Interview mit Werner Lorant:,,Angst, pah, die sollte man nicht haben''

Unterhachings Trainer Werner Lorant vor dem Wiedersehen mit 1860 über unfaire Politiker, flinke Habichte und Härte im Abstiegskampf.

Kathrin Steinbichler und Michael Neudecker

SZ: Herr Lorant, das Derby gegen die Löwen steht an, vor mehr als 60000 Zuschauern. Kribbelt es schon? Lorant: Für mich ist das nichts Besonderes, ich bin solche Zuschauerzahlen gewohnt. Ob da 60000 oder 5000 sind, das ist mir sowas von egal. Was habe ich davon, dass da 60000 kommen? Das ist doch unwichtig, entscheidend ist, dass meine Mannschaft erfolgreich Fußball spielt. Wir wollen Punkte holen, und ob wir da gegen Paderborn oder Sechzig spielen - der Spieltag gibt das so her.

Lorant Unterhaching 1860

"Der Habicht, das werde schon ich sein": Werner Lorant.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Würden Sie am Sonntag gerne auf der anderen, der Löwen-Seite stehen? Lorant: Überhaupt nicht, ich stehe auf dieser Seite.

SZ: Aber 1860-Mitglied sind Sie noch? Lorant: Das eine hat ja nichts mit dem anderen zu tun. Jetzt bin ich hier in Haching Trainer, und ich bin Profi genug, um das auseinander zu halten. Ich mag die Sechzig-Fans, alles andere hat mich nicht zu interessieren.

SZ: Sie nennen nur die Fans. Lorant: Ja, die Fans, die mag ich, und sie mögen mich. Deswegen mag ich auch den Verein, sonst wäre ich ja schon längst ausgetreten. Und mich ärgert's, wenn sie verlieren. Genauso wie es mich ärgert, dass sie in der zweiten Liga spielen statt in der ersten. Das ärgert mich als Mitglied und als früheren Trainer, und nichts anderes.

SZ: Daran, noch einmal Löwen-Trainer zu werden, denken Sie nicht? Lorant: Nein, gar kein Gedanke daran. Dass die Fans mich immer wieder mal fordern, das ist eben so. Das registriert man, das freut einen, aber mehr auch nicht. Ich habe nie einen Gedanken gehabt, da wieder Trainer zu werden.

SZ: Warum? Lorant: Ich war dort rund zehn Jahre, und die Zeit bei Sechzig war ja nicht schlecht. Aber glauben Sie, dass ich diese Zeit nochmal wiederholen könnte? Nein. Ich würde niemals wieder zehn Jahre in einem Verein machen. Was für Dank habe ich denn gekriegt? Keinen. Man darf auch nicht vergessen, was zum Schluss war. Was wichtige Leute da in der Stadt gequatscht haben, wie die unfair waren. Das vergesse ich nicht. Ich bin nicht nachtragend, aber das vergesse ich nicht - auch wenn mein Herz noch am Verein hängt. Aber man kann nichts wiederholen. Der Daum hat in Köln gedacht, er kann wiederholen, was er schon mal gemacht hat, aber das geht einfach nicht.

SZ: Vor Ihrem Abschied 2001 warf Ihnen Bürgermeister Hep Monatzeder vor, Sie würden sich nicht mehr ändern. Haben Sie sich geändert? Lorant: Warum redet der über Fußball? Der soll über Politik reden, aber nicht über Fußball, tut mir leid. Aber man wird älter, man lernt dazu, man wird erfahrener. Nicht ruhiger, aber erfahrener. Man wird ein bisschen anders, ein bisschen schlauer. Und die Zeit war eine andere. Mit Sechzig wollte ich ganz oben spielen, mit dem Verein wäre noch viel mehr möglich. Aber dann kam das Stadion dazwischen, plötzlich war die Mannschaft unwichtig. Ich habe gesagt: Stadion schön und gut, die Stadt braucht das, aber vergesst eure Mannschaft nicht, die gewinnen muss. Und zwar in der ersten Liga, nicht in der zweiten.

,,Angst, pah, die sollte man nicht haben‘‘

SZ: Jetzt hat Bayern ein Stadion, Ha-ching auch, nur 1860 nicht. Lorant: Das ist nicht mein Problem. Aber es ist natürlich schade bei einem so großen Verein.

Lorant Daum

Werner Lorant und Christoph Daum, im Jahr 2002 als Trainer von Fenerbahce und Besiktas Istanbul.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Haben Sie von den Leuten wie Monatzeder, die sich damals geäußert haben, inzwischen wieder etwas gehört? Lorant: Nein, da liegt mir aber auch gar nichts dran. Wer mir ans Bein pinkelt, den brauch' ich nicht mehr.

SZ: Können Sie da nicht verzeihen? Lorant: Doch, schon. Aber es muss immer fair sein. Und die waren unfair, Ende. Aber Politiker sind so.

SZ: Was hat Sie trotzdem gereizt, zurück nach München zu kommen? Lorant: Mein Glück war, dass ich gerade zu Hause war, als Haching anrief. Ich habe überlegt und dann zugesagt. Es macht mir Spaß, jemandem zu helfen.

SZ: Haben Sie nicht Angst, dass bei einem Misserfolg Ihr Name kaputt geht? Lorant: Ach, ich habe schon meinen Namen in Deutschland. Ob positiv oder negativ, das ist mir sowas von scheißegal. Das ist mir doch egal, was die Leute denken. Man kann es sowieso nicht allen recht machen.

SZ: Haben Sie das Gefühl, in Unterhaching so akzeptiert zu sein, wie Sie sind? Lorant: Ich darf hier so sein, wie ich bin, ja. Und das ist schön. Die Jungs wissen, wie ich bin und was ich verlange.

SZ: Mal ehrlich: Haben Sie sich vor dem Angebot ernsthaft für Unterhaching interessiert? Lorant: Man weiß ja nie, wo man später mal landet. Ich mache mir keine Gedanken über andere Vereine, was soll das auch. Jetzt haben mich zwar alle ausgelacht, aber das ist doch egal, wo ich bin und in welcher Liga. Egal ob erste, zweite Liga oder Regionalliga. Es muss Spaß machen, das ist wichtig.

SZ: Und? Macht es Spaß? Lorant: Ja, es macht sogar sehr viel Spaß, ist doch schön hier. Hierher zu fahren, hier zu arbeiten. Oder glauben Sie, ich hätte gedacht, dass ich der Wunderheiler bin, der hierher kommt und Hand auflegt? Ha, nein. So dumm bin ich nicht.

SZ: Sie wollten sieben Punkte aus den restlichen Spielen. Das bedeutet: Ab jetzt keine Niederlage mehr. Lorant: Wir könnten die Punkte schon haben, wir haben sie nur nicht wegen der eigenen Dummheit. Es ist ja nicht so, dass wir nicht gut genug sind, sondern das war Dummheit. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass wir das noch schaffen.

SZ: Sind Sie zufrieden mit der Entwicklung Ihrer Mannschaft? Lorant: Naja, wir haben jetzt fünf Spiele zusammen gehabt, davon zwei verloren, zwei gewonnen, ein Unentschieden. Wir durften keines davon verlieren. Das ist das Problem hier: Jaja, gut gespielt, gut gespielt, ah ja. Gut spielen, das interessiert mich nicht, das verlange ich sowieso von meiner Mannschaft.

SZ: Was müssen Ihre Spieler ändern, abgesehen von der Chancenverwertung? Lorant: Also, läuferisch kann ich ihnen keinen Vorwurf machen, da hat der Kollege Deutinger sensationelle Arbeit geleistet. Aber ihre Masche war immer das gleichförmige Laufen, und das muss anders werden. Zum Fußball gehören Tempowechsel, wie im Leben, und daran werden wir weiter arbeiten.

,,Angst, pah, die sollte man nicht haben‘‘

Lorant

Keine Angst: Werner Lorant beim Fallschirmspringen.

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Präsident Engelbert Kupka sagt, Sie hätten die Gehirne der Spieler durchgerüttelt. Was heißt das? Lorant: Es geht darum, bei Spielern klipp und klar anzusprechen, was ich von ihnen verlange. Der eine Spieler hat die Qualität, der andere hat die Qualität. Aber laufen müssen alle, da gibt es keine Ausnahme. Und man muss immer prüfen, muss sie immer zur Leistung treiben. Da braucht man ein bisschen Geschick dazu, um zum richtigen Zeitpunkt das Richtige zu sagen. Spieler wollen auch wissen, dass du ehrlich zu ihnen bist.

SZ: Ist Ihre Mannschaft gut genug für den Klassenerhalt? Lorant: Die ist viel besser als ihr Tabellenstand und auch viel besser als die letzten Ergebnisse mit mir. Nur: Ich muss Punkte mitnehmen, wenn ich gut spiele. Das schlechteste Spiel haben wir zu Hause gegen Koblenz gemacht, ausgerechnet das haben wir 1:0 gewonnen. Da haben alle gejubelt, aber ich habe gesagt: Jungs, ein Scheißspiel war das von uns, wir haben einfach Glück gehabt. Solche Dinge muss man einer Mannschaft klipp und klar sagen, die muss doch wissen, woran sie ist. Als Fußballer muss ich auch Kritik vertragen und daraus lernen können.

SZ: Sie freuen sich auf so ein umkämpftes Spiel wie das Derby, nicht wahr? Spieler haben oft Angst vor solchen Spielen. Lorant: Angst, pah, die sollte man nicht haben. Das ist eine Charakterfrage. Es gibt so viele Menschen, die viel reden, aber keinen Arsch in der Hose haben.

SZ: Entspannen Sie sich denn zu Hause in Oberdorfen noch bei Ihren Tauben? Lorant: Nein, die hat inzwischen alle der Habicht gefressen. Das Einzige, was ich von denen noch hatte, waren die Federn am Boden, die übrig geblieben sind. Aber mein Garten ist ja auch mein Hobby, da mache ich alles selber. Mein Handy ist da auf lautlos, am Abend setz' ich mich an den Teich und sehe die Fische schwimmen, da beruhige ich mich. Man muss ja auch mal Feierabend haben.

SZ: Schwer vorstellbar, Sie im Garten, mit den zarten Pflänzchen... Lorant: Ja, warum denn nicht, ich rede sogar mit den Pflanzen, da wachsen die am besten! Das funktioniert wirklich, die werden schön so.

SZ: Mit Spielern muss man ja auch reden, damit sie was werden. Lorant: Ich rede immer mit den Spielern. Aber man darf auch nicht zu viel reden, die Spieler müssen auch selber wissen, was zu tun ist, müssen sich selber Gedanken machen. Wichtig ist immer: Ich muss etwas machen, nicht der andere, ich, ich!

SZ: Der Habicht ist Ihnen dann wahrscheinlich sympathischer als die Taube? Lorant: Ja, ist doch normal. Wenn du nicht flink bist, sind's die anderen. Meine Söhne haben geschimpft, haben gesagt: Schieß' den runter. Aber was soll ich denn tun? Der hat Hunger! Soll ich ihm was Böses wollen, nur weil er essen und trinken will, oder wie?

SZ: Sie hätten Ihren Tauben ja auch einen Schutz bauen können. Lorant: Hab' ich gemacht, aber du kannst die ja nicht immer nur einsperren. Irgendwann wollen die halt mal raus, und der Habicht wartet dann schon.

SZ: Man kann einen Verein wie Unterhaching auch nicht immer in der Idylle schützen, oder? Lorant: Nein, das geht auch nicht. Das muss man doch wissen.

SZ: Wer ist denn nun beim Derby der Habicht, und wer die Taube? Sechzig oder Haching? Lorant: Der Habicht, der werde schon ich sein.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: