Isco in Spaniens Nationalelf:Der Schönspieler wendet sich

Spain's Isco smiles during their Euro 2016 Group C qualifying soccer match against Belarus in Huelva

Wichtig für Spanien: Isco.

(Foto: REUTERS)

Spaniens Nationalelf versucht sich in der post-brasilianischen Trauerphase nach der verkorksten WM neu zu erfinden - gar nicht so einfach. Eine wichtige Aufgabe fällt dem famosen Dribbler Isco zu.

Von Oliver Meiler, Barcelona

Mit der Ästhetik ist das so eine Sache, gerade im Fußball: Als Zuschauer kann man nie genug davon bekommen - von eleganten Finten und samtenen Hebern im Konzert mit vollendeten Distanzschüssen und kunstvollen Soli. Als nun Trainer Vicente del Bosque nach dem locker-leicht erspielten 3:0 seiner spanischen Nationalmannschaft gegen Weißrussland in der EM-Qualifikation fand, das sei ihm alles "viel zu ästhetisch" und "viel zu künstlerisch" gewesen, da konnte es gut sein, dass er nur ein Härchen in der Suppe suchte. Um des Härchens willen.

Und um die Spieler auf dem Boden der Realität zu behalten, bevor es nun am Dienstagabend in Vigo gegen Weltmeister Deutschland geht. Del Bosque sagte gar, die Seinen hätten nach Ablauf der ersten halben Stunde und den beiden frühen Toren nur noch "rumgeblödelt" mit dem Ball.

Vielleicht war in der Tat mal ein Hackentrick zu viel dabei, vielleicht wären ohne Schnörkel noch mehr Tore möglich gewesen. Doch urteilt man nach dem Entzücken der Fans im Stadion Nuevo Colombino in Huelva - und nach den Lobhudeleien in der Presse -, dann sind die Spanier einfach nur froh, dass die zuletzt eher betrübt und ideenlos spielende Roja dem Land mal wieder einen ansprechenden Fußballabend bereitet hat. Gegen einen schwachen Gegner zwar, aber immerhin.

In der post-brasilianischen Trauerphase nach der verkorksten WM ist das gar nicht so einfach. Man sucht sich, muss sich neu erfinden. Nach den Rücktritten von Xavi Hernández, Xabi Alonso, David Villa und Carles Puyol, den Baumeistern zweier Europameister- und einem Weltmeister-Titel, vollzieht Spanien gerade einen Generationswechsel: neue Leute, revidierter Chip. Del Bosque nennt den Prozess "Evolution". Zur Revolution fehlt nicht nur ein Buchstabe, sondern ein ganzes Selbstverständnis: Kein Rumblödeln bitte, junge Herren!

Gemeint war damit wohl speziell der 22-jährige Andalusier Francisco Alarcón Suárez, Künstlername Isco - der Mann des Abends. Die Sportzeitung Marca nennt ihn schon "Magier" und "Genie". Nie zuvor hatte der offensive Mittelfeldspieler von Real Madrid ein Länderspiel von Beginn an bestreiten dürfen. Und auch diesmal eröffnete sich ihm diese Chance nur deshalb, weil sich Cesc Fàbregas unpässlich bis lustlos zeigte, je nach Deutung seines Fehlens.

Im Angriff fehlte auch Diego Costa, der andere Star vom FC Chelsea, was in Spanien polemisch bewertet wurde. Isco jedoch nutzte die unverhoffte Gelegenheit für eine Demonstration seines beträchtlichen Talents. Zeitungen lobten ihn danach, als habe Spanien die Inspiration für die Zukunft gefunden - einen möglichen Nachfolger für Andrés Iniesta, der schon 30 ist, und eine Alternative zu Thiago Alcántara, dem Münchner Dauerpatienten - selbst dann, wenn der mal wieder fit ist.

Bei Isco sieht das Spiel leicht aus

Isco ist ein Ästhet, ein Schönspieler. Gegen Weißrussland täuschte und provozierte er den Gegner mit schnellen Wendemanövern, Beinschüssen, gescheiten Pässen. Mit einem satten Schuss gelang ihm auch ein wunderbares Tor. Er sagte danach, der Ball hätte gut auch in den Wolken enden können. Doch er endete im Lattenkreuz, dem Himmel des Fußballs. Und das reicht dann oft schon für eine Verklärung. Isco blödelt aber eben auch mal gerne ein bisschen herum mit dem Ball, um es mit Del Bosque zu sagen. Bei Isco sieht das Spiel so leicht und natürlich aus, dass sich manch düpierter Gegner verhöhnt und vorgeführt vorkommen muss. Die Kritik des Trainers konterte Isco so: "Ich habe gerne Spaß, das ist mein Spiel. Ich denk' mir das nicht aus, das kommt einfach so aus mir raus."

Den Aufstieg verdankt er seinem Real-Vereinstrainer Carlo Ancelotti. Der schickte ihn in den Kraftraum, lehrte ihn, auch defensiv zu arbeiten, die Schönheit zuweilen einem Tackling hinten zu opfern, wenn es der Mannschaft dient. Das war ein nötiger Lehrgang. Isco war 2013 für 28 Millionen Euro vom FC Málaga nach Madrid geholt worden und wäre bei Real beinahe versauert.

Der Klub wollte mit seiner Verpflichtung beweisen, dass er auch in spanisches Nachwuchspersonal investiert, nicht nur in internationale Superstars. Für die Bindung zu den Fans sind solche Figuren wichtig. Trainer José Mourinho nannte Isco einmal "den besten jungen Spanier". Der junge Profi erhielt auch gleich ein stattliches Salär, höhere Mittelklasse in der Lohnhierarchie, fand jedoch lange keinen Platz in Reals Kreativzone. Der Wettbewerb ist dort ja auch besonders groß.

Nun spielt er regelmäßig, läuft mehr und grätscht auch mal . Seit er im August Vater geworden ist, attestiert man ihm auch eine neue innere Ruhe. Die Fans jedenfalls lieben ihn, sie lieben auch seine Verspieltheit, diesen Spaß am Spaß. Seine Mutter meldete sich nach dem Spiel gegen die Weißrussen per Whatsapp - und in solchen Momenten einer Karriere erfährt die Öffentlichkeit auch mal die kleinen innerfamiliären Liebesbekundungen: "Du machst mich glücklich", schrieb sie, "ich bin sehr stolz auf dich."

Vielleicht steckt in diesem Glück sogar schon der Keim der Evolution im spanischen Nationalteam. Falls es nicht bald schon wieder in den Wolken verpufft.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: