Italiens Fußball:Der Skandal nach dem Skandal

Die Zeit der Härte in Italien ist wieder vorbei: Die Strafen im italienischen Manipulationsprozess fallen erheblich milder aus als in der ersten Instanz. Juventus hat jetzt sogar eine reelle Chance, schon bald wieder in die erste Liga aufzusteigen.

Rom (SZ/sid/dpa) - Es ist nicht einmal zwei Wochen her, dass sich die Welt über Italiens Fußball wunderte. Nur fünf Tage nach dem Triumph der Squadra Azzurra bei der Weltmeisterschaft in Deutschland zeigte die Sport-Justiz keine Gnade im Manipulationsskandal, der den Calcio seit Anfang Mai erschüttert hatte: Drakonisch wurden die vier Klubs bestraft, denen Einflussnahme auf Schiedsrichter und Spiele der Serie A mehr oder weniger eindeutig nachgewiesen werden konnte.

Italiens Fußball: Noch einmal davon gekommen: Die Urteile gegen die drei Skandal-Vereine wurden in zweiter Instanz deutlich gemildert.

Noch einmal davon gekommen: Die Urteile gegen die drei Skandal-Vereine wurden in zweiter Instanz deutlich gemildert.

(Foto: Foto: AFP)

Drei renommierte Klubs sollten aus der ersten Liga absteigen, der vierte Verein aus den internationalen Wettbewerben verbannt werden. Das ist erst zwölf Tage her, aber seitdem hat sich die Stimmung gewandelt. Und seit gestern ist klar, dass die Zeit der Härte in Italien wieder vorbei ist. Denn die Richter waren gnädig: Das Berufungsgericht im italienischen Fußball-Skandal hat die Strafen für Juventus Turin und die anderen Klubs teilweise erheblich abgemildert.

Die großen Gewinner des Berufungsverfahrens sind Lazio Rom und der AC Florenz, denn beide Klubs dürfen nun doch weiter in der Serie A spielen. Einziges - verschmerzbares - Handicap: Beide Klubs müssen mit Strafpunkten in die kommende Saison starten, Florenz erhält 19 Minuspunkte, Lazio elf.

Der vorher mit 44 Minuspunkten nachträglich auf Platz acht heruntergestufte Meisterschaftszweite AC Mailand kann nun sogar - als Dritter der "bereinigten Tabelle" der Saison 2005/2006 - an der Qualifikation zur Champions League teilnehmen. Auch ist die Hypothek für die kommende Saison kleiner als gedacht: Statt der avisierten 15 Minuspunkte gibt es nun bloß noch acht.

Nur Juventus muss absteigen

Nur Juventus Turin muss - wie in erster Instanz entschieden - in der nächsten Saison in der zweiten Liga antreten, bekommt aber lediglich 17 statt 30 Minuspunkte, womit der direkte Wiederaufstieg wieder in Reichweite erscheint. Außerdem werden Juve die Meistertitel 2005 und 2006 aberkannt. Dies gab der Vorsitzende Richter Piero Sandulli am Dienstagabend in Rom bekannt.

Unklar ist aber, ob die Prozess-Welle damit endgültig zu Ende ist. Einige Vereine hatten gedroht, vor Zivilgerichte zu ziehen. In Rom heißt es, das zuständige Verwaltungsgericht hält sich vorsorglich im Ferienmonat August Termine frei. Das wird wohl nötig sein, denn die Klubs waren auch mit dem neuen Urteil nicht zufrieden.

Juventus, Florenz und Milan kündigten noch am Abend einen Einspruch gegen das Urteil vor dem regionalen Verwaltungsgericht TAR in Rom an. Damit ist eine Verschiebung des Saisonstarts in der Serie A um mehrere Wochen wahrscheinlich.

"Wir können das Urteil nicht akzeptieren. Juve bezahlt zuviel für alle", sagte Juventus-Präsident Giovanni Cobolli Gigli. "Wir werden alle möglichen Wege bestreiten, um dieses Urteil rückgängig zu machen", ergänzte Juve-Anwalt Cesare Zaccone. Der Präsident des AC Florenz will sich ebenfalls gegen den Schuldspruch wehren.

"Wir werden kämpfen"

"Wir werden kämpfen, bis wir wieder in der Champions League spielen dürfen", sagte Diego Della Valle. Der Klub aus der Toskana wurde neben dem Punktabzug mit drei Spielen Platzsperre und 100 000 Euro Geldstrafe belegt. Natürlich ließ es sich auch Milan-Präsident Silvio Berlusconi nicht nehmen, die Entscheidung zu kritisieren: "Ein ungerechtes Urteil nach einem fragwürdigen Prozess".

Bevor es mit den Anwaltsspielen weitergeht, stellt sich heute eine andere spannende Frage: Welche Klubs wird Italien als Teilnehmer für die europäischen Wettbewerbe benennen? Die Uefa hatte die Meldefrist eigens um einen Tag verlängert, und schon am Freitag werden in Nyon die dritte Qualifikationsrunde in der Champions League und die zweite Qualifikationsrunde im Uefa-Pokal ausgelost.

Bestätigt wurden in Rom die fünfjährigen Betätigungsverbote gegen die ehemaligen Juve-Funktionäre Luciano Moggi (Manager und Drahtzieher der Manipulationen) und Antonio Giraudo (Geschäftsführer). Mit einem milderen Urteil kam der frühere Verbandspräsident Franco Carraro davon, dessen Betätigungsverbot (4,5 Jahre) aufgehoben und in eine Strafe in Höhe von 80 000 Euro umgewandelt wurde.

Chaos nach der Urteilsverkündung

Die Betätigungsverbote für Ex-Ligapräsident Adriano Galliani (neuer Schuldspruch: neun Monate), den Fiorentina-Boss Diego Della Valle (drei Jahre und neun Monate), Lazio-Chef Claudio Lotito (zwei Jahre und sechs Monate) und Referee Massimo De Santis (vier Jahre) wurden leicht reduziert.

Vor dem Nobelhotel Parco dei Principi herrschte bei der Urteilsverkündung durch Sportgerichts-Präsident Piero Sandulli ein heilloses Chaos. Zahllose Medienvertreter drängten sich vor dem Eingang, hunderte Lazio-Fans skandierten Sprechchöre gegen den ehemaligen Klub-Boss Lotito.

Die amerikanische Außenministerin Condoleezza Rice traf kurz vor der Entscheidung am Parco ein und gelangte wegen des Menschenauflaufs nur über einen Seiteneingang zu ihrer Suite. Rice nimmt am Mittwoch an einer Konferenz zur Nahost-Krise teil. Sie wird sich gewundert haben, worüber sich die Italiener derzeit echauffieren.

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