Jahn Regensburg:Alles weggeräumt

30 05 2017 Fussball 2 Bundesliga 2016 2017 Relegationsspiel zur 2 Liga Rückspiel TSV 1860 München

„Ich hatte das damals nicht so wahrgenommen, dass das eigentlich gefährlich war. Das war schon grenzwertig.“ – Philipp Pentke erinnert sich noch gut an den 30. Mai, als er während des Relegations-Spiels gegen 1860 München seinen Strafraum vom geworfenen Unrat schlechter Verlierer befreien musste.

(Foto: imago)

Philipp Pentke hat lange Zeit nicht in der ersten Mannschaft gespielt, weder bei 1860, noch in Augsburg oder Cottbus. Dann kämpfte er sich in die zweite Liga.

Von Christoph Leischwitz

Die Sache mit den Gummibärchen, ja, Philipp Pentke erinnert sich. Fast elf Jahre ist das schon her, damals hatte der Torwart des TSV 1860 München II einen völlig unnötigen Elfmeter verschuldet, der zu einer 1:2-Niederlage gegen Karlsruhe führte. Und dann kam Ernst Tanner, damals noch Nachwuchsleiter bei den Löwen, mit diesem Spruch um die Ecke: "Du kannst Pentke sagen: Iss weniger Süßigkeiten. Fünf Minuten später biegt er mit einer Tüte Gummibärchen um die Ecke."

"Ich hatte schöne Hotels, schöne Stadien, aber man spielt halt nicht", sagt Pentke

Ein kleines bisschen hat es auch mit diesen Gummibärchen zu tun, dass Pentke niemals Torwart der ersten Mannschaft wurde. Weder bei 1860, noch beim FC Augsburg, noch bei Energie Cottbus. Und das nicht wegen der möglichen Konsequenzen aufgrund erhöhter Kalorienzufuhr, sondern vielmehr wegen der generellen Prioritätensetzung. "Ich war noch jung und habe mir nicht so viele Gedanken gemacht. Es war nicht abzusehen, dass ich mal jemanden verdrängen würde. Aber ich war ja immer dabei", erzählt Pentke. Im Sinne von: Das reicht doch. "Ich hatte schöne Hotels, schöne Stadien, aber man spielt halt nicht." Vor ein paar Jahren habe es dann "Klick gemacht". Heute ist Pentke Stammtorwart beim Zweitligisten Jahn Regensburg. "Philipp Pentke ist ein Spieler, der sich sehr gut auf die unterschiedlichen Anforderungen dieser Liga fokussieren kann. Er ist als Rückhalt für unsere Mannschaft sehr wichtig." Das sagt sein Trainer Achim Beierlorzer über ihn. Er steht in seiner dritten Saison als Oberpfälzer, von 81 Ligaspielen hat er eines verpasst. Am Samstag (13 Uhr) startet die Mannschaft gegen Arminia Bielefeld in die Rückrunde. Zweite Liga mit 32 Jahren - es war ein fast nicht mehr für möglich gehaltener Karriere-Aufstieg. Und den hat er zu einem Großteil sich selbst und seiner Nervenstärke zu verdanken.

Zumindest war das für ihn an diesem für Fußballbayern so historischen Abend des 30. Mai 2017 nicht gerade ein Zuckerschlecken. Hinter ihm, auf der Nordtribüne der Fröttmaninger Arena, randalierten die Löwen-Fans, darunter wahrscheinlich auch Menschen, die ein Jahrzehnt zuvor auch ihn im Grünwalder Stadion angefeuert hatten, sie warfen Sitzschalen und Stangen aufs Feld. Alles flog Pentke um die Ohren, doch er räumte alles weg, während das Spiel noch lief, und setzte sich beim Schiedsrichter auch dafür ein, dass die Partie zu Ende gespielt wird. "Im Nachhinein betrachtet: Ich hatte das damals nicht so wahrgenommen, dass das eigentlich gefährlich war. Das war schon grenzwertig", sagt er heute. Es war ein Stück weit gedankenlos gewesen, aber anders als zu seiner Jugendzeit. Diesmal hatte er im wahrsten Sinne den Kopf hingehalten. Dann war Jahn Regensburg aufgestiegen. Es wurde ein Wahnsinnsabend, zwar ohne Gummibärchen, aber mit Bier von der Tanke. Zumindest hatte Pentke dieses nach dem Triumph eingefordert, weil in der Kabine nur Alkoholfreies stand. Er war auf und neben dem Platz längst ein Anführer geworden.

Wann war der Zeitpunkt gekommen, erwachsen zu werden? "Wenn die Verantwortung kommt. Wenn du dauerhaft im Tor stehst", sagt er. Wenn er regelmäßig spielen wollte, das wurde ihm klar, musste er einen Schritt zurück machen. Er ging zum Chemnitzer FC in die Regionalliga, 2011 feierte er dort den Aufstieg. 2015 kam dann Jahn Regensburg, die gerade in die vierte Liga abgestiegen waren. "Ambitioniert, bodenständig, glaubwürdig - das hatte mich beeindruckt", sagt Pentke über seinen Entschluss, in die Oberpfalz zu gehen, "und das neue Stadion war ein kleiner Bonus". Bodenständig ist er auch geblieben, er ist den Fans nicht nur dann nah, wenn er auf der Torlinie steht. In Chemnitz stand er mit Megafon auf dem Zaun, als der Außenseiter St. Pauli im Pokal besiegt hatte.

Im vergangenen Sommer dauerte es nicht lange, bis er in der zweiten Liga ankam. Ein paar Minuten aber schon. "Das erste Spiel in Bielefeld - da waren wir noch ein wenig nervös." Gemeinsam mit einem anderen Anführer im Team, Marvin Knoll, hatte er mit einem Abstimmungsfehler für die 1:2-Niederlage gesorgt.

An diesem Samstag beginnt die Rückrunde, Bielefeld ist zu Gast. Man habe mittlerweile bewiesen, dass man sich in dieser Liga nicht verstecken müsse. Im letzten Heimspiel hatte Regensburg knapp mit 0:1 verloren, davor hatte Pentke zweimal zu Null gespielt. Zu-Null-Spiele sind eine Passion, er redet oft davon. Das Bochumer Gegentor ärgerte ihn maßlos, auch, weil er in der Eins-gegen-eins-Situation mit der Fußspitze noch den Ball berührt hatte. Insgesamt aber kommt ihm als mitspielendem Keeper der von Beierlorzer gepflegte Offensivfußball entgegen, auch wenn er riskant ist. Pentke, das ist abzusehen, wird noch oft im Mittelpunkt stehen. Gut, dass er jetzt in der zweiten Liga spielt. Denn: "Das ist schon eine geile Geschichte. Meine Mutter muss jetzt nicht mehr im Internet nach mir suchen, sie sieht mich jetzt im Fernsehen."

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