Interview: Viktoria Rebensburg:"Ich muss und will mich auf meine Instinkte verlassen"

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Skirennfahrerin Viktoria Rebensburg, 21, über ihren Disziplinsieg im Riesenslalom, ihren Respekt vor der Abfahrt und ihre Hoffnung, um den Gesamtweltcup zu kämpfen.

Interview: Michael Neudecker

SZ: Frau Rebensburg, am Wochenende hat nicht nur Maria Riesch den Gesamtweltcup gewonnen, sondern Sie haben auch die kleine Kristallkugel als Saisonbeste im Riesenslalom bekommen. Sie beide haben dabei von der Absage des letzten Rennens am Samstag profitiert.

Viktoria Rebensburg und ihre erste Kristallkugel für den Sieg im Riesenslalom-Weltcup. (Foto: Getty Images)

Rebensburg: Ja, ich war im Flur, unten im Hotel, und wollte gerade meine Skischuhe anziehen, da haben sie mir gesagt, dass das Rennen gestrichen ist. Das war schon ein komisches Gefühl, da rumzustehen und das zu erfahren.

SZ: Haben Sie sich dann gleich mit Maria Riesch ausgetauscht?

Rebensburg: Sie war da gerade im Auto, ich war im Hotel, dann ist sie ausgestiegen, ich bin rausgegangen, und wir haben uns umarmt. Das war sehr emotional, es ist ja super, die Kugel zu gewinnen. Man wird damit belohnt für Konstanz auf hohem Niveau.

SZ: Sie haben in dieser Saison drei Rennen gewonnen und sind zweimal Zweite geworden. In der Szene sagt man, Sie hätten einen eigenen, wilden Stil . . .

Rebensburg: . . . ja, das höre ich auch immer wieder, dass ich einen anderen Stil fahre als die meisten anderen. Allerdings würde ich den weniger als wild beschreiben, eher könnte man von kalkuliertem Risiko sprechen. Ich bewege mich am Limit, was ich aber auch tun muss, wenn ich gewinnen will. Grundsätzlich komme ich vom Riesenslalom, aber ich möchte mich jetzt schon auch in Richtung Abfahrt und Super-G bewegen, um dort kommende Saison um die Podestplätze mitfahren zu können.

SZ: Mancher im Verband hätte Sie schon in der Vergangenheit gerne häufiger bei Speedrennen gesehen.

Rebensburg: Ich habe vor der Saison gesagt, Abfahrt hat für mich keine Priori-tät, sondern Riesenslalom und Super-G, ich bestreite nur die Abfahrten, die gut in den Terminkalender passen. So habe ich das dann auch gemacht. Für die neue Saison verschieben sich die Ziele sicherlich. Ich hab' mich nun an die Abfahrt herangetastet, es macht mir Spaß.

SZ: Wie groß ist Ihr Respekt, wenn Sie bei einer Abfahrt am Start stehen?

Rebensburg: Früher war gelegentlich Angst dabei, da wollte ich nur heil runterkommen. Aber je mehr Abfahrten man mitmacht, desto weniger wird die Angst. Der Respekt ist zwar noch da, aber den braucht man bei einer Abfahrt, sonst wird's gefährlich. Natürlich kommen immer wieder Abfahrten, wo ich bei der Besichtigung denke: Puh, was kommt da auf mich zu?

SZ: Wie besichtigen Sie vor den Rennen? Sind Sie akribisch?

Rebensburg: Naja, ich brauche beim Besichtigen nicht so lange, ich bin immer eine der Ersten, die unten ankommen. Ich finde, man muss aus dem Bauch raus fahren. Es gibt genügend Fahrer, die sehr akribisch sind und bei denen das super funktioniert. Aber bei mir ist es eben so, dass ich mich nicht zu sehr auf eine Linie fixiere, sondern versuche, aus dem Gefühl heraus Ski zu fahren. Ich muss und will mich auf meine Instinkte verlassen.

SZ: Sind Sie auch als Mensch so?

Rebensburg: Ja, doch, ich glaube schon. Ich bin spontan. Obwohl das schwierig ist, sich selbst zu beschreiben ... aber, doch, das stimmt schon so.

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SZ: Sie haben mit dem Olympiasieg schon eine außergewöhnliche Erfahrung gemacht. Beschleunigt so etwas den Reifeprozess, den man als junger Mensch durchmacht?

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Rebensburg: Schwierig zu sagen. Wenn ich in meinen Freundeskreis schaue, glaub' ich aber schon, dass ich Erfahrungen gemacht habe, die andere nicht machen konnten. Allerdings ist mir klar, dass die im Zusammenhang mit dem Sport stehen. In anderen Bereichen fehlen mir wiederum Erfahrungen.

SZ: Verändert sich das Gefühl nach einem Sieg, wenn man es häufig erlebt?

Rebensburg: Da muss ich kurz überlegen . . . hmm, nein, jeder Sieg ist schön. Klar, bei Olympia hab' ich mich selber überrascht, das ist jetzt nicht mehr so. Aber dass der erste Sieg etwas Besonderes ist, noch dazu, wenn er bei Olympia passiert, ist ja logisch. Ich hoffe mal, dass noch viele Siege dazukommen, dann auch in einer anderen Disziplin.

SZ: Sie sind vor der Saison zur Agentur gewechselt, die den Fußballer Philipp Lahm betreut. Beschäftigen Sie sich mit dem Thema Vermarktung?

Rebensburg: Im Sommer mehr als im Winter, das interessiert mich auf jeden Fall. Ich bin schon eine, die nachfragt, weil ich vieles genauer wissen will.

SZ: Wie wichtig sind Ihnen Berater?

Rebensburg: Es ist sehr gut, wenn man jemanden hat, mit dem man sich austauschen kann, da bin ich sehr froh. Aber ich habe auch meine eigenen Dinge im Kopf. Ich hab' meine Ziele und weiß, was ich dazu brauche.

SZ: Haben Sie ein bestimmtes Ziel, das Sie am Ende Ihres Sportlerlebens erreicht haben möchten?

Rebensburg: Langfristig gesehen möchte ich um den Gesamtweltcup mitreden. So was zu planen, ist nicht so einfach, da gehört viel dazu, aber man braucht ja nun mal Ziele. Und der Gesamtweltcup ist das Größte.

SZ: Sie fahren seit mehreren Jahren für denselben Ski-Ausrüster, eine sehr kleine Firma, obwohl Sie im Sommer einen Wechsel erwogen haben. Was Ihre Vermarktung angeht: Wäre da nicht eine größere, präsentere Firma sinnvoller?

Rebensburg: Ich bin mit dem Ski Olympiasieger geworden, und: In einer kleineren Firma bin ich keine Nummer, sondern dort werden die Ski für mich gebaut. Außerdem hab' ich einen eigenen Servicemann bekommen. Mit dem diskutiere ich oft über die Ski, das ist mir wichtig, das interessiert mich schon, Materialaufbau und Skizusammensetzung.

SZ: Manche Skirennfahrer haben eine Art Beziehung zu einem bestimmten Ski. Ist das bei Ihnen auch so?

Rebensburg: Also, mein Olympiasiegerski steht im Keller von meinem Servicemann, und im Sommer wird der Ski zu mir rüberwandern. Aber Beziehung, nein, das ist bei mir nicht so. Ich fahre pro Saison drei oder vier Paar Rennski, ich bin aber nicht fixiert auf ein bestimmtes Paar. Ich fahre halt mit dem Paar, das das schnellste ist.

SZ: Und wo ist Ihre Medaille?

Rebensburg: Die liegt noch in meinem Zimmer auf der Kommode. Aber im Sommer ziehe ich um, meine Eltern vermieten Ferienwohnungen, da bekomme ich eine für mich allein. Da werde ich mir dann bestimmt eine Ecke einrichten, wo sicher auch die Medaille ihren Platz bekommt.

SZ: Sie haben nun noch die deutsche Meisterschaft in Garmisch-Partenkirchen vor sich und dann die Zoll-WM, danach ist die Saison auch für Sie vorbei. Freuen Sie sich schon auf den Sommer?

Rebensburg: Oh ja! Saftige, grüne Wiesen, baden, draußen rumsitzen, kurze Hosen anhaben, das wird super. Aber ich glaube, da freut sich jeder von uns drauf.

© SZ vom 22.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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