Irland:Eigentor rettet Schweden

Lesezeit: 2 min

Der Außenseiter von der Insel spielt mutig, vergibt aber eine 1:0-Führung.

Von Thomas Hummel, Saint-Denis

Es begann schon im Gare du Nord, wo die meisten Zuschauer in Richtung Norden zur Vorstadt Saint-Denis aufbrachen. Die aus dem Büro gekommenen Franzosen blickten pikiert umher ob der Massen an jungen Männern in grünen oder gelben Hemden, die laut und gerne falsch singend durch den Bahnhof wanderten. Hatten nicht in Marseille sogenannte Fußballfans die halbe Altstadt zerlegt?

Diesmal mussten die Pariser auf ihrem Heimweg schlimmstenfalls ein krummes Trommelfell befürchten, weder Iren noch Schweden waren in ihre Stadt gekommen, um Randale zu veranstalten. Sondern um der Welt zu zeigen, wie es anders gehen kann, friedlich und fröhlich. Im Stade de France war es dann keine gewagte Prognose, dass die Feierei noch die ganze Nacht weitergehen würde. Traurig musste ohnehin niemand sein, die Mannschaften trennten sich wie die Fans ohne Sieger. Die einen im Singen und Anfeuern, die anderen auf dem Platz. Das Fußballspiel endete 1:1, auf beide Teams warten nun noch die heiklen Aufgaben gegen Italien und Belgien.

Das Auftaktspiel der Gruppe E darf schon jetzt als das stimmungsvollste der EM gelten. Es war wohl das erste Publikum, dass sogar beim fürchterlichen Bumm-Bumm-Song zur EM "This one's for you" begeistert hüpfte und tanzte. Die Inbrunst, mit der die Fangruppen ihre Hymnen vortrugen, dass hätte sogar in der Opéra national de Paris die Leute gerührt. Ein bisschen wenigstens. Man kann sich eigentlich nur wünschen, dass diese beiden Fangruppen das Finale erreichen, doch das wird angesichts der Qualität ihrer Fußballer ein schwieriges Unterfangen. Auch wenn sich ein unterhaltsamer Kick entwickelte, das Können auf dem Rasen konnte nicht mit der Atmosphäre mithalten. Aber das hatte auch kein Zuschauer erwartet. Die Leute aus Schweden und Irland kennen ihre Kicker. Selbst wenn Zlatan Ibrahimovic auf dem Platz steht.

Der 34-Jährige, der sich nach vier Jahren bei Saint-Germain mit diesem Spiel vielleicht endgültig aus Paris verabschiedet hat, würde ja sicherlich behaupten, er sei mindestens elf Mal besser als jeder Ire. Was er womöglich damit begründen würde, dass er mindestens elf Mal mehr verdient. Dieser Umstand führte allerdings nicht dazu, dass Ibrahimovic die elf Iren alleine besiegen konnte. Im Gegenteil, er musste feststellen, dass der Gegner zunächst die bessere Mannschaft war.

Nach 48 Minuten vollendete der starke Wes Hoolahan eine schöne Vorarbeit von Seamus Coleman zum 1:0. In der ersten Halbzeit hatte die Mannschaft gezeigt, warum auch Weltmeister Deutschland in der Qualifikation nicht gegen sie gewinnen konnte. Hinten robust und schlau verteidigend, nach vorne mit schnellen, geradlinigen Angriffen. John O'Shea, Robbie Brady und Jeff Hendrick mit einem Lattenschuss vergaben die besten Möglichkeiten. Doch nach der Führung war es mit der irischen Überlegenheit vorbei. In ihrer Not besannen sich nun auch die Schweden auf ihre Stärken. Sie haben inzwischen ein bisschen mehr zu bieten als nur ihren alten Ibra. Die Generation nach der Überfigur aus Malmö stellt sich erstmals bei einem großen Turnier vor.

Trainer Erik Hamrén brachte nun endlich John Guidetti, der die schwedische U21-Nationalmannschaft vor einem Jahr zum EM-Sieg geführt hatte. Mit Oscar Lewicki und Victor Lindelöf, seinen Kollegen von damals, sowie dem nur ein Jahr älteren Leipziger Emil Forsberg übernahmen die Schweden das Spiel. Eine Kombination über Forsberg und Guidetti kam dann nach 72 Minuten zu Ibrahimovic, dessen scharfe Hereingabe Ciaran Clark ins eigene Tor köpfelte.

Die Punkteteilung könnte dazu führen, dass die beiden Favoriten der Gruppe aus Italien und Belgien nun leichtes Spiel haben, die Plätze eins und zwei unter sich aufzuteilen. Doch im Stade de France kümmerte sich erst mal niemand darum. Am Ende verabschiedeten die Fangruppen ihre Spieler lang und ausgiebig. Und begannen vor den Toren des Stadions gleich wieder mit dem Singen.

© SZ vom 14.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: