Jan Ullrich:"Das ist ja mal ne gute Frage"

Auf einer Radmesse wirbt Jan Ullrich gut gelaunt mit dem Slogan "Mehr Leistung ohne Doping" für Funktionsunterwäsche. Kritische Fragen sind nicht erlaubt.

Thomas Becker, Friedrichshafen

Lustig sind sie ja schon, die Unterwäschefabrikanten aus Wollerau in der Schweiz. Spannen sich nicht nur Deutschlands streitbarsten Radfahrer vor ihre Werbekampagne, sondern gehen die Sache auch noch erfrischend offensiv an.

Jan Ullrich: Jan Ullrich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit langem.

Jan Ullrich bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit langem.

(Foto: Foto: dpa)

So lautet der Claim für die neuen Radlerhosen und -hemden: "Mehr Leistung ohne Doping". Die Pressemappe kommt als schnöder, schmuckloser Pappkarton daher, auf dem rechts oben in alarmgelb die Aufschrift prangt "Beweismaterial". So kann man's natürlich auch machen: mit Galgenhumor.

"Fragen zur sportlichen Vergangenheit sind nicht Gegenstand der Pressekonferenz"

Pressekonferenz mit Jan Ullrich: Das gab's schon länger nicht mehr. Vor ein paar Monaten in Hamburg war das. Seitdem ist viel passiert im Radsport. Im Leben von Jan Ullrich auch: Vor drei Wochen ist er nochmal Papa geworden. Max heißt der Junior. Und sonst? Verweigerte der einstige Toursieger bislang konsequent die Aussage zu den brennenden Themen seines Sports.

Auch die Einladung zur Pressekonferenz auf der Eurobike, der Fahrradmesse in Friedrichshafen, ließ im Wortsinne keine Fragen offen. "Wichtiger Hinweis" heißt es da: "Thema der Pressekonferenz ist ausschließlich die Vorstellung des revolutionären Bikewear-Konzepts von X-Technology und die Mitwirkung von Jan Ullrich bei der Entwicklung. Fragen zur sportlichen Vergangenheit oder den künftigen Plänen von Jan Ullrich sind nicht Gegenstand der Pressekonferenz und ebenso wie Fragen zum Thema Doping nicht zugelassen. Wir bitten um Ihr Verständnis." Ein Maulkorb-Erlass.

Dennoch will man ihm natürlich ins Gesicht sehen, und so hat sich doch etwa ein halbes Hundert Journalisten im Saal Schweiz bei Toblerone, Rivella und Schweizer Käse eingefunden. Sehr mikrofonsicher schlendert der Chef-Entwickler Professor Bodo Lambertz durch den Saal und seinen Vortrag.

Witzchen für die Fotografen

Es geht um Air Conditioning Channels, Evaporation Surface Expander, Insulation Pads, das 3D-Bionic-Sphere-System und Ähnliches. Ullrich steht ein paar Meter neben dem Professor: Jeans, weiße Adidas-Treter, schwarzes Hemd vom Hersteller. Gut sieht er aus, keine Problemzonen, schaut zuweilen allerdings recht streng in die Reporterschar.

Als Lambertz seinen Vortrag beendet hat und Ullrich das Mikro ergreift, kommt die erste Reporter-Frage prompt aus dem inkriminierten Bereich - was Ullrich offensichtlich wenig überrascht. "Was wir hier zu erzählen haben, ist sowieso schon sehr viel", sagt er, "und zu den Fragen, also ich sage zu den anderen Themen, wenn ich was sagen möchte. Ihr könnt gerne fragen, aber ich werde nicht antworten zu den anderen Dingen."

Der Moderator springt ihm bei: Bernd-Uwe Gutknecht vom Bayerischen Rundfunk. Er hätte als Sportjournalist zwar auch ein paar Fragen an Jan Ullrich, habe aber gemerkt, mit welcher Intensität dieser sein neues Leben lebe. Tja dann.

Und so ist die erste ordnungsgemäße Frage schließlich eine zum Schweiß. "Das ist ja mal ne gute Frage", sagt Ullrich, "eine, die ich auch gut beantworten kann." Als er dann über das Schwitzen, das Auskühlen und über trockene Haut redet, scheint das in der Tat befreiend auf ihn zu wirken. Zwar bleiben danach weitere "Fachfragen" aus, doch für "individuelle Gespräche" steht er nach der offiziellen Pressekonferenz noch gerne zur Verfügung.

Da stellt er sich zwischen zwei in Radlerkluft steckende Schaufensterpuppen und hält ihnen für die Fotografen Hasenohren an den Hinterkopf. Spricht gerne, lange und laut mit jedem, der etwas über die Hosen und Hemden wissen will, eine Flasche Rivella locker in der Hand. "Im ersten Jahr wollte ich eigentlich komplett Familie und so machen, hab' dann aber doch ziemlich viel Zeit in die Sache hier investiert", erzählt er.

Eine Einladung zu einer Kinder-Benefiz-Veranstaltung schlägt er nicht direkt aus: "Wann ist das? Ah ja, da hab ich im Moment noch Zeit, und wenn nicht so was wie Weltuntergang oder so dazwischen kommt, bin ich dabei. Für Kinder bin ich immer zu haben." Wer weiß denn schon, was in Jan Ullrichs Leben alles noch so dazwischen kommt.

"Probiert es einfach noch mal aus! Probiert es!"

Einmal an diesem merkwürdigen Mittag klingt es tatsächlich so, als wolle er doch noch etwas sagen. Moderator Gutknecht hat schon die Abschiedsworte gesprochen, als Ullrich nochmal zum Mikro greift: "An alle Unglaubwürdigen nochmal, also an alle, die jetzt noch ungläubig sind", holpert der gefallene Star und fährt fort: "Probiert es einfach noch mal aus! Probiert es!" Und meint die Hemden. Gegen den Schweiß und das Auskühlen. Für mehr Leistung. Ohne Doping. Wir probieren das, versprochen!

P.S. Autogrammstunde am Sonntag um 11 und 15 Uhr, Halle A4, Stand 110.

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