Jahn Regensburgs Boss Franz Gerber:Entdecker in klammen Gefilden

Celle, Hannover, Madagaskar und jetzt Jahn Regensburg: Fußball-Manager Franz Gerber ist es gewohnt, bei finanzschwachen Arbeitgebern zu improvisieren. In seiner Karriere gelang es ihm immer wieder, mit wenig Geld sportlichen Erfolg herzustellen - mit dem DFB-Pokal-Spiel gegen den FC Bayern geht für ihn und seinen Verein ein Traum in Erfüllung.

Markus Schäflein

Alle hatten ihn gewarnt, aber es ist eine Charaktereigenschaft von Franz Gerber, dass er auf Warnungen nicht viel gibt. Also wurde er vor drei Jahren eben doch Manager des damaligen Drittligisten SSV Jahn Regensburg. "Normalerweise möchte man da gar nicht mehr daran denken, das war eigentlich ein Wahnsinn", sagt er.

Corrochano neuer Trainer bei Jahn Regensburg

Erfolgreiche Macher in Regensburg: Der neue Cheftrainer Oscar Corrochano neben Jahn-Manager Franz Gerber (li.) und Ulrich Weber.

(Foto: dpa)

Als er sein Amt antrat, fand er einen überteuerten und überalterten Kader vor, horrend dotierte bestehende Verträge, ausstehende Zahlungen an Finanzamt und Sozialversicherung, fünf Millionen Euro Schulden: "Da war alles kaputt", sagt Gerber, "der Verein war faktisch tot." Bei seinem Antrittsbesuch in Frankfurt drohte der Deutsche Fußball-Bund mit der Versetzung in die sechste Liga.

Viel Stolz schwingt mit, wenn Gerber, 58, über den Ist-Zustand sagt: "Wir sind ein schuldenfreier Zweitligist und haben in drei Jahren eine völlig neue Mannschaft gebaut." Natürlich haben die Leute nach dem überraschenden Aufstieg Gerber wieder gewarnt. Mit 3,5 Millionen Euro für die erste Mannschaft verfügt er über den geringsten Etat der Liga. "Damit ist man eigentlich gar nicht wettbewerbsfähig", sagt er.

Das erste Heimspiel gegen Duisburg hat die Mannschaft schon einmal gewonnen, bei 1860 München war sie ganz nah dran an einem Unentschieden. Und an diesem Montagabend kommt der FC Bayern München zum DFB-Pokalspiel (20.30 Uhr, live in der ARD). Es ist immer etwas Besonderes, wenn der FC Bayern kommt, aber für Franz Gerber, geboren und aufgewachsen in München, als Fußballer ausgebildet an der Säbener Straße, ist es etwas sehr Besonderes. "Das ist wie Heimkommen", sagt Gerber.

"Man hat ja auch schon ein gewisses Alter, leider, und dieses Spiel führt mich zurück zu den Wurzeln, wo man herkommt." Gerber bekam 1971, nach sieben Jahren in der Bayern-Jugend, als 18-Jähriger einen Profivertrag, er gehörte dem Meisterkader der Saison 1971/72 an, mit Breitner, Müller und Hoeneß. "Da ging ein Traum für mich in Erfüllung." Um sich beim FCB durchzusetzen, reichte es nicht, aber Gerber schaffte eine Karriere anderswo. Als er 1978 von St. Pauli zu 1860 wechselte, war er mit 800 000 Mark Ablöse der teuerste Transfer der Zweitligageschichte.

Als Manager begann Gerber schon mit 35 Jahren beim TuS Celle, den er von der sechsten in die dritte Spielklasse führte, "mit ganz wenig Geld". Er habe dort nur "probieren wollen, ob meine Ideen funktionierten". Sie funktionierten gut genug, dass der damals in die Regionalliga abgestürzte große Nachbar Hannover 96 Gerber 1996 verpflichtete.

Er holte in dieser Zeit Otto Addo und Bastian Reinhardt vom VfL 93 Hamburg, Fabian Ernst aus der eigenen U19, Altin Lala von Borussia Fulda "und so weiter". Wenn Gerber diese Entdeckungen aufzählt, gerät er in Euphorie, "ein gewisses Glück gehört auch dazu", sagt er. Die Bescheidenheit nimmt man ihm jetzt gerade nicht ab. "Und es ist schön", sagt er, "dass das mit Regensburg jetzt genauso aufgegangen ist."

Zaubern auf Madagaskar

Da ist Motivation plötzlich kein Zauber mehr. Wenn Gerber seinen Regensburgern die alten Geschichten erzählt, springt der Funke über, plötzlich glauben sie, dass Regensburg in Niedersachsen liegt. Obwohl viele von ihnen in einem Alter sind, in dem die Geschichte eines Fußballers meist geschrieben ist.

Weil Gerber auf Warnungen nicht viel gibt, holte er vor zwei Jahren den Innenverteidiger André Laurito, 28, vom Regionalligisten Bamberg. "Alle haben gesagt, den darfst du nicht holen, der schafft die dritte Liga nicht." Über den im Sommer, auch aus der Regionalliga, gekommenen Francky Sembolo, 27, haben die Leute natürlich auch gesagt, der schaffe die zweite Liga nicht. Sembolo hat gegen Duisburg ein Tor vorbereitet und eins erzielt. "Ich lasse mich da nicht beirren, ich schaue selber auf die Spieler", sagt Gerber: "Man muss ein gutes Netzwerk haben, viel unterwegs sein und einen Blick für Dinge haben, die andere Leute nicht in einem Spieler sehen."

Zuletzt lieh er Marco Djuricin, 19, aus, in dem Trainer Jos Luhukay bei Hertha BSC nichts sah; gegen den FC Bayern zählt der Stürmer zum Kader.

"Noch zwei Leute" hätte Gerber gerne, "aber es müssen wirkliche Verstärkungen sein, sonst lassen wir es." Er weiß: "Andere Vereine sind einfach attraktiver als der Jahn." Das stört Gerber nicht, das hat ihn schon vor drei Jahren nicht gestört. Er hat ja auch schon beim BV Cloppenburg, beim VfB Oldenburg und 2007 als Teamchef von Madagaskars Nationalmannschaft gearbeitet.

Man muss dazu sagen, dass Madagaskar das Cloppenburg des afrikanischen Fußballs ist. "Ich bin in dem ganzen Land rumgefahren und habe Spieler gesucht", erzählt er. Die Mannschaft gewann ihre Vorqualifikationsspiele zum Afrika-Cup tatsächlich, eines 6:2, eines 4:1. "Die Leute dachten, da ist Zauber dabei", sagt Gerber.

Spieler zum Entdecken gibt es überall. Franz Gerber tut es einfach. Ob das wieder aufgeht, ist fraglich, die Saison ist lang, der Kader dünn. Aber derzeit ist der Jahn Achter, jetzt kommt Bayern, und Gerber genießt den Moment.

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