Jack Warner:Die wohl dubioseste Gestalt der Fifa

Jack Warner

Es ist kaum möglich, die Skandale zu zählen, in die Jack Warner, genannt "Jack the Ripper", verwickelt war.

(Foto: Gary Rothstein/dpa)
  • Jack Warner aus Trinidad & Tobago ist durch die Fifa zu einem sehr reichen Mann geworden.
  • Die US-Behörden werfen ihm Korruption, Bestechung und organisiertes Verbrechen vor.
  • In Kürze soll er in die USA ausgeliefert werden und könnte auch Erhellendes zur Affäre um die WM 2006 beitragen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Luxuriöse Apartmenthäuser säumen die Avenida Atlantica in Rio de Janeiro, mit riesigen Terrassen hinaus zur Copacabana. Im Sommer 2013 ist in der Stadt gerade das Testturnier zur WM 2014 vorbei, als in einer der Wohnungen ein älterer Herr zum Empfang bittet. Stolz zeigt er in der Küche Fotos, auf dem Brasiliens Fußballheld Pelé in eben jener Küche das Essen für des Hausherrn Familie zubereitet, ausdauernd bringt das Hausmädchen frischen Tee. Und zwischendurch serviert der Gastgeber eine bemerkenswerte These zur Vergabe der WM 2006 an Deutschland.

Das gängige Erklärungsmodell geht so: Deutschland gewann gegen Südafrika 12:11, dank der acht europäischen und vier asiatischen Vertreter aus dem Wahlgremium des Weltverbandes Fifa. Doch der betagte Herr sagt: Einer der Asiaten sei ausgeschert, die zwölfte Stimme für Deutschland kam von: Jack Warner, der wohl dubiosesten Gestalt des an dubiosen Gestalten wahrlich nicht armen Weltverbandes.

Es gibt keinen Beleg, es ist nur eine These, aber eine These von jemandem, der sich in der Welt des Fifa-Schmutzes bestens auskennt. Denn bei dem älteren Herrn in Rio handelt es sich um Elias Zaccour, einen gebürtigen Libanesen, der in der Bewerbungsphase für die WM 2006 auch Geld aus Deutschland kassierte, vom Medienunternehmer Leo Kirch. Die erste Rate floss "auf Bitte von Herrn Radmann", dem damaligen Mitglied des WM-Organisationskomitees. Bis zu seinem Tod im Frühsommer 2014 war Zaccour der engste Freund des langjährigen Fifa-Präsidenten Joao Havelange. Er kennt sie alle, die Fifa-Vertreter und ihre Skandale. Der Brasilianer Ricardo Teixeira oder Mohammed bin Hammam aus Katar zählten zu seinen Vertrauten. Oder eben auch: Jack Warner von der Karibikinsel Trinidad und Tobago, Spitzname: "Jack the Ripper".

Warner und Deutschland, diese Verbindung ist früher schon thematisiert worden. Kurz vor der Vergabe der WM 2006 kam es ja zu merkwürdigen Verträgen: Der FC Bayern und die Nationalelf sollten in vier Ländern von Fifa-Wahlmännern antreten, das Imperium von Kirch schloss parallel marktunübliche TV-Rechte-Deals ab. Zu diesen Ländern zählte auch Trinidad & Tobago, das Spiel des FC Bayern kam aus Termingründen nicht mehr zustande. Im März 2002 bedankte sich Warner bei Kirch für die "nette Spende über 20 000 US-Dollar für das Projekt der Restauration der Orgel in der Hanover Methodist Church".

Als Kind musste er Zuckerrohr schneiden

Und nun gibt es ein Dokument, das zeigt, wie die deutschen Werber Warner kurz vor der Vergabe ködern wollten (siehe "Ein Papier, das alles verändert"). Ein solcher Vorgang würde passen zu Warner, 72, dessen Leben man "schillernd" nennen kann. "Meine Familie war bettelarm", erzählte er einmal, "als Kind musste ich Zuckerrohr schneiden, Schweine hüten und jeden Tag sechs Meilen zur Schule laufen. Das waren harte Zeiten." Später arbeitete er nach eigenem Bekunden als Geschichtslehrer. Heute ist er ein steinreicher Mann - und das vor allem dank seiner Tätigkeit in der Fifa.

1990 übernahm er den Nord- und Mittelamerika-Verband (Concacaf), kurz danach rückte er in den Fifa-Vorstand auf. Eines seiner klassischen Geschäftsmodelle: Er bekam die Übertragungsrechte für die Weltmeisterschaften zu Schleuderpreisen und verkaufte sie mit Millionen-Gewinnen weiter. Bei den Tickets insbesondere der WM 2006 schöpfte er ebefalls ordentlich ab. Auch auf heimischer Bühne kassierte er ab: Als auf Trinidad einmal eine Nachwuchs-WM angepfiffen wurde, bauten einige der Stadien Firmen, an denen Warner beteiligt war, liefen die Buchungen für Offizielle über ein Reisebüro, das Warner gehörte, und kümmerte sich um die Sicherheit eine Firma, der Warners Sohn vorstand. Es ist fast nicht möglich, die Skandale zu zählen, in die er verwickelt war.

Von Blatter oder anderen Fifa-Vertretern hatte Warner lange nichts zu befürchten. Schließlich steuerte er bei den Wahlen stets zuverlässig das mehr als 30 Stimmen starke Paket seines Karibik-Verbandes für den Fifa-Patron bei. Warner saß sogar in der Finanzkommission und war neben dem Argentinier Julio Grondona der einzige, der Blatters Gehalt kannte. Erst 2011 endete Warners schöne Zeit im Weltverband. Da verbündete er sich im Präsidentschafts-Wahlkampf mit Blatters Herausforderer Mohammed bin Hammam. Beide ließen sich bei einer Bestechungsorgie filmen, kurz darauf trat Warner zurück.

Die US-Behörden werfen ihm Korruption und organisiertes Verbrechen vor

Nach seiner Vertreibung aus der Fußballfamilie drohte er einen "Tsunami" an Enthüllungen an und dokumentierte 2012 auf SZ-Anfrage einen fragwürdigen Rechte-Deal mit Blatter. Warner selbst war rasch ein Fall für die amerikanischen Behörden, sie werfen ihm Korruption, Verschwörung und organisiertes Verbrechen vor. Unter anderem soll er für die Vergabe der WM 2010 nach Südafrika zehn Millionen Dollar erhalten haben, die er zwischen sich und anderen Wahlmännern aufgeteilt habe. Anfang Juni wurde er in seinem Heimatland festgenommen, kurz darauf kam er gegen Kaution wieder frei.

Für den 2. Dezember ist Warners Auslieferung in die USA geplant. Danach könnte er Erhellendes zu all diesen Themen beitragen - auch zur Frage, ob sein Intimus Elias Zaccour mit seiner Einschätzung zur Vergabe der WM 2006 richtig lag.

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