Jahreshauptversammlung des FC Bayern:Standing Ovations für den Abwesenden

FC Bayern Muenchen Annual General Meeting

Applaus für Hoeneß: Jan-Christian Dreesen, Karl-Heinz Rummenigge, Rudolf Schels und Dieter Mayer (von links nach rechts)

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Die meisten Mitglieder, ein neuer Rekordumsatz: Bei der Jahreshauptversammlung des FC Bayern gibt es trotz beeindruckender Zahlen nur müden Applaus. Doch dann fällt der Name Uli Hoeneß.

Aus der Halle von Benedikt Warmbrunn

Karl Hopfner schaut auf seine Papiere, er stapelt sie noch einmal sorgfältig übereinander, Kante auf Kante, aber der Blick auf die Papiere hilft Hopfner jetzt nicht. Also schaut Hopfner nach vorne. Auf die Augen, die ihn anblicken. Auf die Hände, die ineinander klatschen. Hopfner schaut auf all die Menschen, die sich erheben. Emotionen in der Halle, und er, Hopfner, hat sie hervorgerufen. Verlegen schaut er wieder auf seine Papiere.

Andere zu begeistern, das ist nicht die große Stärke von Karl Hopfner, auch nicht als Präsident des FC Bayern. Er hat weiter das sachliche, seriöse Auftreten des Finanzvorstandes, der er viele Jahre lang war. In nüchternem Tonfall liest er von seinen Papieren ab. Auch die Personalie, für die er nun Applaus erntet, 57 Minuten lang läuft da die Jahreshauptversammlung des Klubs. Es ging um Zahlen, um Fakten, es gab allenfalls müden Applaus. Aber nun geht es um Uli Hoeneß.

Die Mitgliederversammlungen des FC Bayern, das war im vergangenen Jahr immer auch: großes Theater. Was allein an Uli Hoeneß lag. Im vergangenen Herbst hatte der damalige Präsident trotz des gegen ihn laufenden Verfahrens wegen Steuerhinterziehung eine lange, emotionale Rede gehalten. Die Mitglieder applaudierten. Hoeneß weinte.

Wenig Humor, wenig Gefühle

Im Frühjahr dann, auf einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung, marschierte wieder Hoeneß zum Rednerpult, obwohl er ja bereits zu einer Haftstrafe verurteilt worden war. Diesmal weinte Hoeneß nicht. Er schimpfte, er schrie, es war eine Abrechnung, eine große Abschiedsrede. Zumindest vorübergehend. Er sagte: "Das war's noch nicht."

Wie das mit Hoeneß und dem FC Bayern weitergehen wird, das ist seit dem Frühjahr ein wichtiges Thema im Verein, schon früh war klar, dass der FC Bayern einen Platz finden will für den Mann, der so viele Jahre lang das Gesicht des Vereins war, der Mann für die Emotionen. Seit einigen Wochen steht fest, welche Rolle Hoeneß einnehmen wird, zumindest erst einmal. Als Hopfner diese verkündet, ist das dennoch der Höhepunkt des Abends. Es ist der einzige Moment, in dem der FC Bayern mehr ist als ein Wirtschaftsunternehmen, das Zahlen präsentiert.

Der Charakter dieses Abends, er zeigt sich schon beim Einmarsch von Präsidium und Vorstand. Männer in Anzügen in dezenten Farben, nur Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge hat einen kräftigen Blauton gewählt. Hopfner hat in der Hand eine schwarze Aktentasche.

Hopfners Aktentasche, das ist das Zeichen für: Zahlen, Fakten, Bilanzen. Für wenig Humor, allenfalls für komplizierte Witze. Und für wenig Gefühle.

"Eine Spielweise, die à la bonne heure ist"

So kurz wie möglich also: eine Auswahl der wichtigsten Zahlen. Der e.V. erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Überschuss in Höhe von 10,418 Millionen Euro. Der Verein hat inzwischen 251 315 Mitglieder, mehr als jeder andere Sportverein der Welt (Hopfner, überraschend locker: "Wir werden auch keine Begrenzung machen." Vereinzelte Lacher). Acht Titel in zwei Jahren (und, lobte Rummenigge: "eine Spielweise, die à la bonne heure ist").

Die wichtigsten Zahlen präsentierte jedoch Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen: mehr als 528,7 Millionen Euro Umsatz der FC Bayern München AG, ein neuer Rekord für den Klub, zum dritten Mal in Serie; ein Gewinn von 16,5 Millionen Euro nach Steuern. Dazu 405 Millionen Euro an Eigenkapital. Es ist eine Marke, die wohl weiter wachsen wird - die Arena in Fröttmaning ist abbezahlt. Es sind beeindruckende Zahlen. Zahlen, die Rummenigge zu einem kleinen, wohltuenden Ausflug in die Literatur inspirieren. "Um Wilhelm Busch zu zitieren", sagt er: "Neid ist die aufrichtigste Form der Anerkennung."

"Weiter der heimliche Held des Abends"

Und mitten in diesem Zahlenstrom also: ein paar emotionale Minuten. Gerade erst hat Karl Hopfner die neue Mitgliederzahl von seinem Papier abgelesen, da erzählt er, dass er gemeinsam mit Dreesen und dem Vorstandsvorsitzenden Rummenigge zu Besuch bei Hoeneß war, als dieser Freigang hatte. 13 Minuten lang steht Hopfner da bereits am Rednerpult, und erstmals applaudieren die Mitglieder euphorisch. Eine Minute lang, sie klatschen, einige stehen, und ein paar rufen "Uli", sie ziehen den Vornamen in die Länge. Hoeneß ist, auch als ein zu einer Haftstrafe Verurteilter, weiter der heimliche Held des Abends.

Hopfner kündigt nun an, was schon länger bekannt ist: dass Hoeneß als Freigänger in der Jugendabteilung des FC Bayern arbeiten wird; womöglich schon im Januar. "Dies ist die Aufgabe, die sich Uli Hoeneß selbst gewünscht hat", sagt Hopfner. Dann liest er weiter vor: "Wir alle hoffen, dass dies mit dem teilweisen Ende einer für uns alle nur schwer vorstellbaren Zeit für ihn einher geht." Schließlich, und jetzt liest Hopfner nicht mehr vor: "Schick' mer ihm mal von hier aus einen Applaus." Also klatschen die Mitglieder. Einer schwenkt einen Uli-Hoeneß-Schal. Erste stehen auf, weitere folgen, am Ende stehen alle 2421 anwesenden Mitglieder. Und der Vorstand. Und das Präsidium. Alle klatschen. Zwei Minuten lang. Nur der Präsident blickt auf seine Papiere.

Kurz darauf ist Hopfner mit seiner Rede fertig, er verspricht sich kurz, als er sich bedankt. Ruckartig dreht er sich zur Seite, ordnet seine Papiere, die Krawatte flattert. Schon sitzt Hopfner wieder. Er wirkt erleichtert.

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