Bundesliga: Dieter Hoeneß im Gespräch:"Rangnick ist ein Thema"

Dieter Hoeneß, Manager des kriselnden VfL Wolfsburg, über den Abstiegskampf, das große Missverständnis mit Coach Steve McClaren und den nächsten Trainerversuch.

Boris Herrmann

SZ: Herr Hoeneß, mit Wolfsburg, Bremen und Stuttgart sind drei ehemalige Meister in Abstiegsnot. Einen wird es wohl erwischen.

Pressekonferenz zu Littbarski

Dieter Hoeneß, Manager des VfL Wolfsburg.

(Foto: dpa)

Hoeneß: Kann sein. Ich sage aber: Uns wird es nicht erwischen! Wir werden alles dagegen unternehmen. Natürlich sind wir höchst unzufrieden mit der augenblicklichen Situation. Das hatte sich keiner so vorgestellt, so weit abzurutschen wäre auch nicht nötig gewesen. Wir müssen jedenfalls jetzt alle hellwach sein.

SZ: Haben Sie Ihren neuen Trainer Littbarski instruiert, strenger als sein Vorgänger Steve McClaren aufzutreten?

Hoeneß: Das war nicht nötig. Die Spieler kamen schon vor der Winterpause auf Steve McClaren zu und haben ihn aufgefordert, konsequenter durchzugreifen. Ein Stück weit hat schon damals Littbarski im Training diese Rolle übernommen. Aber Steve war der Chef.

SZ: Weshalb hat der VfL Wolfsburg in dieser Saison erst fünf Spiele gewonnen?

Hoeneß: Es ist zumindest kein Zufall, dass Klubs wie Freiburg, Mainz, Hannover und Dortmund deutlich besser dastehen. Die haben es geschafft, ein Team zu bilden. Im Umkehrschluss muss man sagen, dass wir das nicht geschafft haben. Wir haben genügend Einzelqualität, um im vorderen Drittel der Liga zu sein. Es ist uns aber bislang nicht gelungen, eine eigene Spielphilosophie zu entwickeln.

SZ: Wann haben Sie das festgestellt?

Hoeneß: Stück für Stück. Für mich war unser Pokalspiel gegen Cottbus kurz vor Weihnachten ein Schlüsselspiel. Wir haben uns sehr schlecht präsentiert und 1:3 verloren. Das war ein Symbol dafür, dass wir auf dem falschen Weg sind.

SZ: Es sah aus wie Kick and Rush ohne Rush. Warum haben Sie zunächst trotzdem an McClaren festgehalten?

Hoeneß: Wir dachten, wir könnten die Saison mit ihm zu Ende bringen und die Sache hinbiegen. Und wenn man etwas ändern will, muss man auch eine bessere Variante haben. Man sucht natürlich - auch wegen der Personalplanung - zuerst nach einer strategischen Lösung und nicht nach einer Interimslösung. Wir haben einige Gespräche geführt, aber es war zu diesem Zeitpunkt kein geeigneter Trainer auf dem Markt.

SZ: Und jetzt haben Sie mit Pierre Littbarski doch eine Interimslösung.

Hoeneß: Korrekt.

SZ: Wie lange darf er bleiben?

Hoeneß: Er hat den klaren Auftrag, den Klassenerhalt zu schaffen. Also bis Saisonende, wenn er diesen Auftrag erfüllt.

SZ: Und dann kommt Ralf Rangnick?

Hoeneß: Es ist ja bekannt, dass wir mit ihm schon im Winter gesprochen haben. Er ist ein sehr guter Trainer, stand aber nicht zur Verfügung. Das wäre dann eine strategische Lösung gewesen. Genau so war das auch mit Pierre Littbarski besprochen, er wusste, dass wir vorher mit anderen geredet hatten. Trotzdem hat er sich vor der Verantwortung nicht gedrückt. Aber keine Frage: Ralf Rangnick ist natürlich neben anderen auch für den Sommer wieder ein Thema.

SZ: Haben Sie Einfluss auf die Rangliste der Elfmeterschützen?

Hoeneß: Natürlich nicht. Ich habe allerdings in fast 40 Jahren Fußball auch noch nie erlebt, dass es zwei Mal in einer Saison Diskussionen darüber gibt, wer den Strafstoß ausführt. Wir hatten das Thema ja nicht nur neulich in Hannover mit Diego und Patrick Helmes, sondern auch schon der Hinrunde gegen den FC Bayern mit Diego und Edin Dzeko. Am Ende gingen beide Elfmeter daneben.

"Man bekommt alles ein bisschen teurer angeboten"

SZ: Das klingt nach Führungsschwäche auf der Trainerbank.

Hoeneß: Diego hatte von Steve McClaren jedenfalls gesagt bekommen, dass er, wenn er sich gut fühle, Elfmeter schießen könne. Meines Wissens ist vor dem Spiel in Hannover keine Reihenfolge festgelegt worden. Schon gar keine mit Patrick Helmes, der ja gar nicht in der Startelf war. Er wurde erst nach dem Elfmeterpfiff von außen bestimmt, das konnte man sehen. Diego hatte aber noch im Kopf, dass er schießen könne und nahm sich daher den Ball.

SZ: Wieso wurde Diego dann überhaupt suspendiert?

Hoeneß: Da liegt ein Missverständnis vor. Er ist nicht für die Elfmeter-Situation bestraft worden, sondern für eine verbale Auseinandersetzung, die sich nach dem Spiel zwischen ihm und McClaren in der Kabine zugetragen hat. Das geht natürlich nicht, auch wenn er sich vielleicht ungerecht behandelt fühlte.

SZ: Man hört, dass Diego im Kreise der Mannschaft isoliert sei.

Hoeneß: Das ist Unsinn. Die Mannschaft hat mir mehrfach versichert, dass es da keinerlei Probleme gibt. Das einzige, was wir von Diego wollen, ist, dass er in manchen Situationen die Bälle schneller abspielt.

SZ: Bleibt die Frage, wie aus einem Meisterteam in weniger als zwei Jahren ein Abstiegskandidat werden konnte?

Hoeneß: Felix Magath hat hier als Trainer einen fantastischen Job gemacht. Die Meisterschaft hat das allgemeine Interesse an Wolfsburg ungemein erhöht. Tatsache ist allerdings auch, dass der Verein vor Magath strukturell noch nicht gut für ambitioniertere Ziele aufgestellt war. Magath hat dann die Struktur ein bisschen um sich herum gebaut und als er gegangen ist, hat er das alles wieder mitgenommen. Gleichzeitig sind die Erwartungen und die Ansprüche gestiegen. So gesehen war die Meisterschaft für die Zeit danach auch eine Hypothek. Ich gebe allerdings zu: Der notwendige Neuaufbau dauert jetzt schon länger, als wir uns das vorgestellt haben. Und er wird weitere Zeit brauchen.

SZ: Sie haben Ende Januar sechs neue Spieler verpflichtet. Gilt der Satz noch: Dieter Hoeneß ist kein Freund von Winter-Transfers?

Hoeneß: Nach dem Verkauf von Edin Dzeko mussten wir handeln. Grundsätzlich bleibe ich aber dabei: Im Winter bekommt man in der Regel keine Stammspieler eines anderen Vereins. Oder man bekommt Spieler von einem Klub, der dringend Geld braucht. Oder man bezahlt Mondpreise. Freiburg wollte 19 Millionen für Cissé haben, Kaiserslautern sechs Millionen für den sofortigen Transfer von Lakic. Das darf man natürlich nicht bezahlen. Zumal wir auch dem allgemeinen Irrtum entgegen wirken wollen, dass bei uns Geld keine Rolle spielt.

SZ: Zahlt ein Klub mit einem Autokonzern im Rücken tendenziell immer ein bisschen mehr als andere?

Hoeneß: Nein, aber man bekommt zunächst einmal alles ein bisschen teurer angeboten. Aber das muss man ja nicht mitmachen. Im Übrigen wird der VfLWolfsburg in diesem Jahr zum ersten Mal seit langem einen Transfer-Überschuss erwirtschaften.

SZ: Weil Sie Dzeko für 35 Millionen verkauft haben.

Hoeneß: Dzekos Abschied war aufgrund seiner steigenden Unzufriedenheit irgendwann unvermeidlich. Das Thema hatte ich ja geerbt, das kam gleich nach der Meisterschaft auf. Wir haben jetzt aber auch zielgerichtet investiert. Wir haben mit Helmes, Polak, Tuncay und dem ausgeliehenen Mbokani Leute geholt, die unmittelbar im Abstiegskampf helfen. Mit Orozco und Koo sind zudem zwei Perspektivspieler gekommen, die gerade auf dem Markt waren. Von Panikkäufen kann da nicht die Rede sein. Die Ballung von fünf Transfers am letzten Tag war eher Zufall. Mit Stoke City haben wir beispielsweise bis zwanzig Minuten vor Ende der Frist über Tuncay verhandelt.

Das ganze Interview mit Dieter Hoeneß lesen Sie in der Süddeutschen Zeitung vom 19./20. Februar.

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