Italien in der Krise:Zweideutige Komplimente

Vor dem wichtigen EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland muss sich Italiens Trainer Roberto Donadoni mit dem Tratsch über seine Ablösung beschäftigen.

Birgit Schönau

Die Weltmeister spielen in Bari gegen Schottland, und es geht gleich ums Ganze: ,,Wenn wir nicht gewinnen, sind wir fast raus aus der EM-Qualifikation'', sagt Mittelfeldspieler Gennaro Gattuso; ,,siegen ist obligatorisch, ein anderes Ergebnis können wir uns nicht erlauben'', findet Torwart Gianluigi Buffon. Sicher, die Tabelle ist trügerisch, denn Frankreich und Schottland haben schon ein Match mehr hinter sich gebracht. Und mit den Franzosen und den Ukrainern haben die Azzurri nach ihrer eigenen Einschätzung natürlich die härteste Quali-Gruppe des Jahrzehnts erwischt. Dennoch: Platz vier in dieser Gruppe B, vor Litauen, Georgien und den Faröern - das gibt schon zu denken.

Roberto Donadoni

Muss sich wehren: Roberto Donadoni.

(Foto: Foto: dpa)

Während Weltmeistertrainer Marcello Lippi in den Cafés seiner Heimatstadt Viareggio Hof hält und darüber sinniert, welcher Traditionsklub für ihn als nächster Arbeitgeber in Frage käme (nicht im Ausland, sagt der Meister, denn Fremdsprachen sind seine Sache nicht), steht Nachfolger Roberto Donadoni mächtig unter Druck. Die Presse spekuliert täglich neu über das naturgemäß dementierte Gerücht, Lippi verhandele mit dem AC Mailand, dessen Trainer Carlo Ancelotti wiederum in den Startlöchern für die Nationalelf stehe. Ausgerechnet Ancelotti, Donadonis alter Kumpel bei Milan! Schmallippig behauptet der Teamchef, der Tratsch interessiere ihn nicht, ,,sondern nur das Ergebnis, das meine Elf bringt''. Was man eben so sagt, wenn man gerade angefangen hat und es gleich schon eine richtig schlechte Presse gibt. ,,Ich bin nicht von gestern, ich weiß schon, warum bestimmte Dinge geschrieben werden. Und es passt mir nicht, dass meine gute Erziehung und meine guten Manieren mit einem schwachen Charakter verwechselt werden.''

Donadoni hat weder Lippis Erfahrung noch dessen Charisma noch dessen Erfolg. Das ahnte man zwar schon vor der Verpflichtung des 42-Jährigen als Commissario Tecnico - aber im Juli war Italien noch derart gespalten zwischen Triumphrausch und Skandalkater, dass die Funktionäre vor allem eines wollten: ein neues, unverbrauchtes Gesicht und eine saubere Weste. Inzwischen fragen sich viele, ob man Lippi nicht doch etwas intensiver hätte beknien sollen - seine enorme psychologische Leistung, aus deprimierten Skandalfußballern innerhalb weniger Wochen ein Siegerteam zu formen, wurde wohl schlicht unterschätzt.

Roberto Donadoni konnte es von Anfang an eigentlich niemandem recht machen. Lippi, das sei der beste Trainer von allen für ihn gewesen, schwärmt vor dem Schottland-Match Torwart Buffon (dessen Einsatz wegen einer Gastritis fraglich ist): ,,Für Lippi haben wir 110 Prozent gegeben. Nach allem, was wir beide zusammen erlebt haben, gibt es natürlich zwischen uns ein ganz besonderes Verhältnis.'' Treuherzig bedachte der beste Torwart der Welt seinen neuen Chef bei der Nationalmannschaft auch mit einem Kompliment: ,,Donadoni ist kein Grünschnabel, er hat in wichtigen Mannschaften gespielt, auch in der Nationalelf.'' Eine gut gemeinte Streicheleinheit, so zweitklassig wie Buffons B-Liga-Mannschaft Juventus Turin.

Donadoni bleibt cool. Er hat sich mit dem widerborstigen Francesco Totti, der seinen Abschied aus der Squadra Azzurra nehmen wollte, ausgesöhnt und wird ihn im September zurückhaben. Er hat Alessandro Del Piero auf die Bank verwiesen und Simone Perrotta als Regisseur installiert. Er wird gegen Schottland Luca Toni als einzige Spitze einsetzen und Alberto Gilardino auf die Tribüne schicken, der vor zwei Sommern für sehr viel Geld von Milan gekauft wurde und den Beweis seines angeblichen Ausnahmetalents bis heute schuldig geblieben ist. Das sind alles Entscheidungen, die Stärke beweisen. Oder doch zumindest: beweisen sollen.

,,Wir haben uns alle ärztlich untersuchen lassen, und heraus kam: Meine Mitarbeiter sind viel gestresster als ich'', spöttelte Donadoni vor dem Spiel (,,ein Match wie jedes andere''). Was nicht heißen soll, dass er den Gegner nicht ernst nimmt. Am vergangenen Samstag stellte Italiens Nationaltrainer den Wecker auf fünf Uhr, flog nach Glasgow, sah Schottland gegen Georgien (2:1), kehrte nachts mit dem Billigflieger nach Bergamo zurück und tauchte morgens um vier wieder im Trainingslager auf: ,,Nur weil behauptet wird, ich kenne noch nicht mal den neuen Trainer der Schotten.'' Der heißt McLeish und verheißt wie sein Vorgänger keine taktischen Finessen. Aber darauf kommt es der Squadra Azzurra ja diesmal auch nicht an.

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