Irans Ali Beiranvand:Der Pizzalieferant lebt seinen Traum

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Ließ die Spanier reihenweise verzweifeln: Irans Torwart Ali Beiranvand. (Foto: AFP)
  • Irans Torwart Ali Beiran hat es vom Pizzalieferanten und Mitarbeiter einer Autowaschanlage zum WM-Torwart geschafft.
  • Seine Mannschaft hat den Achtelfinaleinzug noch nicht abgeschrieben, auch wenn dazu ein Sieg über Portugal nötig ist.
  • Hier geht es zum Spielplan der Fußball-WM.

Von Benedikt Warmbrunn, Kasan

Für seinen Traum hat Ali Beiranvand in einer Autowaschanlage gearbeitet, als Pizzalieferant, als Straßenreiniger. Für seinen Traum hat Ali Beiranvand sich gegen seinen Vater durchgesetzt, gegen den Vater, der ihm die Handschuhe zerriss. Der Traum des Ali Beiranvand, 25 Jahre alt, Sohn einer Nomadenfamilie, aufgewachsen in der westiranischen Provinz Lorestan, ist es, erfolgreich Fußball zu spielen.

Diesem Traum ist er bereits sehr nahe gekommen, er ist Stammtorwart der iranischen Nationalmannschaft. Aber einer, der in der Kindheit mit den Schafen von Weideland zu Weideland gezogen ist, kommt nicht so schnell am Ziel an. Er wolle, sagte er vor wenigen Wochen, bei der WM "leuchten", vielleicht könne er dann zu einem großen Verein in Europa wechseln, entsprechende Anfragen erhoffe er sich vor allem von Paris Saint-Germain und Liverpool.

Die WM fing dann gut an für Beiranvand, gegen Marokko blieb er ohne Gegentor, und im zweiten Spiel in Kasan ging es gegen Spanien, gegen die beste Offensive, gegen die Beiranvand je sein Tor verteidigen musste. Also leuchtete er.

"Dieses Zeitschinden ruiniert den Fußball"

Er hatte unter dem Jubel der zahlreichen iranischen Anhänger in der Arena schon eine Flanke von Sergio Ramos abgefangen, er hatte einen abgefälschten Freistoß von David Silva gefangen, er hatte eine Attacke der Fußspitze von Diego Costa auf die eigene Fußspitze überlebt, er hatte mit einem Reflex einen Distanzschuss von Sergio Busquets pariert, und als nun die 71. Minute lief, wusste Ali Beiranvand, dass sein Moment gekommen war.

Er hatte gerade einen Rückpass angenommen, nun lief der grimmige Costa auf ihn zu, wie ein Braunbär auf Lachsjagd lauerte er darauf, Beiranvands Pass abzufangen. Doch der Torwart, noch in Diensten von Persepolis Teheran, wackelte für einen 195 Zentimeter hohen Turm plötzlich recht geschmeidig, machte eine Tempoverschärfung, ein paar Dribbelschritte, schon war er an Costa vorbei. Der Bär blickte verwirrt. Der Turm leuchtete.

Turm im Tor, aber auch am Boden gut: Irans Keeper Ali Beiranvand, hier bei einer Rettungstat gegen den Spanier Lucas Vazquez. (Foto: Eugene Hoshiko/AP)

1:0 (0:0) gewann Spanien gegen Iran, doch die weltweit geachtete Kunstfertigkeit des Favoriten strahlte an diesem Abend nicht. An diesem Abend strahlte der Außenseiter. So sehr strahlten dessen defensive Künste, dass sie anschließend zum Thema hitziger Debatten wurden.

Angeleitet von Trainer Carlos Queiroz hatte Iran ein engmaschiges Netz um den Strafraum gewoben, so eng, dass die Spanier mit ihren Passfolgen kaum eine Lücke fanden: "Das war teilweise Defensivarbeit in Perfektion", sagte Saman Ghoddos. Zwischendurch gelang es den Iranern sogar, den eigenen Stil durchzusetzen; dann verlor die Partie das für die Spanier so wichtige Tempo, durch Fouls, durch die Gelassenheit der Iraner. Diese destruktive Effektivität ärgerte die Spanier noch nach dem Spiel: "Es gab viele Unterbrechungen. Da war es schwer, in den Rhythmus zu kommen", sagte der höfliche Trainer Fernando Hierro. "Dieses Zeitschinden und Simulieren von Verletzungen, das ruiniert den Fußball", schimpfte Verteidiger Dani Carvajal: "Ich denke nicht, dass das Fußball ist. Das ist nicht im Sinne des Spiels."

Es waren Vorwürfe, die die Iraner so lässig abwehrten wie zuvor all die Pässe: "Wir hatten alle Spieler genau analysiert, wir wussten, wie wir sie ausschalten können", sagte Karim Ansarifard, der darauf hinwies, dass Iran mehr Torchancen gehabt habe. Er selbst traf das Außennetz (53.), Saeid Ezatolahi traf ins Tor, allerdings stand er zuvor im Abseits, was der Videobeweis belegte (61.). Mehdi Taremi verfehlte das Tor mit einem Kopfball (60.), er rutschte an einer Flanke vorbei (75.), er setzte erneut einen Kopfball am Tor vorbei (82.).

"Eigentlich", sagte Ansarifard, "müssten wir weinen und traurig sein. Aber wir halten unseren Kopf oben." Angesprochen auf den eigenen Stil, sagte Queiroz, dass nachgezählt werden solle, wie oft Spaniens Kapitän Ramos dem Fußball geschadet habe - eine Anspielung unter anderem darauf, wie sich Ägyptens Topstürmer Mo Salah nach einem Zweikampf mit Ramos im Champions-League-Finale an der Schulter verletzt hatte. Ramos lächelte über diese spitze Bemerkung hinweg, später umarmte er den früheren Real-Coach Queiroz.

"Glaubt mir, wir werden Portugal besiegen"

Kein Iraner stritt ab, dass man destruktiv gespielt hatte, "aber eine gute Defensive ist für Mannschaften wie uns die Voraussetzung", sagte Ansarifard. Zudem sei das nur der Plan A gewesen. Nach dem unglücklichen 0:1 - der Ball war von Costa zu Ramin Rezaeian, von dort an Costas Knie und von dort ins Tor gepingpongt (54.) - sei Iran die Mannschaft gewesen, die das Spiel gestaltet habe. Das sei Plan B gewesen, und abgesehen von ein paar Kleinigkeiten, darunter das Gegentor und das nicht geschossene eigene, habe alles funktioniert.

"Glaubt mir", sagt Ansarifard, "wir werden Portugal besiegen. Wir werden das Achtelfinale erreichen." Wie, ist ihm egal. Ansarifard schaute dabei entschlossen - er weiß, dass im Achtelfinale jeder Außenseiter leuchtet.

© SZ vom 22.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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