Joachim Löws Nationalelf:Bayern-BVB plus Mesut Özil

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Bewusste Blockbildung in der Nationalelf? Das war einmal. Bundestrainer Joachim Löw glaubt nicht an Mythen. Den Kader, mit dem er bei der Euro 2012 Geschichte schreiben will, wird er nicht nach Wunderkriterien konzipieren. Er wird eine nüchterne Spiegelung der Liga-Realität sein.

Christof Kneer

Es ist nicht mehr herauszufinden, welche Version stimmt. Manche Quellen behaupten, dass es Julius Ludorf war, der Bundestrainer Sepp Herberger absagte. Er könne der Einladung zum Lehrgang leider nicht folgen, soll er geschrieben haben, "weil am 25. mein Schwager Kalli Hochzeit feiert. Aber ein andermal komme ich gerne". Andere Quellen behaupten das Gegenteil: dass Herberger Ludorf absagte. Zwar soll Herberger Ludorf versichert haben, dass er besser als Ottmar Walter sei - anders als Walter spiele er aber nicht für Kaiserslautern, sondern leider nur für die SpVgg Erkenschwick.

Erfolgsduo: Bundestrainer Löw und Mittelfeldspieler Özil, hier bei der WM 2010. (Foto: dpa)

Wie nicht anders zu erwarten war, ist natürlich auch die Blockbildung 1954 erfunden worden, wie der deutsche Fußball und dessen Unterart, der 1. FC Kaiserslautern. Fünf Pfälzer standen in der Startelf, die das Wunder von Bern organisierte, und im Schlepptau des Wunders wurde die Blockbildung gleich mit mystifiziert.

Sechs Münchner und drei Gladbacher verantworteten später den EM-Titel 1972, und im 74er-Kader bildeten sieben Münchner, sechs Gladbacher und drei Kölner einen autoritären Block, an dem die feinfüßigen Holländer zerschellten. Seitdem ist die These nicht totzukriegen, dass der deutsche Fußball immer dann am stärksten war, wenn die besten Spieler eine Fahrgemeinschaft zur Nationalelf bilden konnten.

Joachim Löw glaubt nicht an Mythen. Den Kader, mit dem er bei der Euro 2012 Geschichte schreiben will, wird er nicht nach Wunderkriterien konzipieren, seine Blockbildung folgt keiner tieferen Lehre. Der Kader wird eine nüchterne Spiegelung der Liga-Realität sein. Acht Münchner, eine Handvoll Dortmunder, die Auslandsprofis und vielleicht zwei, drei Leverkusener, ansonsten: Ein Schalker (Höwedes). Ein Kölner (Podolski). Ein Gladbacher (Reus). Ein Wolfsburger (Träsch). Ein Stuttgarter (Cacau). Ein Bremer (Wiese). Ein Hamburger (Aogo). Ein Hannoveraner (Zieler). Kein Hoffenheimer.

Außer Bayern und Dortmund sehe er "keinen, der mit Nachdruck um den Titel spielt", so lautete am Wochenende Löws Kommentar zur Lage der Liga, das ist mit Nachdruck diplomatisch formuliert. Die Wahrheit ist, dass er im Moment nur diesen beiden Standorten (und mit Abstrichen Leverkusen) vertraut - eine Ansicht, die sich in der Branche zu vervielfältigen scheint.

Leo Bittencourt, 17, eine der prächtigsten DFB-Begabungen, wird bald seinen Wechsel von Cottbus zum BVB verkünden, wo schon die Begabungen Gündogan und Leitner gelandet sind. Auch Nürnbergs Philipp Wollscheid steht latent im Dortmund-München-oder-Leverkusen-Verdacht. Den Talenten fällt zurzeit einfach kein Grund ein, warum sie nach Bremen, Hoffenheim, Stuttgart, Kaiserslautern oder Erkenschwick wechseln sollten.

Ob diese Blockbildung der Liga auf Dauer gut tut, ist sehr die Frage, dem Bundestrainer aber verschafft sie endlich einen gefühlten Vorteil gegenüber dem Dauerrivalen Spanien. Spanien ist ja eine Art FC Barcelona - minus Messi. Löws Deutschland ist eine Art Bayern-BVB - plus Özil.

© SZ vom 08.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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