Interview mit Hermann Gerland:"Er ist noch besessener"

Hermann Gerland, Trainer des FC Bayern II und Assistent von Louis van Gaal, über seinen Chef, die Entdeckung des Laptops und wie man Fußballer für eine WM ausbildet.

Interview: Ralf Tögel und Benedikt Warmbrunn

Hermann Gerland wartet im Aufenthaltsraum des Jugendhauses des FC Bayern. Er hat schlechte Laune, sagt er, seine Mannschaft hat verloren. Vor ihm stehen eine Tasse Kaffee und ein Brötchen. Beide werden im Laufe des Gesprächs zu Spielern, genauso sein Autoschlüssel, sein Handy und das Diktiergerät. Manchmal springt der Trainer des FCBayern II auf, hüpft durch den Raum und stellt eine Spielszene nach. Sein Achillessehnenriss aus dem Sommerurlaub? Verheilt - oder vergessen.

Hermann Gerland FC Bayern München

"Vorher habe ich gesagt: Mia san mia, die anderen interessieren mich nicht." Jetzt lässt Hermann Gerland den Gegner per Laptop analysieren. 

(Foto: online.sdesport)

SZ: Herr Gerland, zuletzt wurden Sie häufig dafür gelobt, dass Sie Louis van Gaal vor einem Jahr von dem damals unbekannten Thomas Müller überzeugt haben. Wie macht man das, van Gaal von etwas überzeugen?

Gerland: Den kann man nicht überzeugen. Man kann seine Meinung äußern, er kontrolliert sie. Bei Müller, Badstuber, Contento, Alaba und Ekici war das so: Er kannte sie nicht und hat mich gefragt, welche Fähigkeiten sie haben. Dann hat er im Training zugeschaut, sie spielen lassen und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass meine Aussagen den Tatsachen entsprechen.

SZ: Wovon hat van Gaal Sie überzeugt?

Gerland: Ich denke, ich habe von ihm profitiert. Weil er besessener ist als ich. Ich habe schon geglaubt, ich wäre besessen. Aber er ist noch besessener und noch akribischer.

SZ: Wie sehr hat Sie das verändert?

Gerland: Vorher habe ich gesagt: Mia san mia, die anderen interessieren mich nicht. Jetzt haben wir den Gegner beobachten lassen, haben alles mit Laptops an die Tafel werfen lassen, alles, wie es die Profis machen. Okay, wir haben verloren (0:1 in Babelsberg; d.Red.). Aber ich arbeite weiter so. Ich habe gesehen, wie die Profis nach dem ersten schweren Drittel Fußball gespielt haben. Da will ich auch hinkommen mit den Jungs.

SZ: Das mit den Laptops, das klingt nicht nach Hermann Gerland, wie man ihn früher kannte. Sind Sie glücklich damit?

Gerland: Ich muss mich doch weiterentwickeln! Wenn ich weiß, Nummer 26 kann weit einwerfen, die 22 auch, dann steht da: Achtung, weiter Einwurf! 26 und 22! Und dann lässt sich unser Innenverteidiger den Ball über den Kopf werfen. Ich hatte früher nie diese Informationen. Aber wenn ich einen gesehen habe, der plötzlich 30 Meter wegläuft und einer einen weiten Anlauf nimmt, dann wusste ich, dass der so weit werfen kann.

SZ: Sie sind gleichzeitig Co-Trainer der Profis. Wie detailliert stimmen Sie sich mit van Gaal ab?

Gerland: Es ist nicht so, dass der hinkommt und sagt: Hey, heute machst du Einwurf und morgen machst du das. Wir haben einen Trainingsphysiologen, Jos van Dijk, der gibt den Plan vor. Aber da kontrolliert keiner. Wenn da steht: Viermal sieben Minuten sechs gegen sechs auf zwei Feldern, aber mir das nicht gefällt, dann spiele ich viermal zehn Minuten sechs gegen sechs. Die Vorgaben sind da, das wird abgesprochen, keine Frage. Hinterher müssen die den Pass ja spielen können, wenn sie eingesetzt werden. Deswegen habe ich mit den Jugendtrainern alle Passspiele durchgespielt und ihnen gezeigt, worauf sie achten müssen.

"Als ich schön war, wollten sie mich ja nicht sehen"

SZ: Was umfasst diese Zusammenarbeit noch?

Gerland: Die trainieren unter einem der besten Trainer der Welt. Ich kann nicht sagen, wer der Beste ist, weil ich die anderen nicht kenne. Aber er gehört zu dem elitären Kreis. Er weiß, was die Spieler können und was sie lernen müssen. Wenn ich da nicht konzentriert bin und mich aufs Training freue, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.

SZ: Haben manche Ihrer Spieler ein Problem mit der Einstellung?

Gerland: Es gibt Menschen, die sind so und die kann man nicht ändern. Ich werde immer laut und aggressiv sein, weil der liebe Gott mir das mitgegeben hat. Er hat mir auch ein gutes Auge mitgegeben, damit ich erkenne: Aha, der kann das spielen, der nicht. Aber ich bin nicht der Psychologe, der den Jungen tröstet, wenn ich ihm zum 28. Mal gesagt habe, dass er aus dem Winkel in die lange Ecke schießen muss und er zum 28. Mal am kurzen Eck vorbeigeschossen hat. Dann gehe ich nicht zu ihm hin und sage: "Mein armer Junge, vielleicht klappt es beim nächsten Mal." Wir haben ein hohes Anspruchsdenken an die technisch-taktisch-spielerischen Fähigkeiten, aber auch an die Einstellung des Einzelnen. Wir müssen ausbilden für die Weltmeisterschaft. Das ist ja bewiesen worden: Wenn du bei Bayern München einen Stammplatz hast, spielst du bei der WM.

SZ: Was ist für Ihre Mannschaft in dieser Drittliga-Saison möglich?

Gerland: Es ist jedes Jahr das gleiche: Wir müssen punkten. Die erste Chance haben wir vertan. Es wäre daher gut, wenn wir am Samstag drei Punkte holen.

SZ: Im vergangenen Jahr stand das Team lange hinten in der Tabelle - fürchten Sie das auch für dieses Jahr?

Gerland: Was heißt fürchten? Die Möglichkeit besteht. Im vergangenen Jahr war ein Ekici da. Der hat für Mehmet (Scholl, Gerlands Vorgänger) alleine zehn Punkte geholt. Der fehlt mir.

SZ: Wie wird Ihr Pensum als Co-Trainer der Profis und Cheftrainer der zweiten Mannschaft sein?

Gerland: Wenn wir zweimal Training haben, trainiere ich mit der zweiten Mannschaft um neun Uhr, um halb zwölf mit der ersten, um halb vier mit der zweiten und um 18 Uhr mit der ersten. Wenn Spiele kollidieren, bin ich bei der zweiten, keine Frage. Mein alter Kopp muss nicht mehr ins Fernsehen. Der Bauch wird dicker und die Haare dünner. Früher, als ich schön war, wollten sie mich ja nicht sehen.

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