Israel unterliegt Wales:Schöner Gruß von Real Madrid

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Israel war Tabellenführer und voller Hoffnung auf die EM-Qualifikation - dann kam Gareth Bale.

Von Peter Münch, Haifa

Fußball-Feste finden in israelischen Stadien ungefähr so selten statt wie Schneeball-Schlachten am Strand von Tel Aviv. Dabei fehlt es gewiss nicht an Begeisterung für den Ballsport, doch ohne die nötigen Erfolge der eigenen Teams sehen sich die Israelis viel eher ihre Lieblingsklubs aus Spanien oder England in einem der vielen TV-Sportkanäle an, als in eine heimische Arena zu gehen. Am Samstagabend war plötzlich alles anders: Das Sammy-Ofer-Stadion von Haifa war komplett in Blau und Weiß getaucht, ausverkauft schon seit Monaten. Eine ganze Nation hat dem Länderspiel gegen Wales entgegengefiebert, mit dem Israel als Tabellenführer der Gruppe B der Qualifikation für die EM in Frankreich ein großes Stück näher kommen wollte. Doch am Ende haben die Fans wieder einmal gelernt, dass zwischen Euphorie und Ernüchterung oft nur 90 Minuten liegen, höchstens.

Verspielt Israel die große Chance binnen einer einzigen Woche? Am Dienstag wartet Belgien

0:3 verloren, chancenlos, zerlegt von einem einzigen Mann: Gareth Bale, der nie zu halten war, zwei Tore schoss und eines vorbereitete. Sie haben den Real-Profi ja auch vorher schon gut gekannt hier, Real Madrid hat eine große, begeisterungsfähige Fan-Gemeinde in Israel. Doch dass Bale ausgerechnet am israelischen Nationalteam seinen Frust über all den Gegenwind bei den Königlichen abarbeitet, das wäre dann bei aller Liebe doch nicht nötig gewesen. Für Bale war es jedenfalls ein "großartiger Abend", wie er hinterher bekannte.

Israels Nationaltrainer Eli Gutman dagegen nannte die Niederlage "herzzerreißend". Seine Aufgabe ist es nun, schnellstmöglich wieder zusammenzufügen, was an diesem Abend - zumindest vorübergehend - zerstört wurde. Denn der Trip nach Frankreich ist ja auch nach diesem 0:3 noch möglich. Nur die schöne Serie ist kaputt, mit der Israel nicht nur die Konkurrenten, sondern vor allem sich selbst überrascht hatte in dieser EM-Qualifikation: 9:0 Punkte und 9:2 Tore aus den drei Spielen gegen Andorra, Zypern und Bosnien - das hat die Hoffnung beflügelt, zum ersten Mal seit der WM 1970 in Mexiko wieder bei einem großen Turnier dabei zu sein.

Es wäre das Ergebnis einer ausnahmsweise einmal zielgerichteten Aufbauarbeit, für die im oft chaotischen israelischen Fußball seit vier Jahren der Trainer Eli Gutman steht, den sie "den Deutschen" nennen wegen seines Hangs zur Disziplin. Nachdem er in der erfolglosen WM-Qualifikation insgesamt 35 Spieler ausprobiert hatte, vertraut er nun einer festen Stammformation, die abzüglich zweier Verletzter auch gegen Wales zum Anstoß antrat. Das Gros spielt in der israelischen Liga bei Maccabi Tel Aviv oder dem Namensvetter aus Haifa. Ein paar Legionäre sind auch dabei, die in England oder Russland ihr Geld verdienen - oder beim deutschen Zweitligisten RB Leipzig, wo etwa der Stürmer Omer Damari unter Vertrag ist, der in den ersten drei Qualifikationsspielen gleich fünf Tore schoss. Es ist ein Team mit Perspektiven und obendrein einer Mission, die der 33-jährige Verteidiger-Veteran und Kapitän Tal Ben Haim formuliert hat: Angesichts der stets schwierigen und oft kriegerischen Zeiten soll das Fußball-Nationalteam die Stimmung im Land aufhellen. "Wir wollen ein Lächeln in die Gesichter der Israelis bringen", erklärte er.

Das hat er gesagt, bevor Bale und seine Waliser zuletzt lachten und zehn Israelis mit gesenkten Häuptern den Rasen in Haifa verließen. Der Elfte, Eytan Tibi, war schon knapp vierzig Minuten vorher vom Schiedsrichter mit einer gelb-roten Karte in die Kabine geschickt worden, nachdem er Bale binnen zweier Minuten zwei Mal direkt an der Strafraumgrenze abgeräumt hatte. Den ersten Freistoß verwandelte der Gefoulte dann selbst zum 2:0, mit einem schönen Gruß an den Kollegen Cristiano Ronaldo in Madrid, dem dort schon länger kein solches Tor mehr gelang. Und beim 1:0 unmittelbar vor dem Halbzeit-Pfiff hatte Bale den Ball gefühlvoll mit dem Kopf zurückgelegt auf den Arsenal-Profi Aaron Ramsey. Beim 3:0 (77.) schob Bale lässig mit links ein. Zwingende israelische Torchancen? Sind aus diesen 90 Minuten nicht überliefert.

Bis zum Dienstag bleibt Israels Elf nun Zeit zur körperlichen und mentalen Erholung, und dann muss sich weisen, ob der Weg wirklich gen Frankreich führt - oder ob die Jahrhundertchance einer EM-Teilnahme womöglich in nur einer Woche verspielt wird. In Jerusalem geht es dann ausgerechnet gegen den Gruppenfavoriten Belgien, der mit einem locker erspielten 5:0-Sieg gegen Zypern anreist.

Wales hat nach dem Sieg in Haifa die Tabellenführung übernommen, Belgien liegt mit acht Punkten noch auf Rang drei, hinter Israel. Trainer Gutman verspricht, dass sein Team "kämpfen wird bis zum Ende der Qualifikation". Aber auf ein Fußball-Fest in Jerusalem will im Moment kaum noch einer wetten.

© SZ vom 30.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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