Interview mit jungem Rad-Profi Kittel:"Mir wird richtig schlecht"

Der aufstrebende deutsche Sprinter Marcel Kittel spricht im Interview mit der SZ über sonderbare Reaktionen im Feld der Radprofis zur Verurteilung von Lance Armstrong, die Probleme einer Erneuerung im Radsport und warum Deutschland ein hartes Anti-Doping-Gesetz braucht.

Andreas Burkert

Cycling Tour of Oman

Marcel Kittel, hier bei einem Sieg bei einem Rennen im Oman.

(Foto: picture alliance / dpa)

Am Ende einer historischen Woche, in der das Dopingurteil gegen Lance Armstrong und die Aberkennung seiner sieben Tour-Siege auch formal bestätigt wurde, hat erstmals ein namhafter Fahrer der neuen Radsport-Generation klar Stellung zum tiefen Fall des Texaners und notwendigen Konsequenzen bezogen.

"Wir müssen den Kampf gegen Doping jetzt endlich vorantreiben, und zwar nicht nur mit mehr Kontrollen", sagte der aufstrebende deutsche Sprinter Marcel Kittel in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Samstags-Ausgabe). "Ich denke, gerade in Deutschland wäre ein hartes Anti-Doping-Gesetz sehr wichtig. Es ist doch einfach ein Unterschied, wenn man als Strafe zwei Jahre nicht Radrennen fahren kann - oder ob man vielleicht sogar im Gefängnis sitzt", so der 24-jährige Profi aus Arnstadt, der für den holländischen Argos-Rennstall fährt.

Hart ins Gericht geht der Thüringer mit Fahrerkollegen, die Armstrong zuletzt trotz der erdrückenden Beweislast der US-Anti-Doping-Agentur (Usada) fortwährend unterstützten. "Mir wird wirklich richtig schlecht, wenn ich höre und lese, dass Contador, Valverde, Sanchez oder ein Induraín Armstrong weiter unterstützen", ereiferte sich Kittel. "Sie sind einfach nur unglaubwürdig, das stinkt mir gewaltig und nervt. Angesichts von 1000 Aktenseiten - und das ist ja nicht mal der komplette Report - ist mir unverständlich, wie jemand das ignorieren und meinen kann, das habe sich jemand aus den Fingern gesogen."

Auch mit den von Korruptions-Vorwürfen begleiteten Weltverband UCI kritisierte Kittel, der in seinem ersten Profijahr 2011 mit 17 Siegen zum bislang erfolgreichsten Debütanten der Historie aufgestiegen war. Der umstrittene UCI-Präsident Pat McQuaid hatte gefordert, der Radsport müsse Armstrong rasch vergessen. "Das wäre komplett falsch", entgegnete Kittel. "Um es mal überzogen zu sagen: Wir haben den Zweiten Weltkrieg zum Glück auch nicht vergessen. Man kann jetzt nicht so tun, als ob da gerade ein Krieg zu Ende gegangen sei."

Im Gegensatz zu McQuaid, der Kronzeugen wie die früheren Armstrong-Kollegen Floyd Landis und Tyler Hamilton als "Drecksäcke" bezeichnet hatte, wertet Kittel deren Aussagen als wertvoll: "Ich finde schon, dass man ihnen dankbar sein muss. Wer sich den Armstrong-Report durchliest, versteht, was es für einen Gruppenzwang und Druck gab. Jetzt auszusagen, braucht Mut. Andererseits haben sie mitgemacht; für mich ist schwer vorstellbar, wie jemand in so einem Dopingsystem mitarbeiten kann. Aber wir brauchen diese Leute, damit wir endlich gewisse Leute aus dem Sport herausbekommen."

"Ich lasse mich nicht unter Druck setzen"

Dass sein jetziger Vorstoß für ihn Folgen haben könne, glaubt Kittel nicht. "Ich lasse mich nicht unter Druck setzen, und glauben Sie mir, es gibt viele junge, neue Fahrer, die mit dem alten Radsport nichts mehr zu tun haben wollen", sagte er. "Und man macht nie etwas falsch, wenn man eine Meinung hat und den Mund aufmacht. Wir müssen daran arbeiten, die Fahrergewerkschaft stärker zu machen und dort auch den jungen Fahrern eine Stimme zu geben. Wir brauchen jetzt einfach mehr Kämpfer im Radsport."

Dass Doping aus dem Radsport verschwindet, glaubt Kittel nicht. "Da mache ich mir keine Illusionen. Andererseits glaube ich, dass sich, wenn Fahrertypen wie ich oder auch John Degenkolb sauber Sprints gewinnen können, schon etwas getan hat", sagte er. "Aber man kann nicht sagen: Jetzt ist schon alles besser. Der Radsport kann sich leider beim Thema Doping niemals mehr ausruhen."

Marcel Kittel zählt zu den größten Talenten des internationalen Radsports. Der Junioren-Weltmeister im Zeitfahren von 2005 und 2006 gewann vergangene Saison unter anderem eine Etappe der Vuelta. 2012 glückten ihm 13 Siege, darunter im Frühjahr der Gewinn des prestigeträchtigen Scheldepreises in Flandern. Beim Debüt bei der Tour de France im vergangenen Juli musste er früh verletzt aufgeben.

Das komplette Interview lesen in der Samstagsausgabe der Süddeutschen Zeitung und im iPad.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: