IOC-Chef zu Olympia in Russland:Bach kündigt Protestzonen für Sotschi an

"Jeder kann seine freie Meinung äußern": IOC-Chef Thomas Bach freut sich über die Ankündigung des Organisationskomitees in Sotschi, Demonstrationen zuzulassen. Wo und wie diese stattfinden können, ist allerdings fraglich. In der Absage von Bundespräsident Gauck kann Bach keine politische Nachricht erkennen.

Protestzonen für Demonstranten in Sotschi - und keine Aufregung wegen der Causa Gauck: Präsident Thomas Bach hat nach seiner ersten Sitzung als Chef der IOC-Regierung mit einer überraschenden Ankündigung aufgewartet und abgeklärt auf die politischen Diskussionen um die jüngste Ankündigung des Bundespräsidenten reagiert.

Joachim Gauck hatte bestätigt, nicht zu den Olympischen Winterspielen vom 7. bis 23. Februar nach Russland zu reisen. Nach Bachs Angaben verzichtet Gauck ausschließlich "aus protokollarischen Gründen" auf einen Besuch der Winterspiele. "Ich kenne Bundespräsident Gauck und weiß, dass er ein sehr direkter Mann ist. Wenn er seinen Verzicht als Protest verstanden gewusst haben wollte, hätte er dies auch so gesagt", sagte Bach: "Er kann aus protokollarischen Gründen nicht nach Sotschi fahren, in ein Land, dem er zuvor noch keinen Staatsbesuch abgestattet hat. Diese Begründung ist zumindest die, die er uns gegeben hat."

Gauck selbst hatte auf eine offizielle öffentliche Begründung für seine Entscheidung, nicht nach Sotschi zu reisen, verzichtet. Zahlreiche Stellen hatten interpretiert, dass der Bundespräsident aus Protest gegen die Regierung und die Menschenrechtssituation in Russland einen Besuch der Winterspielen ausschloss.

Auf die Aussagen von EU-Kommissarin Viviane Reding, die am Montag ihren Verzicht auf eine Reise zu den Winterspielen explizit mit dem Umgang der russischen Regierung mit Minderheiten begründet hatte, wollte Bach nicht direkt eingehen. Der 59-Jährige betonte, dass Einladungen nach Sotschi ausschließlich von Regierungsseite ausgesprochen würden und dem IOC deshalb eine Einmischung nicht zustehe.

Noch entspannter berichtete der neue Präsident während der Pressekonferenz im IOC-Hauptquartier von dem Beschluss des Organisationskomitees, während der Spiele Protestzonen für Demonstranten einzurichten. "Wir haben das schon seit einiger Zeit mit dem Organisationskomitee diskutiert. Diese Zonen werden sich innerhalb von Sotschi befinden. Ich kann nicht genau sagen, wo, aber es handelt sich um Zonen, die extra für Proteste und Demonstrationen zur Verfügung stehen werden", sagte Bach: "Das ist eine Maßnahme, die wir begrüßen, denn nun hat jeder die Chance, seinem Protest Ausdruck zu verleihen."

Russlands Inlandsgeheimdienst FSB hatte Ende der vergangenen Woche ein Dekret von Präsident Wladimir Putin korrigiert, wonach solche Demonstrationen aus Sicherheitsgründen zunächst untersagt worden waren.

Bereits 2008 in Peking hatte das Organisationskomitee Protestzonen eingerichtet, diese lagen allerdings weit entfernt vom Zentrum der Spiele und waren weitgehend unbeachtet geblieben.

Unter anderem wegen der von Putin eingeführten Anti-Homosexuellen-Gesetze werden in Sotschi zahlreiche Demonstrationen erwartet. Die Athleten unterliegen allerdings während der Spiele zumindest in der olympischen Zone einem Protestverbot, das sie laut Bach "auch schützen" soll. Über dieses Verbot waren alle Teilnehmerländer in den vergangenen Tagen noch einmal gesondert in Kenntnis gesetzt worden.

Wie ernst es die russische Regierung tatsächlich mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung meint, zeigte Putins überraschende Auflösung der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti. Diese scheidet damit auch als Medienpartner der Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi aus. "Wir erwarten nicht, dass diese Entscheidung Auswirkungen auf den Ablauf der Spiele hat", kommentierte das IOC. Per Dekret gliederte der Kremlchef Staatsmedien wie Ria Nowosti und den Radiosender Golos Rossii (Stimme Russlands) in einen Staatspropaganda-Apparat unter dem Namen Internationale Nachrichtenagentur Rossija Segodnja (Russland heute) ein.

90 Tage nach seiner Wahl hatte Bach am Dienstagmorgen den Startschuss zu seiner "Agenda 2020" gegeben. Beim ersten Treffen der Exekutive unter seinem Vorsitz Reform der Organisation seien diesbezüglich zunächst nur "technische Fragen" erörtert worden. Später sollen unter anderem das olympische Programm, die Bewerbungskriterien für potenzielle Olympia-Ausrichter und die Anti-Doping-Strategie auf den Prüfstand gestellt werden.

Deshalb geht die IOC-"Regierung" ab Mittwoch vier weitere Tage in Montreux in Klausur. Am Dienstag lobte Bach die Vorbereitungen in Sotschi ausdrücklich, betonte aber auch, dass "noch viel zu tun" bleibe hinsichtlich der Infrastruktur und der Unterkünfte. "Aber wir sind zuversichtlich, dass alles rechtzeitig fertig sein wird. Die Ausrichter sind sich den Herausforderungen sehr bewusst, auch das macht uns zuversichtlich", sagte Bach.

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