Italien in der Einzelkritik:Immun gegen alles und jeden

Andrea Pirlo schüttelt Mario Götze ab wie eine Laus und steht als Sinnbild für italienische Abgebrühtheit. Ein glücklicher Gianluigi Buffon irritiert die Deutschen per italienischem Vodoo, und Claudio Marchisio zeigt, dass er als Mittelfeld-Arbeiter auch Übersteiger und Hackenpässe kann. Die italienische Nationalmannschaft beim 1:1 gegen Deutschland in der Einzelkritik

Von Thomas Hummel, Mailand

Italien in der Einzelkritik

Gianluigi Buffon

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(Foto: AFP)

Gianluigi Buffon: Clever und abgebrüht nannte Bundestrainer Joachim Löw die Italiener. Um im Jargon zu bleiben: Gianluigi Buffon ist mit allen heißen Wassern des Weltfußballs gewaschen. Und dennoch vergaß er, beim 0:1 einen Mann am Pfosten zu postieren. Hatte später Glück, dass der Schuss von Khedira vom Pfosten und von seiner Schulter nicht ins Tor hüpfte. 137. Länderspiel und damit auf den Spuren von Lothar Matthäus. Auch der internationale Rekordhalter Ahmed Hassan darf sich nicht sicher sein, um die 184 Spiele des Ägypters zu erreichen, muss der 35-Jährige zwar mindestens bis zur WM 2018 im italienischen Tor stehen. Doch was soll ein Gianluigi Buffon tun, wenn er nicht mehr Torwart ist? Lenkte in der letzten Aktion des Spiels den Ball mit purer Willenskraft an den Pfosten und irritierte anschließend per italienischem Voodoo Bender und Reus.

Italien in der Einzelkritik

Ignazio Abate

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(Foto: AFP)

Ignazio Abate: Ein emsiger Arbeiter inmitten des cleveren Pirlo-Fußballs. Dreimal gedankenschneller als Toni Kroos, als er sich den Ball holte, wuselte in die Mitte und drosch die Kugel zum 1:1 an den Innenpfosten. Erstes Tor für die Squadra Azzurra. Stemmte sich in Erfüllung seiner Hauptaufgabe recht erfolgreich rechts hinten gegen Schürrle, Reus und Jansen.

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Andrea Barzagli

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(Foto: AFP)

Andrea Barzagli: Einst Meister mit dem VfL Wolfsburg. Clever und abgebrüht nannte man ihn damals schon nicht. Verlor das Kopfballduell vor dem 0:1 gegen Mats Hummels. Als die Deutschen rund um die 20. Minute begannen, tiki taka zu spielen, hatte er bald die Schnauze voll und setzte Mario Götze 20 Meter lang zu als wäre er beim Rugby. Wollte wohl ein gutes altes Zeichen setzen, dass es so nicht weitergehen kann. Und hatte ja auch Erfolg damit. Götze traute sich kaum mehr nach vorne, und Italien kam immer besser ins Spiel.

Italien in der Einzelkritik

Leonardo Bonucci

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(Foto: AFP)

Leonardo Bonucci: Ein Name wie ein Bildhauer der Renaissance. Doch von Künstler kann keine Rede sein, zumindest nicht von einem Fußballkünstler. Wer dachte, der Verteidiger-Typ Eisenfuß wäre ausgestorben, der kennt Leonardo Bunucci nicht. Ließ einige deutsche Angreifer handfest ins Gras sinken, im Aufbauspiel allerdings ebenso mit einem Bügeleisen in den Schuhen. Holzte den Ball bisweilen direkt zum Gegenspieler, einmal hätte Schürrle das fast genutzt, traf aber nur die Latte. Immerhin tadellos im Stellungsspiel. Spielte vor dem 1:1 plötzlich einen perfekten Doppelpass mit Torschütze Abate. Muss vorher das Bügeleisen aus den Schuhen genommen haben. Köpfte kurz vor Schluss abgebrüht den Ball mit dem Hinterkopf zu Torwart Buffon. Ein echter Italiener!

Italien in der Einzelkritik

Domenico Criscito

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(Foto: dpa)

Domenico Criscito: Als der FC Bayern noch einen Linksverteidiger suchte, also in der Vor-Alaba-Zeit, da war auch dieser Domenico Criscito ein Kandidat in München. Inzwischen ist der in Sankt Petersburg gelandet. Hinten stellte er clever und, genau, abgebrüht seine Seite zu, trotz vieler Freiräume aber zunächst kaum eine zielführende Aktion nach vorne. Wurde nach der Pause aber viel stärker und leitete die italienische Großchance nach 56 Minuten ein. Foulte einmal böse gegen Sami Khedira.

Italien in der Einzelkritik

Andrea Pirlo

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Andrea Pirlo: Schon beim Aufwärmen lässig und geschmeidig wie ein Ragazzo am Strand von Capri. Sinnbild für Cleverness und Abgebrühtheit der Italiener. Wirkt immun gegen alles und jeden. Attackiert von Götze? Wird abgeschüttelt wie eine Laus. Attackiert von zwei oder drei Deutschen? Kurz hochgeschaut und zwischen den Dreien hindurch einen Pass zum Mitspieler. Gab seiner Mannschaft nach dem schnellen Rückstand allein mit seiner Körpersprache die Nachricht, dass hier noch längst keiner nervös werden müsse. Wurde als früherer Spieler vom AC Mailand bei jeder Aktion, bei jeder Ecke und vor allem bei seiner Auswechslung zehn Minuten vor Schluss lautstark gefeiert.

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Claudio Marchisio

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(Foto: AFP)

Claudio Marchisio: Wer hätte das gedacht, dass der brave Mittelfeld-Arbeiter auch Übersteiger und Hackenpässe kann? Nach Pirlo das belebenste Mitglied im italienischen Mittelfeld. Wirkungsvolles Bindeglied zwischen Verteidigung und Angriff. War dazu noch torgefährlich, testete kurz nach der Pause Manuel Neuer mit einem Schuss ins kurze Eck.

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Riccardo Montolivo

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(Foto: AFP)

Riccardo Montolivo: Rannte im Mittelfeld umher, als wollte er sich um einen Transfer zu Borussia Dortmund bemühen. Spielte in seinem Mailänder Heimstadion den Mister Überall. Besonders motiviert, weil die Mutter aus Deutschland stammt. Mit einer Mischung aus deutschem Eifer und italienischer Schläue unauffälliger aber wichtiger Bestandteil im Mittelfeld.

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Thiago Motta

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(Foto: AFP)

Thiago Motta: Zeigte, dass es auch in Paris heißes Wasser gibt. Der Spieler von Paris Saint-German war wirkungsvolles Teil des abgebrüht lässigen Mittelfelds. Beruhigte das Spiel, wenn es hektisch wurde, wirkte dabei, als würde er eine volle Espresso-Tasse in der Hand halten. Stellte sich einmal in den Laufweg von André Schürrle, was allerdings fast unclever zu nennen war, stießen die beiden in der Folge doch mit dem Kopf zusammen. Hatte kaum eine auffällige Aktion, ließ aber auch keine auffällige Aktion seiner Gegenspieler zu und war somit Paradebeispiel für eine wieder mal unangenehme italienische Mannschaft. Und als er einmal selbst gefoult wurde von Toni Kroos, wurde er sogleich handgreiflich - hätte dafür von einigen Schiedsrichtern Rot gesehen. Kam mit Gelb davon.

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Mario Balotelli

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(Foto: dpa)

Mario Balotelli: Legte gleich los wie damals in Warschau: Spielte zwei Deutsche aus und drosch den Ball aufs Tor. Diesmal aber vorbei. Hatte schon beim Warmschießen einige Jubelschreie der vielen Kinder und Jugendlichen im Stadion provoziert, weil er die Testschüsse zumeist formschön ins Netz beförderte. Im Spiel hatte der Schrecken der Germanen zwar viele Aktionen, schloss aber oft überhastet ab, wurde gefoult oder verlor einen Zweikampf gegen Boateng. Erstarrte diesmal nicht zur Säule.

Italien in der Einzelkritik

Pablo Daniel Osvaldo

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(Foto: AFP)

Pablo Daniel Osvaldo: Erinnerte während der Hymnen von der Tribüne aus an Zlatan Ibrahimovic. Balotelli und Ibrahimovic im Sturm? Ohgottohgott! Der Albtraum für die deutsche Internats-Elf wäre wahr geworden. Doch es war nur ein Stürmer namens Osvaldo vom FC Southampton. Zeigte schöne Ansätze, auch im zlatanesken Ballhalten. Sonst aber wenig zu sehen und folgerichtig als erster Italiener ausgewechselt.

Italien in der Einzelkritik

Antonio Candreva

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(Foto: AFP)

Antonio Candreva: Offensivpartner von Miroslav Klose bei Lazio Rom. Ging als erster Einwechselspieler mit dem Ziel auf dem Platz, neben den coolen Pirlos und Mottas den Wusler und Wirbler zu spielen.

Italien in der Einzelkritik

Angelo Obinze Ogbonna

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(Foto: AFP)

Angelo Obinze Ogbonna: Trainer Prandelli muss mächtig viel von ihm halten, hatte er den Verteidiger doch im vergangenen Jahr als einzigen Zweitligaspieler zur EM mitgenommen. Spielt inzwischen bei Juventus, kam der 25-Jährige nun auch im Klassiker gegen Deutschland zum Einsatz. (Archivbild, vorne)

Italien in der Einzelkritik

Alessio Cerci

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(Foto: dpa)

Alessio Cerci: Stand Spalier, als sich die Zuschauer mit großem Applaus von Andrea Pirlo verabschiedeten. (Archivbild)

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