Jagd auf Ferrari:Konzerne im Kreisverkehr

Die Konkurrenz lässt sich die Jagd auf Schumacher und seinen Rennstall in der Formel 1 eine halbe Milliarde Euro kosten.

Von Elmar Brümmer

Schon zur Begrüßung am Flughafen von Melbourne haben sie wieder Rot gesehen. Das Rot von Ferrari, das Rot von Schumachers Rücklicht. Es leuchtete besonders intensiv auf der Reklametafel eines Sponsors im Ankunftsbereich, versehen mit einem Wortspiel, das die "Formula one" zur "Formula won" macht.

Jagd auf Ferrari: Alle machen Jagd auf ihn: Michael Schumacher.

Alle machen Jagd auf ihn: Michael Schumacher.

(Foto: Foto: dpa)

Für die Scuderia, versteht sich. Und mitten in der Stadt ziert ein überlebensgroßer Schumacher am Drücker (seines Mobiltelefons) eine Häuserfassade. Ob sich die sechs Weltkonzerne, die vom Wochenende an gegen die Abonnements-Weltmeister antreten, manchmal eine Formel 1 ohne die Farbe Rot, ohne Ferrari und ohne Schumi wünschen? Besser nicht.

Aufbruch statt Agonie

Denn womit sonst würden BMW, Mercedes, Renault, Honda, Ford und Toyota ihre Ausgaben legitimieren, die sich auf anderthalb Milliarden Euro addieren? Also: Aufbruch statt Agonie. Wer die Ära der Schumeria Ferrari beendet, dem ist ein unschätzbarer Prestige-Bonus sicher. Im Rennsport sowieso, aber auch auf dem Absatzmarkt.

Auch Pierre Dupasquier, der die wichtigsten Ferrari-Gegner mit Michelin-Reifen ausrüstet, hat kein Interesse daran, Ferrari auf die französischen Wunder-Pneus wechseln zu lassen: "Siege ÜBER Ferrari sind für uns wertvoller als welche MIT Ferrari." Es ist ein tückischer Kreisverkehr, in den sich die rasenden Konzernableger eingereiht haben.

Die, die Druck machen, stehen selber unter einem enormen Zugzwang. Der scheidende Mercedes-Lenker Jürgen Hubbert hat dem Playboy gestanden, dass seine Gattin gehörigen Respekt vor Rennsonntagen habe, denn manchmal brülle er wie ein Stier. Die Grenze zur Reizbarkeit wird in der Saison 2004 noch sinken. Mit der Ein-Motoren-Regel pro Wochenende wird die Aufmerksamkeit erstmals stärker von den Fahrern zu den Marken hinter den Aggregaten gelenkt, was aber nur im Erfolgsfall gewünscht sein kann.

Öffentliche Kontrollen

Im Verdrängungswettbewerb der Automobilhersteller geschieht die Qualitätskontrolle öffentlich. BMW hat seinem Team in einer großen Anzeige je drei Sternchen in den Kategorien Action, Spannung, Erotik und Anspruch verliehen. Nur das Fach Humor blieb sternlos. Diese plakative Bewertung spiegelt die Situation der ganzen Branche. Denn keiner will wirklich hören, dass jemand sein Bestes gibt, ohne gleichzeitig erfolgreich zu sein.

Das ist wohl das Mindeste, wenn man sich im Premium-Segment bewegt. Das Schöne an so einem Saisonstart ist, dass sich die Ergebnisse der Test-Weltmeisterschaft wunderschön zu eigenen Gunsten interpretieren und - besser noch - beeinflussen lassen. Denn in den Psycho-Runden von November bis Februar werden weder die technische Korrektheit noch das Tankvolumen der Rennwagen offiziell gemessen.

Wer Eindruck schinden, Sponsoren gewinnen oder Selbstsicherheit vortäuschen will, fährt daher so genannte "Vorstandszeiten". Das macht auch 2004 eine Einschätzung der wahren Kräfteverhältnisse so enorm schwierig. Grobe Selbsttäuschung bringt am Ende aber nicht viel, denn jeder Grand Prix wird zum Ausscheidungsfahren zwischen Vision und Wirklichkeit.

Ein weiterer Vorteil eines noch wenige Tage jungfräulichen WM-Tableaus sind die Manifeste, die - ebenfalls zur Absicherung gegen das eigene Controlling - an Optimismus nur schwer zu überbieten sind. Wenn alle Prognosen der verbalen Selbstmedikation nur halbwegs eintreffen, müssen die Siegerpodeste zwingend ausgebaut werden.

BMW-Williams und McLaren-Mercedes, die im Vorjahr ganz nah an Ferrari dran waren, brauchen sich ihre Chancen und Pflichten nicht herbeireden. Stellvertretend weiß Williams-Pilot Ralf Schumacher: "Die Zeit der Ausreden ist vorbei. Wir können uns nicht einreden, wir hätte noch Zeit. Was zählt, ist der Titel."

Direkte Konkurrenz

Die direkte Konkurrenz aus Untertürkheim kann die Erwartungen auch nur schwer tiefer legen, nach der im Vorjahr ausgefallenen Fahrzeug-Premiere gibt es die beinahe schon moralisch zu nennende Pflicht, auf Anhieb erfolgreich zu sein. Die Mobilisierung hie sorgt fürs Nacheifern da. Renault-Rennboss Patrick Faure erwartet von seiner Equipe Jaune trotz radikal revidierten Motorenkonzepts den Sprung unter die besten Drei, und mehr noch: "Wir wollen in jedem Rennen auf das Podium."

Das ist ein Wort, in der gesamten Saison 2003 gelang das fünf Mal. BAR-Teamchef Dave Richards fordert eine ähnliche Regelmäßigkeit von seinem Piloten Jenson Button, dem im Vorjahr dieser Aufstieg stets verweigert blieb. Richards kategorisch: "Es ist für uns alle an der Zeit, endlich Resultate abzuliefern." Toyotas neuer Technikchef Mike sieht die in Köln beheimatete Multi-Kulti-Truppe als stark genug an, "beide Autos in die Punkte zu bringen". Und so weiter, und sofort.

In der Formel 1 gibt es kein Limit nach oben, schon gar nicht für die Erwartungen. Ewig im Ungefähren fahren, auf Vergesslichkeit zu hoffen und die neue Chance im nächsten Jahr zu setzen, geht in diesen Zeiten nicht.

Während Toyota in der dritten Saison noch auf den Wert von Zen und Yen setzt, ist Ford-Haustier Jaguar längst an der kurzen Konzernleine, weil den Herren in Detroit das Versprechen der "Respektabilität" allein nicht genügt.

Mut zur Verzweiflung

BAR arbeitet an der Verschuldungsgrenze - noch Fragen, woher der Mut der Verzweiflung stammt? Zuversicht kann aber auch etwas Fatales sein, denn nur einer von sieben Konzernen kann am Ende tatsächlich triumphieren.

Rosige oder rostige Zeiten - die Fixierung auf Ferrari gibt auch eine passive Sicherheit: Gegen die Roten kann schließlich jeder verlieren. Irgendwie doch ganz gut, dass Michael Schumacher noch weiterfährt.

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