Island bei der Fußball-EM:Aron und die starken Männer

Der Stürmer ähnelt dem jungen Brad Pitt, der Kapitän macht falsche Einwürfe: Wer sind die famosen Isländer, die gerade die EM aufmischen? Die Spieler in Kurzporträts.

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Hannes Thor Halldorsson

EURO 2016 - Round of 16 England vs Iceland

Quelle: dpa

32, FK Bodö/Glimt, 37 Länderspiele

Der Thor macht seine Sache im Tor ordentlich, vier Tore hat er nach vier Spielen kassiert, in jedem Spiel eines - und nie verloren. Der Torhüter hat einen ungewöhnlichen Zweitjob: Halldorsson ist Filmregisseur. Er begann mit dem Filmemachen, als er sich einmal verletzt hatte als Fußballer. Er drehte das Musikvideo für den Eurovisionsbeitrag der Isländer 2012, Dokumentationen, Werbespots. Irgendwann konnte er nicht mehr beide Berufe ausüben: "Ich stand kurz vor einem Burn-out. Ich musste mich auf eine Sache konzentrieren." Jetzt ist er Hauptdarsteller in Islands Sommermärchen.

(jki)

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Birkir Mar Sævarsson

Iceland v Austria - Group F: UEFA Euro 2016

Quelle: Getty Images

31, Hammarby IF, 61 Länderspiele

Noch bevor er einen Führerschein hatte, setzte er sich ins Flugzeug und lernte fliegen. Beinahe hätte Sævarsson sogar seine Fußballkarriere fürs Fliegen aufgegeben, als 17-Jähriger. Nun ist er 31-Jähriger und glücklich beim schwedischen Klub Hammarby. Dass er im Gruppenspiel gegen Ungarn in der 88. Minute den Ball über die eigene Torauslinie katapultierte, hat ihm die Nation längst verziehen. Sie weiß ja, wem sie eines Tages in den Lüften begegnen könnte: Sævarsson, Spitzname "The Wind" (weil er so flink ist), hält sich eine Zweitkarriere als Pilot noch offen.

(ska)

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Kari Arnason

Iceland v Hungary - EURO 2016 - Group F

Quelle: REUTERS

33, Malmö FF, 51 Länderspiele

Hat es mal geschafft, aus der ersten isländischen Liga abzusteigen. (Es gibt fünf Ligen auf Island). Danach spielte er Champions League, bei Djurgardens IF aus Schweden. 2012 traf er aus 40 Metern in einer englischen Zweitliga-Partie, was ihm eine Nominierung zum "Tor des Jahres" brachte.

99 Prozent der Zeit ist Arnason aber der Abwehrchef der Isländer. Als Cristiano Ronaldo nach dem 1:1 der Isländer gegen Portugal deren Mentalität kritisierte, sagte Arnason: "Was erwartet er? Dass wir wie Barcelona gegen ihn spielen? Er stolziert über den Platz und lässt sich ständig fallen."

(schm)

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Ragnar Sigurdsson

-

Quelle: AFP

30 Jahre, FK Krasnodar, 60 Länderspiele

"Hier wuchs Ragnar Sigurdsson auf, der Torschütze im Spiel gegen England" - so betitelte jemand auf Twitter kürzlich ein Bild. Darauf zu sehen: Zwei moosbewachsene Wikingerhütten an einem Fjord. Dabei ist Sigurdsson für einen Isländer ein Kosmopolit. Der Osten Reykjaviks ist seine Heimat, seine Rubel verdient er in Russland, die Abwehr ist sein Revier. Gegen England verhinderte Islands Verteidigungsminister einen Treffer von Jamie Vardy mit einer Jahrhundertgrätsche. Hinterher sagte er: "Wir wollten es mehr als die Engländer." Das glaubt man diesem Kerl sofort.

(jbe)

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Ari Freyer Skulason

Portugal v Iceland - Group F: UEFA Euro 2016

Quelle: Getty Images

29, Odense BK, 42 Länderspiele

Ari Freyer Skulason ist der, der das Baby mit den Kopfhörern nach dem Spiel gegen Österreich in den Arm nahm. Und der von der isländischen First Lady eine Wadenmassage bekam. Er spielt linker Verteidiger, ist normalerweise bei Odense BK in Dänemark angestellt. Auf Facebook sieht man ihn als Mann, der in der dänischen Liga gegen Esbjerg einen schönen Freistoß in den Winkel geschossen hat und der sehr stolz auf seine drei Söhne ist. Das Baby mit den Kopfhörern trug dem Skulasonschen Familienalbum nach übrigens schon am Tag seiner Geburt eine Wollmütze.

(schm)

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Johann Berg Gudmundsson

EURO 2016 - Group F Iceland vs Austria

Quelle: dpa

25 Jahre, Charlton Athletic, 51 Länderspiele

Als die Isländer in ihrer fabelhaften EM-Qualifikation nicht mehr eingeholt werden konnten, twitterte ihr Flügelstürmer Johann Berg Gudmundsson: "Ich träumte, ein König zu sein, dann wachte ich auf und war immer noch einer." Vor ein paar Tagen hat er diesen feinen Aphorismus noch einmal hervorgekramt, er träumt ja immer noch, aber es sei ihm vergönnt: Mit Charlton Athletic ist Gudmundsson in die dritte englische Liga abgestiegen, ein bisschen Hochmut während der EM tut ihm sicherlich ganz gut. Highlight seiner Karriere waren bisher drei Treffer beim 4:4 gegen die Schweiz in der Qualifikation für die WM 2014 gewesen. Ein paar Wochen später scheiterte Island schließlich in der Relegation, aber das könnte einen einfachen Grund haben: In Gudmundsson war damals noch nicht das Bewusstsein gereift, dass er das Zeug zum König hat.

(fued)

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Gylfi Sigurdsson

Iceland v Hungary - EURO 2016 - Group F

Quelle: REUTERS

28, Swansea City, 43 Länderspiele

Vater Sigurdur verbot einst seinem Sohn Gylfi, sich einen Ferienjob zu suchen. Der Junge sollte Fußball spielen. Unter der Anleitung seines älteren Bruders Olafur wurde täglich zwei bis drei Stunden trainiert. Bei gutem Wetter unter freiem Himmel, wenn Schnee lag: in einer angemieteten Lagerhalle. Immer mit dabei: eine Videokamera zur Videoanalyse. Aus dem kleinen Jungen ist der Star der isländischen Mannschaft geworden. Marktwert: 13 Millionen Euro. Und so nennen sie den Mittelfeldspieler, der in der Quali sechs Tore erzielte, auch den "Beckham Islands".

(jage)

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Aron Gunnarsson

Iceland Training - EURO 2016

Quelle: REUTERS

27 Jahre, Cardiff City, 63 Länderspiele

Ein Wettkämpfer war er schon immer. Schon als Kind in Akureyri, als er sich mit seinem Bruder - einem Profihandballer - darum stritt, wer als Erster sein Müsli aufessen konnte. Aron Gunnarsson sieht mit dem zweitdichtesten Vollbart aller EM-Spieler (den dichtesten trägt der Waliser Joe Ledley) nicht nur so aus wie ein Kämpfer, er ist wirklich einer. Berühmt ist auch sein Einwurf, gegen Österreich und gegen England führte er zum Tor. Allerdings ist er wohl irregulär: Gunnarsson wirft den Ball mit seiner rechten Hand, die linke ist nur Geleitschutz - was die Fifa ausdrücklich verbietet.

(fse)

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Birkir Bjarnason

-

Quelle: AFP

28, FC Basel, 51 Länderspiele

Wurde vom Musiksender MTV zum "hottesten EM-Spieler" gewählt. Mit seinen halblangen, blonden Haaren sähe Bjarnason aus wie eine Mischung aus Brad Pitt (in jungen Jahren) und dem Donnergott Thor. "Wer auf sexy Nordmänner mit blonder Mähne und Stoppelbart steht", , der solle schnell einen Blick ins Mittelfeld der Isländer werfen. Beim 1:1 zum Auftakt gegen Portugal glückte ihm der erste isländische EM-Treffer überhaupt - mit dem Schienbein. Beim Live-Kommentar des isländischen Reporters Gudmundur Benediktsson tönte es im Stakkato: "Birkir, Birkir, Birkir, Birkir!"

(ebc)

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Jon Bödvarsson

EURO 2016 - Round of 16 England vs Iceland

Quelle: dpa

24, 1.FC Kaiserslautern, 25 Länderspiele

Wird nach dem Turnier die EM-Glitzerwelt schnell wieder verlassen müssen. Er muss dorthin zurück, wo wenig glitzert, zurück in die Pfalz, zum Zweitligisten 1. FC Kaiserslautern. Dass der noch in der zweiten Liga spielt, hat auch mit Bödvarsson zu tun. Der Stürmer kam zur Rückrunde nach Deutschland, seine Tore halfen, den Klassenerhalt zu sichern. Beim FCK werden sie froh sein, dass sie ihrem Glücksgriff einen Dreijahresvertrag verpasst haben: So bleibt er noch ein Weilchen. Oder bringt, wenn ein größerer Klub anklopft, ordentlich Geld in die Kasse.

(ebc)

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Kolbeinn Sigthorsson

EURO 2016 - Round of 16 England vs Iceland

Quelle: Peter Powell/dpa

26, FC Nantes, 43 Länderspiele

Die Kalauer kamen schnell: "Isländischer Trainer froh, dass er Sigthorsson statt Eigenthorsson aufgestellt hat", juxte "Der Postillon" nach dem 2:1 im EM-Achtelfinale gegen England. Sigthorsson schießt das Siegtor: geniale Pointe, funktioniert nur im Deutschen. Der Sohn des Sigthor hat sein Land bei dieser EM in die Rolle der Cinderella gehievt. Alle lieben Cinderella, alle lieben Sigthor. Mit 21 Toren in 43 Länderspielen steht er auf Platz zwei der ewigen Torjägerliste Islands, Berater ist sein älterer Bruder Andri, der zwischen 1994 und 1996 beim FC Bayern II gespielt hat.

(fued)

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Arnor Ingvi Traustason

-

Quelle: AFP

23 Jahre, Rapid Wien, 9 Länderspiele

Den japsenden TV-Kommentator des isländischen Fernsehens kennt man aus dem Internet. Anders verhält es sich mit dem Wundermann, der diese Eruption der Gefühle ausgelöst hat. Arnor Ingvi Traustason ist jener Einwechselspieler, der im Gruppenspiel gegen Österreich das 2:1 erstocherte. Ausgerechnet Traustason!

Er hat sich erst kurz vor der EM Rapid Wien angeschlossen. Seine Tore sind in Schweden Youtube-Hits, seine Teeniefrisur und sein Babyface erinnern an Justin Bieber und sein Instragram-Account dokumentiert: Wer bei den Isländern echte Hipster sucht, muss bei Traustason anfangen.

(jbe)

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Alfred Finnbogason

Alfred Finnbogason

Quelle: dpa

27, FC Augsburg, 36 Länderspiele

Der Stürmer des FC Augsburg bewahrte seinen Klub mit sieben Toren und drei Vorlagen fast im Alleingang vor dem Abstieg. Bei der EM kommt er trotzdem nur zu Kurzeinsätzen. Finnbogason ist so etwas wie der "Lukas Podolski der Isländer" und für die gute Stimmung zuständig. So überreichte er seinem Teamkollegen Aron Gunnarsson ein Cristiano-Ronaldo-Trikot, nachdem Gunnarsson beim Portugiesen beim Trikottausch nach dem Spiel abblitzte. In einem Video gibt er isländische Fußball-Nachhilfe. Er erklärt die Basis-Ausdrücke "Áfram Ísland!" (Auf geht's Island), "Mark!" (Tor) oder "Rautt spjald!" (Rote Karte).

(jki)

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Eidur Gudjohnsen

Iceland v Hungary - Group F: UEFA Euro 2016

Quelle: Getty Images

37 Jahre, Molde FK, 87 Länderspiele

Bislang hat der berühmteste isländische Fußballer bei dieser EM erst einmal für ein paar Minuten gespielt. Beim zweiten Gruppenspiel gegen Ungarn wurde er in der 84. Minute eingewechselt. "Kein Fußballer, egal wie alt, sitzt gerne auf der Bank", sagt Gudjohnsen, doch natürlich akzeptiert er seine Rolle. Seine Karriere ist ein Fußballmärchen. Im Zeitraffer: Mit 17 für den eigenen Vater für Islands Nationalmannschaft eingewechselt, noch als Teenager nach Europa gezogen, um Islands bester Fußballer des vergangenen Jahrhunderts zu werden. Tränenreicher Rücktritt im Nationalteam nach verpasster WM-Qualifikation 2013, Rückkehr für die EM, um sich einen Lebenstraum zu erfüllen. Geht nicht kitschiger? Alle drei Söhne Gudjohnsens sind auf dem Weg, Profi zu werden.

(fse)

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Lars Lagerbäck

Portugal v Iceland - EURO 2016 - Group F

Quelle: REUTERS

2011 sollte er mal österreichischer Nationaltrainer werden, doch dann bekam Marcel Koller den Posten. Lagerbäck coacht seit Januar 2012 - gemeinsam mit Heimir Hallgrimsson - die Nationalmannschaft Islands. Keiner konnte zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass die Isländer viereinhalb Jahre später das EM-Aus Österreichs besiegeln würden. Obwohl Lagerbäck bis heute kaum ein Wort seiner Spieler versteht, wird er auf der Insel inzwischen als Nationalheld gefeiert. Bei aller Euphorie: Nach dem Turnier ist Schluss für ihn. Dann übernimmt Hallgrimsson, die andere Hälfte des Trainer-Duos.

(jage)

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Heimir Hallgrimsson

Iceland Training - EURO 2016

Quelle: REUTERS

Der Trainer-Kollege von Lars Lagerbäck musste nach dem Triumph der Isländer für die plumpen Witze herhalten. Ein Zahnarzt schlägt den Engländern die Zähne aus, ein Zahnarzt zeigt den Isländern die Zähne, Wurzelbehandlung für England . . . die Kalauer gingen nicht aus. Dabei übt Heimir Hallgrimsson seinen ursprünglich erlernten Beruf nach der EM nicht einmal mehr in Teilzeit aus. Lagerbäck ist im Trainerteam der Routinier, Hallgrimsson ist der moderne Taktiker. Und ein guter Witze-Erzähler, wie er nach dem Sieg gegen England bewies: "Wenn bei uns ein Spieler gelb bekommt, tauscht er einfach das Trikot mit einem anderen. Uns kennt sowieso keiner."

(fse)

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Thorgrimur Thrainsson und Gudmundur Benediktsson

England v Iceland - Round of 16: UEFA Euro 2016

Quelle: Getty Images

Ein französischer Junge stöbert durch das Trainingslager der Isländer, stibitzt Fußbälle und Klamotten - und wird trotzdem auf wundersame Weise zum Glücksbringer der Mannschaft. Thorgrimur Thrainsson (nicht im Bild) hat die Rohfassung seines nächsten Buches schon abgetippt. Der Mann, der ausschaut wie Owen Wilson, ist Motivationscoach der Isländer. Früher war er selbst Nationalspieler für sein Land, er modelte, startete Anti-Raucher-Kampagnen mit der Regierung und ließ sich bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl aufstellen. Vor allem aber ist Thrainsson: Der erfolgreichste Kinderbuchautor Islands.

(ska)

Der vielleicht bekannteste Isländer spielt gar nicht mit. Es ist "Gummi Ben", der Name klingt wie der des offiziellen Maskottchens der EM in Frankreich. Das firmiert jedoch unter "Super-Victor". Gummi Ben also, mit vollem Namen Gudmundur Benediktsson (auch nicht im Bild), ist stattdessen TV-Kommentator des öffentlich-rechtlichen Rundfunksenders RÚV und ehemaliger Nationalspieler Islands. Im ersten Spiel gegen Portugal (1:1) würdigte er den Torschützen Birkir Bjarnason: "Birkir, Birkir, Birkir!", schrie er in sein Headset, seine Stimme schlug die Salti, die er im Stadion nicht schlagen konnte.

(jki)

© SZ.de/fued
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