Jan-Lennard Struff:Knuffig und gefährlich

BMW Open by FWU 2018 - Day 4

1,96 Meter groß und dennoch oft übersehen: Jan-Lennard Struff ist mittlerweile laut eigener Einschätzung "gefährlich für jeden Gegner".

(Foto: Alexander Hassenstein/Getty)
  • Tennisprofi Jan-Lennard Struff ist ein Spieler, der manchmal übersehen wird - aber in seinem Sport ist er längst ein respektierter Spieler.
  • Auf seinen harten Aufschlag und seine platzierten Volleys kann er sich verlassen, am Freitag spielt er bei den BWM Open in München das Viertelfinale gegen Alexander Zverev.
  • Dass er oft Doppel spielt, kommt ihm auch im Einzel zugute.

Von Gerald Kleffmann

Kurz entfuhr Yannick Maden ein nicht ganz anständiges Wort, es war nur geflüstert, der 28 Jahre alte Stuttgarter ist ja ansonsten ein höflicher Mensch. Aber er ahnte in diesem Moment, als sein Kontrahent mit einem geblockten Rückhandreturn sein Aufschlagspiel zum 5:3 im dritten Satz abgenommen hatte: Die Trümpfe lagen bei Jan-Lennard Struff. Struff ist die Nummer 62 der Welt, vor allem ist er jemand, der ein Niveau erreicht hat, das ihn "gefährlich für jeden Gegner" macht, wie er selbst zuvor gesagt hatte.

Das sollte nicht anmaßend klingen, transportierte aber den Wandel, den er als Profi auf der Tennistour genommen hat. Maden, auch eine bemerkenswerte Geschichte, ein früherer US-Collegespieler, der plötzlich in einem Alter Anschluss an die Top 100 findet, in einer Phase, in der bahnbrechende Entwicklungsschübe selten sind, hatte zwar noch Chancen aufs Re-Break. Doch Struff setzte sich durch, auf seinen harten Aufschlag, seine platzierten Volleys kann er sich verlassen, auch wenn er leicht erkältet ist wie dieser Tage. 6:3, 3:6, 6:3. Wieder steht er in einem Viertelfinale. Nun bei den BMW Open in München, wo er 2014 schon Halbfinalist war.

Struff ist ein Spieler, der manchmal übersehen wird, was erstaunlich ist, weil er bereits körperlich mit 1,96 Metern eine Erscheinung darstellt. Aber in der öffentlichen Wahrnehmung sind es die als Turniersieger bereits etablierten Größen wie Alexander Zverev oder Philipp Kohlschreiber, die mehr im Fokus stehen. Das könnte sich ändern. Er spürt auch, dass er die Fähigkeiten besitzt, um zeitnah vielleicht einen Titel zu erlangen. Gegen Topleute hält er nicht nur mit. Letztes Jahr besiegte er den Bulgaren Grigor Dimitrov, der später Champion bei den ATP Finals wurde.

"Er wird nicht nur menschlich geschätzt, er ist ein richtig guter Spieler"

Ein Typ war Struff schon immer, beliebt bei den Kollegen, vom Gemüt her ist er tatsächlich so knuffig, wie sein Nachname klingt. Am Dienstag sah man ihn, wie er auf einem quietschenden Mietfahrrad durch den Englischen Garten strampelte, zufrieden grüßte er und übermittelte die Anmutung, ein friedliebender Student zu sein, jedenfalls keiner, in dem brachiale Energien schlummern und die auf den Plätzen zur Entfaltung kommen.

Mit 220 km/h nach drei, vier Stunden aufzuschlagen, ist bei ihm nicht das Problem, seine extreme Topspin-Vorhand, die er aus dem Handgelenk katapultartig beschleunigt, ist das, was im Tennis eine Waffe genannt wird. Wenn Profis andere Profis loben, sagen sie meist, der oder der ist nicht nur ein guter Spieler, sondern auch ein guter Mensch. Bei Struff fällt dieses Lob andersrum aus. "Er wird nicht nur menschlich geschätzt, er ist ein richtig guter Spieler", sagt Michael Kohlmann. Als B-Kadertrainer im Deutschen Tennis-Bund ist er als Coach des Nürnbergers Maximilian Marterer im Einsatz. Aber in seiner anderen Funktion, als Davis-Cup-Teamchef, hat er die Qualitäten Struffs zuletzt wieder in Valencia begutachten können. In einem mitreißenden Fünfsatzmatch hatte Struff mit Tim Pütz, die zweite Hälfte von Tim und Struffi, wie die beiden spaßeshalber genannt werden, das spanische Spitzenduo Marc Lopez/Feliciano Lopez besiegt.

Seit November 2016 hält sich Struff in den Top 70

Am Ende verlor Deutschland, aber Struff hatte seine Verlässlichkeit bewiesen. Im Grunde gibt es keinen Profi, der für das DTB-Team in den letzten zwei Jahren mehr geleistet hat. 2016 gewann er die entscheidende fünfte Partie gegen Polen, im Einzel, die Mannschaft blieb in der Weltgruppe. Ein Jahr später war er wieder der Retter, in Portugal. Während Zverev und Kohlschreiber mal fehlten, steht er immer bereit. "Er ist loyal, die Frage ist nicht, ob er spielt, sondern nur, wann wir uns treffen und welche Schläger er mitnimmt", sagt Kohlmann. "Westfale eben", ergänzt er und lächelt. Er selbst kommt aus Hagen, Struff aus Warstein.

Seit November 2016 hält sich Struff in den Top 70, seine Konsolidierung hat viel mit Carsten Arriens zu tun, mit dem früheren Davis-Cup-Teamchef arbeitet er seit 2015 zusammen. "Er hat ihm Struktur ins Spiel und Training gebracht", sagt Kohlmann anerkennend. "Er bringt mich Schritt für Schritt nach vorne", sagt Struff und nennt ein Beispiel seiner gewonnenen Stabilität: "Solche Matches wie heute hätte ich früher mal verloren." Gerade in der Endphase der Partie gegen Maden kamen ihm Elemente zugute, die er vor allem im Doppel regelmäßig übt, das Aufrücken, das Vollieren, Druck machen. "Doppel tut ihm gut", sagt Patrik Kühnen, der frühere Profi und nun Turnierdirektor in München weiß um die Synergieeffekte der Disziplinen. "Lustig" findet Struff mittlerweile, dass er im Doppel als 42. in der Weltrangliste gar besser dasteht als im Einzel. Anfangs überwog das Bewusstsein, sich übers Doppel fürs Einzel zu schulen. Nun ist er, so klang Struff früher nicht immer, richtig ehrgeizig geworden. Mit Ben McLachlan, der für Japan startet, erreichte er in Melbourne bei den Australian Open das Halbfinale.

Im deutschen Team sei er ein "Wortführer", berichtet Kohlmann. "Ich habe Träume und will Turniere gewinnen", sagt Struff. Mit noch mehr Konstanz auf hohem Niveau könne er das schaffen. Dass sich keiner über so einen Satz wundert, spricht für den Respekt, den er sich erspielt hat.

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