Investor beim TSV 1860 München:Macht, Intrigen und Finanzen

1860 Muenchen v Energie Cottbus - 2. Bundesliga

Investor Hasan Ismaik kündigt die Verträge mit dem TSV 1860 München.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Investor Hasan Ismaik fordert drei Darlehen in Millionenhöhe vom TSV 1860 München zurück - sollten nicht endlich "Profis" ans Werk gelangen auf der Führungsebene. Der Zweitligist reagiert auf die erneuten Turbulenzen entspannt. Doch das ganz große Theater steht ihm wohl noch bevor.

Von Gerald Kleffmann

Am Ende, nach dem Vortrag, hing der Zigarettenqualm wie in einer Raucherkneipe im Raum. Es war schwer, den Durchblick zu behalten bei dem Kontingent, das einige Reporter und auch Michael Scheele verbrauchten. Aber das Bild passte zur Lage. Wer blickt noch durch bei 1860 München und der andauernden Posse um Macht, Intrigen und Finanzen?

Nächste Runde, Dienstag, im feinen Bogenhausen: Da lädt also der Anwalt des einen Besitzers von 1860 zu einer Runde, um darzulegen, dass der andere Besitzer, der Verein, dringend seinen Klüngel beenden und professionelle Leute installieren müsse. Sonst? Sonst werde Investor Hasan Ismaik, dem 49 Prozent der Fußball-KGaA gehören und den Scheele vertritt, drei 2012 gewährte Darlehen in Höhe von 9,3 Millionen Euro Ende Mai einfordern. Sonst wird kein Cent mehr seitens des Jordaniers fließen, um den Zweitligisten zu alimentieren. Er wolle nicht "das Missmanagement" stützen.

Was das dann bedeuten könnte? "Ändert sich die Bilanz nicht, wird die KG wohl keine Lizenz für die zweite Liga bekommen", sagt Scheele, der bis zu diesem Mittwoch eine Antwort des Klubs erwartet.

Ja, das saß dann wieder als neueste knackige Drohkulisse in dieser immer absurderen Auseinandersetzung bei dem bayerischen Traditions- und Streitverein (TSV).

Zwei Jahre ist es her, seit das Experiment startete und erstmals ein hiesiger Profiklub und ein arabischer Geldgeber eine Ehe schlossen, die "Kooperationsvertrag" getauft wurde. Das war gleich die erste Lüge. Bis heute taten beide Lager mehr oder weniger alles, nur nicht kooperieren. Zuerst mühte sich der mittelständische Unternehmer Dieter Schneider zwei Jahre ziemlich alleine, die Hoheit des Klubs zu verteidigen, die ihm dank der 50+1-Regel zusteht. Weil Ismaik aber nicht aufhörte, Schneider als Blockierer einer goldenen Zukunft darzustellen, der nur eine weitere Verschuldung des Klubs ablehnte, knickte der 1860-Aufsichtsrat, der Schneider stützen sollte, ein - und ließ ihn fallen.

In jenen vier Wochen, in denen nun der Grünen-Politiker Hep Monatzeder, Münchens dritter Bürgermeister und Teil jener Seilschaft im Aufsichtsrat, die Schneider in den Rücken fiel, erkannte endlich auch diese Fraktion: Ist schwierig, dieser Kulturkampf! So wählten Monatzeder, Geschäftsführer Robert Schäfer sowie Aufsichtsratschef und Strippenzieher Otto Steiner einen neuen Weg. Sie gingen auf totale Konfrontation zu Ismaik. Mit der Folge, dass nun beide Seiten schwer beschädigt dastehen.

Ruft eine Seite an, geht die andere, wie man klagt, nicht ans Telefon. Bei Treffen, wie jüngst in der Arena, als 1860 wieder verlor, meidet man sich. Dafür verkehren die Anwälte intensiv miteinander, dafür werden Spitzen und giftige Botschaften in den Medien gestreut. Das Bündnis ist im Prinzip eine Abfolge, wer wen am schlüssigsten schlechtmacht und, ja, erpresst, um Interessen durchzudrücken. Und wer dachte, dieser poltrige Ismaik, der mit dem Geld alles niederwalzt und sich schon einige Geschäftsfelder um den Verein einverleibt hat, sei der böse Bube, der hat noch nicht erlebt, welches Format viele der 1860-Funktionäre besitzen, die trotz der Fast-Pleite 2011 immer noch wie selbstverständlich mitwerkeln. Man schenkt sich nichts.

Provoziert aufs Vorzüglichste

Monatzeder provozierte Ismaik aufs Vorzüglichste, als er dem Mitgesellschafter Anfang April aus heiterem Himmel eine Frist von vier Tagen setzte und 13 Millionen Euro forderte, sonst gebe es keinen Großangriff mit den verbesserungswürdigen Kickern - das wären die nächsten zwei Raten des Dreijahresplans gewesen, den beide Lager mit dem Ziel Aufstieg ein Jahr zuvor beredet hatten. Der Jordanier, nach Selbstauskunft mit Öl und Immobilien reich geworden und nun CEO beim Baukonzern Arabtec in Abu Dhabi, wütete.

Der Verein setzte einen drauf. Geschäftsführer Schäfer, lange als Gefolgsmann des Investors verschrien, verlängerte gegen den Willen Ismaiks die Verträge von Trainer Alexander Schmidt und Sportdirektor Florian Hinterberger. Die Brüskierung war perfekt - und klar: Ein Konter wird kommen.

"Ismaik zieht die Reißleine", umschreibt Anwalt Scheele die Strategie, 1860 nun unter Druck zu setzen. Immerhin habe dieser 27 Millionen Euro in den Klub gepumpt. Zwei Hauptforderungen stellt sein Mandant. Er möchte Einblick in die aktuellen Finanzzahlen haben und "Profis" auf Führungsebene aufstellen. Trete dies ein, reiche man die Hand. Man wolle gemeinsam mit neuer Führung etwa einen neuen Geschäftsführer suchen. Eine Personalagentur soll eingespannt werden. "Er will nicht bestimmen", betont Scheele, "sondern nur den Anspruch erheben, mitentscheiden zu dürfen." Doch 1860 verwehre Mitsprache und finanziellen Einblick, "wir müssten über den Aufsichtsrat gehen", sagt der Anwalt und moniert, Ismaik werde hingehalten. Dass die Finanzen im Kern des Pokers stehen, lähmt den Verein, der ja trotz allem auf eine Mindestgabe des Investors Ende Mai hofft; dann muss der TSV zwei Millionen Euro nachweisen bei der Deutschen Fußball-Liga.

Die Pointe hierzu: Aus dem Verein wurde verlautet, man könne diesen Nachweis notfalls ohne Ismaik erbringen. Plan B sei möglich. Nach SZ-Informationen stammt aber ein Großteil dieser Rücklage von Ismaik. Kein Wunder, dass insbesondere Schäfer bei Ismaik nicht gut gelitten ist. Er fühlt sich offenbar ausgetrickst.

Der Verein selbst konterte am Nachmittag mit einer kurzen, coolen Erklärung. Die Darlehen seien gültig, nicht kündbar. Ismaik "wurde und wird weiterhin regelmäßig" über die Finanzen informiert, die Vermögensverhältnisse seien "stabil". Auch wird auf 50+1 trocken hingewiesen. Die Lage entschärft dies alles nicht. Und wie es das Schicksal will, naht der nächste Showdown. An diesem Donnerstag ist die außerordentliche Delegiertenversammlung. 1860-Präsident Monatzeder muss sich bestätigen lassen. Die Stimmung an der Basis ist miserabel, im Unternehmer Erich Meidert, der Ismaik schon besuchte, steht ein Kandidat zur Wachablösung bereit. "Herr Monatzeder muss dann klar machen, wie er sich die Zukunft von 1860 vorstellt", sagt Scheele.

Sechzig freilich hat in diesem Zwist den letzten Trumpf auf seiner Seite - den Ismaik schon zu entkräften versucht. "Er schreckt nicht vor Konsequenzen zurück - und wenn es die dritte Liga bedeutet", sagt Scheele. Soll heißen: Notfalls sitzt er diesen Machtkampf aus und pfeift aufs Investment. Das ganz große Theater, es könnte erst noch bevorstehen.

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