Amateurfußball:Ein Flitzer in der sechsten Liga

FC Bad Kötzting

Beim Landesliga-Partie Bad Kötzting gegen Osterhofen rannte ein Flitzer über den Platz.

(Foto: imago)

In Bad Kötzting entdeckt ein Nackter eine Marktlücke, in Deisenhofen nimmt ein Hund Einfluss aufs Spiel: kuriose Geschichten aus dem Amateurfußball 2016.

Von Christoph Leischwitz

Nicht nur im Profisport hat das Jahr 2016 kuriose Geschichten geschrieben - auch die Amateur-Fußballer waren mal wieder für die eine oder andere bemerkenswerte Episode gut: eine Auswahl der Ereignisse von Oberbayern bis Unterfranken.

Wackers Suche nach dem Tor

Der Vorteil der Wacker-Arena in Burghausen gegenüber dem Estadio Bernabeu ist natürlich die räumliche Nähe zu Fußball-Ersatzteilen. Beim Regionalligisten muss man zum Beispiel nur kurz rüberlaufen zum Trainingsplatz. Ein paar Gemütlichkeit ausstrahlende Ordner mit gelben Westen genügten, um rechtzeitig ein neues Tor zu besorgen. Ausgerechnet vor dem mit Spannung erwarteten Spitzenspiel im März gegen den FC Bayern II war nämlich das Tor vor der Gästetribüne angesägt worden. Die Witze auf der Tribüne waren programmiert.

"Ein Tor würde dem Spiel guttun", sagte der eine oder andere, in Anlehnung an die legendäre Moderation von Günther Jauch und Marcel Reif aus Madrid im Jahr 1998, in einem Liveticker war die - ausnahmsweise mal berechtigte - Schlagzeile "breaking news" zu lesen. Damals, bei Real Madrid gegen Borussia Dortmund, verzögerte sich der Anpfiff um 76 Minuten. In Burghausen wurde das Spiel pünktlich angepfiffen, obwohl man den bösen Streich erst kurz zuvor entdeckt hatte. Streng genommen hätte man das kaputte Tor vor mit seinen etwa verbliebenen 1,20 Metern Höhe auch stehen lassen können: Burghausen gewann 1:0, und zwar durch einen flach verwandelten Foulelfmeter von Christoph Burkhard.

Rosenheims Anruf bei der Bahn

Verspätungen bei der Bahn können ein großes Ärgernis sein. Aber wenn man die Bahn dazu bekommt, die Verspätungskette weiterzuführen, dann ist es gar nicht mehr so schlimm. Hansjörg Kroneck, Manager beim TSV 1860 Rosenheim, hat das geschafft, obendrein an einem besonders wichtigen Tag. Die Sechziger befanden sich Anfang Juni in der zweiten Runde der Aufstiegs-Relegation zur Regionalliga, das Hinspiel gegen Viktoria Aschaffenburg im eigenen Stadion war 0:0 ausgegangen. Acht Rosenheimer Spieler wollten oder konnten (Abiturprüfungen) erst am Spieltag nach Unterfranken reisen. Doch der Eurocity von Rosenheim nach München kam nicht. Kroneck rief sofort ein Großraumtaxi. Dieses raste über die A8 zum Münchner Hauptbahnhof. In der Zwischenzeit rief er bei der Bahn an und bat eindringlich darum, der Zug dort möge bitte warten. Er tat es, und alle kamen rechtzeitig in Aschaffenburg an. Rosenheim gewann 1:0 und stieg auf.

Kitzingens intelligente Krähen

Eigentlich hat der Bezirksligist SSV Kitzingen schon genug mit menschlichen Gegnern zu tun, die Mannschaft spielt gegen den Abstieg. Doch dann musste der Verein auch noch eine klare Niederlage gegen die Krähen einstecken, die sich den Kitzinger Fußballplatz als Brotzeitbrettl ausgeschaut hatten - ausgerechnet wenige Wochen, nachdem der Rasen neu verlegt worden war. Das frische, sattgrüne Geläuf hatte zahlreiche Engerlinge zu bieten, es folgte ein riesiges Gehacke, der Rasen glich schnell einem Acker.

Jegliche Abschreckungsmanöver wurden von den intelligenten Vögeln durchschaut und ignoriert. Zunächst versuchten die Verantwortlichen, mit Rasen-Transplantationen vom Nebenplatz das Schlimmste zu verhindern, doch schon bald musste der Platz gesperrt werden. Weil gegen die Larven kein umweltschonendes Spray hilft, konnte man nur noch hoffen, dass die Krähen möglichst bald von selbst abziehen würden. Immerhin: Von der Sozialstiftung des Bayerischen Fußball-Verbandes gab es 2000 Euro Unterstützung, damit wurden die gröbsten Beschädigungen beseitigt.

Deisenhofens planloser Hund

Naja, sagt Franz Perneker, man könne eigentlich nicht davon reden, dass der Hund jetzt eine Torchance für den Gegner verhindert hätte. Der Technische Leiter des Landesligisten FC Deisenhofen bestätigt zwar, dass in jener von der Lokalpresse aufgegriffenen Szene der Gegner TSV Kastl gerade am Ball gewesen sei. "Es hätte vielleicht, eventuell zu einer Torchance kommen können", so Perneker. Jedenfalls stürmte in diesem Moment ein Hund aufs Feld, das Spiel musste kurz unterbrochen werden, nach dem Schiedsrichterball musste Kastl in der eigenen Hälfte mit dem Spielaufbau beginnen. Der Hund gehört der Wirtin, die freilich während dieses Spitzenspiels beschäftigt war. Dass dieser womöglich gar absichtlich von der Leine gelassen worden sei, als ein Gegner gerade mit dem Ball in den Deisenhofener Strafraum laufen wollte, kann Perneker guten Gewissens widerlegen: "Der Hund hat von Fußball keine Ahnung."

Josef Eibls runder Geburtstag

Viele Menschen halten es für Unsinn, wenn behauptet wird, mit einem runden Geburtstag ändere sich alles - sind doch nur Zahlen, man ist nur so alt, wie man sich fühlt und so weiter. Josef Eibl vom SV Schalding-Heining dürfte allerdings einen Tag nach seinem 30. Geburtstag schon ins Grübeln gekommen sein, ob er jetzt zum alten Eisen gehört. Eigentlich wollte er beim Spiel gegen den VfR Garching nur Verantwortung übernehmen, so wie immer, der Kapitän spielt seit neun Jahren für die Passauer. In der zweiten Spielminute stieg er bei einer Ecke für den Gegner hoch - und drückte den Ball ins eigene Tor. In der 86. Minute verschoss er dann noch einen Handelfmeter. Das Seelen-Trostpflaster: In der 61. Minute hatte Eibl auch noch ein reguläres Tor erzielt. Schalding verlor trotzdem 1:3.

Ismanings frustrierende Fahrt

Zu den größten Ärgernissen im Amateurfußball gehört fraglos die Anreise zu einem Auswärtsspiel, das dann nicht angepfiffen wird. Stellvertretend für alle Vielfahrer des vergangenen Jahres ein Beispiel, in welches Fahrwasser solch eine Absage führen kann: Am 17. September reiste der FC Ismaning für ein Bayernligaspiel 182 Kilometer zur DJK Vilzing, nur um dort, bereits umgezogen, zu erfahren, dass sogar der Kunstrasenplatz wegen Regenpfützen gesperrt worden sei. In der leicht unterkühlten Kommunikation konnte man sich auf keinen Ausweichtermin einigen, der Verband setzte ihn auf den 4. Oktober an.

Beim FC fühlte man sich jetzt noch mehr verschaukelt: Am Tag nach einem Feiertag fehlten dem Team berufsbedingt ein halbes Dutzend Stammspieler. Immer noch empört kaperten sie den Liveticker der BFV-Homepage und schrieben dort: "Nach den skandalösen Umständen der Spielabsage vom 17. September (...) tritt der FCI heute mit dem letzten Aufgebot unter Protest bei der DJK Vilzing an." Der Eintrag wurde gelöscht, später war dort zu lesen: "Kunstrasenplatz ist spielbereit." Na endlich. Die insgesamt 728 zurückgelegten Kilometer sollten sich für Ismaning aber doch noch lohnen: Das ersatzgeschwächte Team gewann dank eines Vilzinger Eigentores 1:0.

Kötztings erfreulicher Flitzer

Wohl nur gute Bekannte dürften wissen, um wen es sich da gehandelt hat. Denn der Mann, der kurz vor Schluss der Landesliga-Partie Bad Kötzting gegen Osterhofen aufs Spielfeld rannte, trug ein schwarzes T-Shirt über dem Kopf. Ansonsten allerdings gar nichts. Mit erhobenen Armen und erstaunlich ortskundig rannte er von der Haupttribüne kommend auf einige Spieler zu, machte dann einen Haken, lief an der Eckfahne vorbei und verschwand nach gut 20 Sekunden im Wald neben dem Stadion am Roten Steg - ein Flitzer in der sechsten Spielklasse. "Sonst sieht man so etwas ja nur im Fernsehen", erklärte der erfreute Kötztinger Spielertrainer Andreas Kölbl in der Lokalpresse. Der Flitzer kehrte nicht zurück.

Später wurde kolportiert, er sei nun um 600 Euro reicher, es soll sich um eine Wette gehandelt haben. Eigentlich eine Marktlücke: Die Chancen, in den unteren Spielklassen von einem Ordner erwischt und belangt zu werden, dürften deutlich geringer sein als etwa in der Fußball-Bundesliga, wo solche Vorfälle umgekehrt eher teuer werden können.

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