Jan Ullrich:Ausgebrannt und unterlegen

Beunruhigende Nachrichten um den ehemaligen Radprofi: Er muss wegen eines Burn-out-Syndroms behandelt werden und verliert ein Verfahren gegen den Dopingexperten Franke.

Thomas Hummel

Es steht eine beunruhigende Nachricht auf der Internetseite von Jan Ullrich. Eine Nachricht ausdrücklich an seine Fans gerichtet: "Vor einigen Tagen wurde bei mir ein Burn-out-Syndrom diagnostiziert, das eine wohl längere Behandlung erfordert." Um eine baldige Genesung zu ermöglichen, werde er sich deswegen in den nächsten Monaten vollständig aus der Öffentlichkeit zurückziehen.

'Spiegel': Weitere Ermittlungen gegen Jan Ullrich wegen Falschaussage

Die Vergangenheit lässt ihn nicht los: Jan Ullrich.

(Foto: ddp)

Jan Ullrich ist jetzt 36 Jahre alt und seit einiger Zeit ohnehin schon aus der Öffentlichkeit verschwunden. Er wohnt mit seiner Familie in der Nähe von Scherzingen in der Schweiz. Die Bild-Zeitung berichtet, dass er zuletzt in immer kürzeren Abständen krank geworden sei, über Müdigkeit und Antriebslosigkeit klagte. Verwunderlich wäre das alles kaum, denn Jan Ullrich wird die Dämonen der Vergangenheit einfach nicht los.

Das Landgericht Hamburg fällte nur einen Tag nach Ullrichs Mitteilung, am Freitagvormittag, das Urteil im lange währenden Konflikt zwischen dem Tour-de-France-Sieger 1997 und Olympiasieger 2000 und dem Heidelberger Dopingexperten Werner Franke. Franke hatte behauptet, Ullrich habe 35.000 Euro an den spanischen Dopingarzt Eufemiano Fuentes für Dopingmittel überwiesen. Ullrich hat diese Zahlung eidesstattlich abgestritten und Franke auf Unterlassung verklagt. Doch wie erwartet, erlitt der unglückliche Radprofi die nächste Niederlage.

Der Vorsitzende Richter Buske sah es als erwiesen an, dass es 2006 diese Zahlung gegeben hat. "Das Gericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die beanstandete Äußerung hinsichtlich ihres tatsächlichen Gehalts als wahr anzusehen sei und den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletze" heißt es in der Urteilsbegründung. Auch konnte der Richter nicht der Argumentation der Ullrich-Seite folgen, wonach "von Dopingmitteln nur bei der Verwendung unerlaubter Substanzen gesprochen werden könne, während Eigenblutdoping keine Verwendung von Dopingmitteln, sondern allenfalls die Anwendung einer unerlaubten Methode darstelle."

In der ersten Instanz hatte Ullrich noch recht bekommen, dagegen hatte wiederum Franke Rechtsmittel eingelegt. Durch den Hamburger Richterspruch ist nun indirekt bewiesen, dass Ullrich entgegen seiner bisherigen Aussagen Kontakt zu Fuentes hatte. Wobei dies ohnehin schon mehrfach belegt worden war.

Da ist zum einem die Aussage von Ullrichs Betreuer Rudy Pevenage, dem scheinbar auch eine gewisse Müdigkeit rund um das Thema Doping ergriffen hat. Auch er hatte ja zunächst abgestritten, dass Ullrich Kontakt zum Dopingarzt Fuentes gehabt hatte. Zuletzt sagte er in der französischen Zeitung L'Équipe, dem Hausblatt der Tour de France: "Wozu soll es gut sein, weiter zu lügen? Ich habe die Reisen von Jan nach Madrid zu Fuentes organisiert."

Ermittlungen des Bundeskriminalamtes und Abhörprotokolle hatten Ullrichs Kundschaft bei Fuentes ebenfalls längst nachgewiesen. Das BKA hatte zwei Dutzend Flüge Ullrichs nach Madrid zwischen 2003 und 2006 nachgewiesen, ihm konnte außerdem bei Fuentes gelagertes Blut zugeordnet werden. Der Spiegel zitierte aus dem BKA-Bericht: "Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Beschuldigte Ullrich das Dopingsystem des spanischen Arztes Dr. Fuentes nutzte, um sich vertragswidrig mit leistungssteigernden Mitteln und Methoden auf seine Wettkämpfe vorzubereiten." Und auch die Bonner Staatsanwaltschaft hatte über einen DNS-Abgleich ein bei Fuentes gelagertes Blut dem deutschen Radsportler zuordnen können. Ein Betrugsverfahren gegen Ullrich wurde im März 2008 gegen 250.000 Euro eingestellt.

Das Urteil in Hamburg bringt den Tour-de-France-Sieger weiter in Bedrängnis. Sein Kontrahent Franke sagtedem SID: "Wenn Ullrich ein Fünkchen Anstand hätte, würde ich spätestens jetzt mal eine Entschuldigung von ihm erwarten." Weil dieser an Eides statt versicherte, nie gedopt zu haben, könnte neuer Ärger mit der Justiz folgen. Wobei Franke an weiteren Folgen für Ullrich zweifelt: "Ich habe in all den Jahren den Glauben an die deutsche Justiz verloren. Es ist schon abenteuerlich, dass Ullrich bis heute nicht dafür belangt wurde." Der 70-Jährige vermutet, dass "in Deutschland eben ein besonderer Schutz für Promis" gelte.

Zum naheliegenden Verdacht, Ullrichs Burn-out-Syndrom habe mit den aktuellen Entwicklungen zu tun, möchte sich der frühere Radprofi auf seiner Internetseite "aus verständlichen Gründen" nicht äußern.

Er appelliert nur "an alle Medien, unsere Privatsphäre zu respektieren und zu wahren". Seine Familie und er gingen davon aus, "dass Nachfragen bei Freunden, Verwandten und in unserem sonstigen Umfeld unterbleiben". Jan Ullrich würde die Dämonen der Vergangenheit gerne loswerden.

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