IOC:Ein Diplomatenpass ist Thomas Bach zu wenig

Thomas Bach

Hier ein Privileg, und da noch eins: Thomas Bach, der deutsche IOC-Präsident.

(Foto: AP)

Wollte der IOC-Präsident reisen wie die Queen oder Barack Obama? Nach SZ-Informationen bemühte sich Thomas Bach um weitreichende Privilegien.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Nein, die Queen muss nicht ihr Handtäschchen öffnen, bevor sie in Deutschland in ein Flugzeug steigt. Wladimir Putin und Barack Obama kommen ebenfalls um die obligatorischen Kontrollen herum, wie gleichgestellte Persönlichkeiten des politischen Lebens anderer Staaten - und auch hohe deutsche Politiker können sich auf Wunsch freistellen lassen. Alle anderen Menschen müssen vor einer Flugreise durch die Sicherheitskontrolle, so sind laut Bundespolizei die Regularien. Mancher deutsche Staatsbürger jedoch meint, dass auch er anders behandelt werden müsse, und zu denen zählte offenbar auch: Thomas Bach, Präsident des Internationalen Olympischen Komitees.

Nach Informationen der SZ erbat sich der 62-Jährige nach seiner Wahl zum IOC-Boss im Herbst 2013 erweiterte Privilegien für seinen Reiseverkehr. Aus Berliner Sicherheitskreisen heißt es, Bach habe sich um eine Freistellung von den sogenannten Luftsicherheitskontrollen bemüht. Dabei handelt es sich um die obligatorische Überprüfung vor einem Flug: Sicherheitsbeamte scannen Handgepäck und Körper der Reisenden. Laut Bundespolizei ist eine Ausnahme von dieser Pflicht für Nicht-Politiker nur in begründeten Ausnahmefällen möglich; über solche Fälle entscheidet das Bundesinnenministerium (BMI). Nach SZ-Informationen erfüllte die Behörde das Begehr des IOC-Präsidenten nicht. Ein offizielles Statement dazu gibt es nicht. Bach dementiert den Vorgang auf Anfrage nicht, will sich dazu aber auch nicht äußern. Erneut stellt sich die Frage, welche Wahrnehmung der IOC-Chef von sich, seinem Amt und seiner Organisation hat. Nach Lage der Dinge scheint der Anspruch auf ungewöhnliche Privilegien für ihn selbstverständlich zu sein.

Vor Kurzem enthüllte die SZ, dass Bach schon seit 1994 einen Diplomatenpass besitzt. Das Auswärtige Amt erklärte diese frühe Vergabe mit dem Hinweis, dass der Sportfunktionär damals Vorsitzender der IOC-Evaluierungskommission für die Winterspiele 2002 geworden sei. Nach Beendigung dieser Tätigkeit habe Bach dann als normales IOC-Mitglied sowie später als Vize und als Präsident vor dem Hintergrund "des besonderen deutschen Interesses an der Förderung der olympischen Bewegung" den Pass erhalten. Zwar gilt laut Vergabekriterien, dass auch Personen, die keine Spitzenpolitiker oder echten Diplomaten sind, den Pass in Ausnahmefällen erhalten können - allerdings explizit definiert für Reisen "im amtlichen Auftrag oder im besonderen deutschen Interesse".

Ein Antrag auf Freistellung von Sicherheitskontrollen: Das sagt viel über die Selbstherrlichkeit im IOC

Es fällt schwer, in Bachs Wirken ein nationales Interesse zu erkennen. Sein Brot verdient er als Wirtschaftsberater. Sein Job im IOC gilt einem privaten Klub; gemäß Regularien darf er dabei nur Interessen des Olympia-Clans vertreten. Wieso Bachs Job in einer IOC-Prüfkommission damals als im nationalen Interesse liegend gewürdigt wurde, kann heute nicht einmal das Auswärtige Amt nachvollziehen. Aus dem Haus verlautet, dass aus den Akten jener Zeit nicht ersichtlich sei, "worin damals das besondere deutsche Interesse gesehen wurde". Der damalige Behördenchef war Außenminister Klaus Kinkel, ein alter FDP-Parteifreund und Tennispartner Bachs. Er ist dem Sport so eng verbunden geblieben, dass er künftig die vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) neu ins Leben gerufene Ethikkommission leiten soll. Im deutschen Sport sind die Wege manchmal kurz. Offenbar war Bach der Diplomatenpass nicht genug. Der Ausweis kann recht hilfreich sein bei Reisen durch die Welt. Bei Unternehmungen nach oder von Deutschland aus aber bringt er allenfalls etwas Wartezeit-Verkürzung, weil es für die Passinhaber eigene Kontrollfenster gibt. Anscheinend war Bach auch an deutschen Flughäfen auf Privilegien aus, und bemühte sich daher, von Kontrollen freigestellt zu sein.

Wenn der Präsident eines privaten Klubs auf die Idee kommt, ihm könne eine Behandlung zuteil werden, wie sie der Queen, Obama oder Putin zusteht, illustriert das nicht nur das Selbstverständnis des Managements der olympischen Kommerzmaschine IOC. Es zeigt auch, welche Vorzugsbehandlungen der Ringe-Zirkel über Jahrzehnte durch Staaten gewohnt war, gerade auch durch demokratische.

Die Zeiten haben sich geändert

Nun muss Bach vielleicht erleben, dass sich die Zeiten geändert haben. Auch in Deutschland, das im Laufe von Bachs IOC-Amtszeit mit Berlin, Leipzig und München insgesamt drei gescheiterte Spiele-Bewerbungen erlebte. Und wo zuletzt gleich zwei neue Anläufe (in München und Hamburg) per Bürgerbegehren abgeschmettert wurden - wobei sich die Voten nicht gegen den Sport, sondern deutlich gegen das IOC und dessen Gigantismus richteten.

Da wäre es logisch, wenn sich die Privilegien reduzieren. Eine Sondererlaubnis für die Sicherheitskontrollen erhielt Bach nicht. Und im politischen Berlin diskutieren schon einige Zirkel, wie es mit dem Diplomatenpass weitergehen soll. Ein Entzug scheint schwer vorstellbar zu sein. Wohl aber die Möglichkeit, ihn nicht zu verlängern.

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