Interview mit neuem U-21-Trainer:"Einige schnuppern am A-Team"

Der neue U-21-Nationaltrainer Rainer Adrion über seine Ziele, Karriere-Beschleuniger und die Kunst des disziplinierten Autofahrens.

Interview: Sebastian Winter

Lange Zeit gab es Diskussionen um Rainer Adrion. Der VfB Stuttgart wollte den Trainer seiner zweiten Mannschaft und Talentscout nicht ziehen lassen - bis der Präsident des Deutschen Fußball Bundes (DFB), Theo Zwanziger Anfang 2009 dem damaligen VfB-Sportchef Horst Heldt die Freigabe abringen konnte. Die Liste der Emporkömmlinge unter Adrions Händen ist lang, auch deshalb war er ein Wunschkandidat des DFB. Mario Gomez, Alexander Hleb, Andreas Hinkel, Kevin Kuranyi oder Timo Hildebrand durchliefen seine Schule.

Interview mit neuem U-21-Trainer: Rainer Adrion, neuer Trainer der U-21-Nationalmannschaft.

Rainer Adrion, neuer Trainer der U-21-Nationalmannschaft.

(Foto: Foto: Reuters)

sueddeutsche.de: Herr Adrion, herzlichen Glückwunsch zum EM-Titel. Sie waren selbst dabei, obwohl die Verantwortung der U 21 noch bei Horst Hrubesch lag. Was haben Sie entdeckt während der Woche in Schweden?

Rainer Adrion: Ich konnte mir einen Überblick machen, wie das Team zusammenarbeitet, wie man sich vorbereitet auf eine EM. Und ich habe persönliche Gespräche geführt mit Horst Hrubesch, Matthias Sammer und dem Stab der A-Nationalmannschaft um Joachim Löw und Oliver Bierhoff. Das war ein gegenseitiges Beschnuppern. Ich habe mich aber zurückgehalten, da ich erst seit dem Ende der EM zuständig bin. Als Trainer will ich ja auch nicht, dass sich irgendwelche Leute einmischen.

sueddeutsche.de: Sie sind schon nach dem Gruppenspiel gegen England abgereist und haben Halbfinale und Finale am Fernseher verfolgt. War die TV-Analyse aufschlussreich?

Adrion: Wir haben uns während des Turniers gesteigert. Ich glaube, dass der körperliche und geistige Zustand unseres Teams den Ausschlag gegeben hat. In der zweiten Hälfte gegen Italien und im Finale konnten wir noch mal richtig zulegen. Im Finale waren wir sogar so flexibel, das System umzustellen. Eine tolle Reaktion.

sueddeutsche.de: Sie übernehmen mit dem heutigen Tag junge Europameister von Horst Hrubesch. Ein ziemlich schweres Erbe, oder?

Adrion: Ich glaube nicht, dass es durch den Erfolg für mich schwerer wird. Eines ist wichtig: Ich freue mich sehr über diesen Titel, weil ich acht Tage bei der Mannschaft war und sehen konnte, was man dafür getan hat. Ich will eng mit Joachim Löw und der A-Nationalmannschaft arbeiten, weil die U 21 deren Vorstufe ist. Spieler wie Neuer, Özil, Marin oder Boateng sind durch dieses Turnier in ihrer Entwicklung weitergekommen und rücken näher ans A-Nationalteam heran. Das ist ja das eigentliche Ziel.

sueddeutsche.de: Wie nah sind die Spieler denn schon am großen Nationalteam?

Adrion: Da möchte ich mich nicht einmischen. Ich kann mir aber schon vorstellen, dass der eine oder andere reinschnuppert. Und Spieler wie Sandro Wagner, die in Schweden nur im Finale zum Einsatz kamen, werden nun in ihren Vereinen einen ganz anderen Stellenwert haben. Der beste Beschleuniger einer Spielerkarriere ist immer das persönliche Erfolgserlebnis. Sie sind jetzt Europameister und tragen diesen Titel ihr Leben lang. Die Vereine sind aufgerufen, diesen Spielern das Vertrauen zu schenken.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie das den Vereinen vermitteln, die so sehr unter Erfolgsdruck stehen?

Adrion: Ich werde versuchen, Kontakt mit den Bundesligatrainern aufzunehmen wegen der Spieler, die für mich relevant sind. Dieser Kontakt ist mir sehr wichtig, da im September ja schon die nächsten Qualifikationsspiele für die Europameisterschaft in Dänemark sind ...

sueddeutsche.de: ... für die Sie sich sicher qualifizieren wollen.

Adrion: Natürlich, auch wenn das nicht einfach wird. Nur der Erste kommt weiter und Tschechien ist ein starker Konkurrent. Aber wir müssen uns Ziele setzen. Das nächste wäre das EM-Halbfinale und damit die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 in London.

sueddeutsche.de: U 17, U 19, U 21: Alle wurden 2008 und 2009 Europameister. Wo soll das noch hinführen?

Adrion: Gute Frage. Der DFB hat die Nachwuchsarbeit durch das Talentförderprogramm in den vergangenen Jahren enorm intensiviert. Ich denke an die Leistungszentren, die jeder Bundesligist haben muss, Stützpunkte, in denen die Talente trainieren können, die neu eingeführte Bundesliga bei B- und A-Jugendlichen, die Dritte Liga. Das alles dient der Ausbildung der Talente. Aus diesem Reservoir können wir uns jetzt die Besten raussuchen.

sueddeutsche.de: Wie wollen Sie das Team nun motivieren nach diesem Triumph?

Adrion: Ich muss schauen, welche Spieler mir noch zur Verfügung stehen. Rein altersmäßig sind noch neun Europameister für die neue U 21 spielberechtigt. Es muss geklärt werden, ob Topleute wie Özil oder Marin bei mir oder Joachim Löw im Kader sind. Ich muss ein komplett neues Team aufbauen. Das wird schon ein richtiger Umbruch.

sueddeutsche.de: Der Präsident des Deutschen Fußball Bundes Theo Zwanziger will dem Autofahrer Horst Hrubesch nun weiterhin Knöllchen bezahlen, die wohl nicht selten im Briefkasten des DFB liegen.

Adrion (lacht): Die Leistung von Horst Hrubesch kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Er hat für den DFB einen riesigen Imagegewinn gebracht und von daher kann man ihm schon mal was Gutes tun.

sueddeutsche.de: Wünschen Sie sich das auch für künftige Fahrten von ihrem Wohnort bei Stuttgart nach Frankfurt?

Adrion: Ich bin ein sehr disziplinierter Autofahrer.

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