelsea, Liverpool hatte da gerade ein Tor geschossen - ein Eigentor.

Chelsea - Klub der Benachteiligten? Mourinho - der neue Robin Hood? Für alle, die es schon vergessen haben: Chelsea kam gegen den FC Barcelona durch ein irreguläres Tor weiter. Ein Spieler hatte den Torwart auf der Linie gefoult. Englische Zeitungen berichteten, diese Art des Foulspiels werde bei Chelsea trainiert. Das tun andere Haie auch. Nur heulen die später nicht im Becken.

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