Interview mit Dirk Nowitzki:"Vielleicht spiele ich noch, wenn ich 40 bin"

Basketball-Profi Dirk Nowitzki steht vor seiner 13. NBA-Saison - ein Gespräch über Loyalität, Fragen zu seiner Rückkehr nach Deutschland und die Robustheit seines Körpers.

Interview: Joachim Mölter

In dieser Woche haben die 30 Klubs der National Basketball Association (NBA) mit der Vorbereitung für die Saison 2010/11 begonnen. Für den Würzburger Dirk Nowitzki, 32, wird es die 13. sein, seit er zu den Dallas Mavericks in die amerikanische Profiliga gewechselt war. Vor dem Start sprach er mit der SZ.

Interview mit Dirk Nowitzki: "Ich glaube ja nicht, dass wir so weit weg sind wie viele denken": Dirk Nowitzki nimmt mit Dallas einen neuen Anlauf, den NBA-Titel zu gewinnen, die letzte Auszeichnung, die ihm fehlt. Individuell hat der Würzburger alles erreicht: Er war bester Spieler einer EM (2005), einer WM (2002) und - als erster Europäer - auch wertvollster Spieler der nordamerikanischen Profiliga NBA (2007).

"Ich glaube ja nicht, dass wir so weit weg sind wie viele denken": Dirk Nowitzki nimmt mit Dallas einen neuen Anlauf, den NBA-Titel zu gewinnen, die letzte Auszeichnung, die ihm fehlt. Individuell hat der Würzburger alles erreicht: Er war bester Spieler einer EM (2005), einer WM (2002) und - als erster Europäer - auch wertvollster Spieler der nordamerikanischen Profiliga NBA (2007).

(Foto: IMAGO)

SZ: Sie sehen schlanker aus als früher, haben Sie abgenommen?

Nowitzki: Ja, es ist besser für die Knochen. Ich habe schon vorige Saison die Vorbereitung so leicht angefangen wie seit sechs, sieben Jahren nicht mehr, und ich habe mich gut gefühlt dabei. Deswegen bin ich dieses Jahr wieder leichter ins Training eingestiegen.

SZ: Sie haben also nicht gefaulenzt im Sommer?

Nowitzki: Ich hatte so lange keinen Basketball in den Händen wie noch nie in meiner Karriere - dreieinhalb Monate. Aber ich habe mich natürlich anderweitig fit gehalten, habe viel Tennis gespielt, war zwei-, dreimal in der Woche auf dem Stepper (ein Fitnessgerät, d. Red.), damit ich nicht bei Null wieder anfangen muss. Seit Mitte August habe ich mit meinem Coach Holger Geschwindner Einzeltraining gemacht. Und jetzt freue ich mich, dass es mit der Mannschaft losgeht.

SZ: Sie haben im Sommer Ihren Vertrag in Dallas erst gekündigt und dann um vier Jahre verlängert.

Nowitzki: Ich habe den ganzen Juni abgewogen: Was mache ich jetzt, was ergibt am meisten Sinn? Für mich war es letztlich die einzig wirklich gute Option, in Dallas zu bleiben.

SZ: Gab's auch schlechte Optionen?

Nowitzki: Steve (Nash, früherer Mitspieler Nowitzkis in Dallas, d. Red.) wollte mich gern zu sich nach Phoenix holen, es gab auch andere Klubs mit finanziellem Spielraum. Wenn ich wirklich gewollt hätte, hätte man das forcieren können. Aber eins war klar: Mir fehlt ja nur noch der NBA-Titel, und wenn ich gewechselt wäre, hätte mir das die Meisterschaft so gut wie garantieren müssen. Das kann leider keine Mannschaft.

SZ: Auch Dallas nicht. Was hat den Ausschlag gegeben für die Mavericks?

Nowitzki: Mark Cuban (der Klubbesitzer, d. Red.) hat mir noch mal versichert, dass er seine ganzen Ressourcen bereitstellt, damit wir die Meisterschaft holen. Das war mir wichtig, das aus seinem Mund zu hören. Und in Dallas habe ich mir viel erarbeitet, die Fans waren immer loyal zu mir. Es wäre nicht richtig gewesen, wegzugehen, für mich hätte es sich angefühlt, als wäre ich weggerannt.

SZ: Es gibt kaum noch Profisportler, die einem Klub so lange die Treue halten. Glauben Sie, dass Ihre Loyalität von den Fans auch dann honoriert wird, wenn am Ende kein Titel dabei rauskommt?

Nowitzki: Gute Frage, aber so möchte ich eigentlich gar nicht denken. Die Reaktion der Fans war jedenfalls beeindruckend, nachdem ich gekündigt hatte. Viele haben im Internet geschrieben, dass sie sich die Mavericks ohne mich gar nicht mehr vorstellen können. Das war schon schön, so etwas zu lesen.

SZ: Es gibt auch viele Fans, die sagen, dass Sie Dallas verlassen müssen, wenn Sie jemals Meister werden wollen.

Nowitzki: Die Kritiker würden wir natürlich am liebsten ruhigstellen mit einem Titel. Ich glaube ja nicht, dass wir so weit weg sind, wie viele denken und schreiben. Wir müssen nur schauen, dass wir unseren besten Basketball dann spielen, wenn wir in den Playoffs sind. Das haben wir in den letzten Jahren leider nicht geschafft.

SZ: Sind Sie zufrieden damit, wie sich die Mavericks verstärkt haben für die kommende Saison?

Nowitzki: Wir haben ja schon mitten in der vergangenen Saison einen großen Transfer gemacht, von dem ich nach wie vor glaube, dass er gut war: Da haben wir Caron Butler und Brendan Haywood geholt. Nicht umsonst haben wir uns danach in der Punkterunde noch auf Platz zwei in der Western Conference vorgespielt. Jetzt ist Tyson Chandler gekommen, mit ihm und Haywood haben wir eine der besten Center-Combos, die wir je hatten. Und wir hoffen, dass sich Rodrigue Beaubois weiterentwickelt, ein junger Franzose. Der ist manchmal unberechenbar, das hat uns zuletzt gefehlt. Ich glaube nicht, dass wir uns im Westen verstecken müssen. Außer den Los Angeles Lakers gibt es dort keinen Favoriten, und hinter denen ist alles offen.

SZ: Sie haben sich in den neuen Vertrag eine sogenannte No-Trade-Klausel hineinschreiben lassen: Gegen Ihren Willen können Sie nicht mehr transferiert werden. Heißt das, dass Sie für den Rest Ihrer NBA-Karriere in Dallas bleiben?

Nowitzki: Im Moment gehe ich davon aus, meine Karriere in Dallas zu beenden. Aber man soll niemals nie sagen. Wenn's in vier Jahren immer noch nicht geklappt hat mit dem Titel, muss man mal sehen. Vielleicht läuft's ja so gut und mein Körper macht so weit mit, dass ich noch bis 40 spielen kann. Dann übernehme ich halt eine andere Rolle, komme von der Bank und kann einer guten Mannschaft vielleicht noch helfen, die Meisterschaft zu gewinnen. Aber in den nächsten vier Jahren ist das kein Thema.

"Ich konnte sogar mal Spagat"

SZ: Nächstes Jahr ist zumindest Ihre Rückkehr ins Nationalteam ein Thema, bei der EM in Litauen, wo es um die Olympia-Qualifikation für 2012 geht. Fürchten Sie nach zwei Jahren Absenz, dass es womöglich Diskussionen gibt wie um Michael Ballack, dem Kapitän der Fußballer: dass es heißt, die Jungen kommen auch ohne Sie zurecht, sogar besser?

Nowitzki: Wenn das so ist, ist es okay. Ich muss mich nicht aufzwingen. Wenn sie meinen, dass ich helfen kann, komme ich sehr gerne. Aber ich spiele da nicht, nur um mir was zu beweisen. Mein Traum war, einmal bei Olympia zu sein, das habe ich 2008 in Peking geschafft. Alles andere ist für mich Zugabe.

SZ: Im Juni hat sich wieder einmal ein NBA-Klub die Transferrechte an einem deutschen Spieler gesichert. Oklahoma hat den Center Tibor Pleiß aus Bamberg gedraftet. Sie trainieren ja mit Holger Geschwindner regelmäßig in der Nähe von Bamberg, sind Sie beide schon mal zusammengekommen?

Nowitzki: Kaum, es war generell schade, dass ich in den letzten zwei Jahren, in denen er zur Nationalmannschaft kam, wenig Zeit mit den jungen Spielern verbringen und auf sie einwirken konnte: Wie man sich als Profi gibt, dass man jeden Tag trainiert, freiwillig in die Halle geht, einfach mehr macht als die meisten glauben. In der Nationalmannschaft habe ich immer versucht, das vorzuleben, und das hätte ich auch den neuen Jungen gern gezeigt - falls es sie überhaupt interessiert hätte.

SZ: Demond Greene, Ihr Kumpel aus Würzburger Jugendtagen, ist vor der Saison vom Double-Gewinner Bamberg zum FC Bayern München gewechselt, in die zweite Liga, die sogenannte ProA ...

Nowitzki: Es freut mich für ihn, dass er eine gute Situation hat in München, mit dem FC Bayern im Hintergrund. Sie haben ja Bundestrainer Dirk Bauermann geholt und in Steffen Hamann noch einen Nationalspieler - für eine ProA- Mannschaft ist das Wahnsinn, die ist schon erstligareif. Die müsste durch die ProA einfach so durchmarschieren.

SZ: Wäre der FC Bayern für Sie eine Option, später mal, in der Bundesliga?

Nowitzki: Ach, Alba Berlin hat auch schon mehrmals ins Gespräch gebracht, mich nach meiner NBA-Karriere zu holen. Zu den Bayern kann ich nur dasselbe sagen wie zu Alba: Alles hängt davon ab, wie lange meine Knochen mithalten und ich noch Spaß habe.

Rat an die Kids: "Krafttraining könnt ihr später machen"

SZ: Ihr Körper hat bislang recht gut gehalten: Sie waren nie ernsthaft verletzt in ihren zwölf NBA-Jahren.

Nowitzki: Vor drei Jahren bin ich mal schlimm umgeknickt, als mir ein Gegenspieler auf den Fuß gefallen ist. Damals habe ich fünf Spiele pausieren müssen, das waren die meisten, die ich am Stück versäumt habe.

SZ: Glück oder gute Gene?

Nowitzki: Von den Knochen her bin ich robust gebaut, glaube ich. Dazu bin ich sehr dehnbar, das hilft natürlich. Ich hatte noch nie Krämpfe oder Muskelzerrungen. Wir haben ja schon zu Zweitliga-Zeiten in Würzburg viele Dehnungsübungen gemacht, vor dem Training, nachher. Ich konnte sogar mal Spagat.

SZ: Was tun Sie für die Beweglichkeit?

Nowitzki: Seit drei Jahren mache ich Yoga, außerdem seit vier, fünf Jahren Pilates, ein Programm für Bauch- und Rückenmuskulatur. Das normale Krafttraining natürlich auch, aber mehr zur Stabilisierung, um Verletzungen im Alter vorzubeugen. Seit ich Pilates mache, bin ich seltener umgeknickt als vorher. Das hätte ich schon viel eher machen sollen, aber man wird halt erst schlauer, wenn man älter ist. Und wenn man älter wird, muss man halt mehr machen als das normale Basketball-Training, um seine Leistung zu bringen. Aber dieses ganze Drumherum kriegt natürlich keiner mit.

SZ: Um auf Ihr geringeres Gewicht zurückzukommen: Die Zeiten, in denen es vor allem auf Muskeln ankam, um sich durchzusetzen, scheinen vorbei zu sein.

Nowitzki: Ja, das hat man ja sogar hier in Europa gesehen, bei der WM vor einem Monat. Auf der Center-Position machen sie zwar noch etwas Ringkampf, da hat jede Mannschaft noch einen Gewichtigeren, der unter dem Korb aufräumt. Aber sonst war viel Bewegung drin, da hat keiner lang rumgemacht: Im Eins-gegen-Eins am Gegner vorbei, wenn der nächste kommt, zack!, Pass nach außen zum freien Mitspieler, und Tor!, Dreier!

SZ: Bei der WM waren viele Ergebnisse tatsächlich erstaunlich hoch, mit neunzig Punkten und mehr...

Nowitzki: Ja, das war schön anzuschauen. Früher gab's oft 50, 60 Punkte pro Team, das war eher Handball.

SZ: Und jetzt entwickelt sich Basketball wieder zum dynamischeren Spiel?

Nowitzki: Da geht die Sportart wieder hin, auch in der NBA: dass jeder technisch versiert ist, sich gut bewegen kann, hochprozentig von außen trifft, im Fastbreak mit dabei ist und im Eins-gegen-Eins an seinem Mann vorbeikommt. Da fängt Basketball wieder an, interessant zu werden, auch für die Zuschauer. Wenn ich jetzt den Kids etwas raten soll: Macht die Basics, die Grundlagen! Jeder muss dribbeln, passen, werfen können - Krafttraining könnt ihr später noch genug machen.

SZ: Glauben Sie, dass Sie einen Anteil haben an dieser Entwicklung?

Nowitzki: Weiß ich nicht. So habe ich das noch nicht betrachtet.

SZ: Als Sie vor 13 Jahren in die NBA kamen, haben alle gestaunt: Da kommt einer, der ist groß, trotzdem beweglich und kann auch noch von außen werfen. Das kannten sie in Amerika vorher nicht.

Nowitzki: Hmmm, die Anforderungen auf der Vierer-Position, auf der ich spiele, haben sich schon verändert. Früher hat man die Leute auf dieser Position eher als zweiten Center gesehen, also als groß und schwerfällig. Mittlerweile muss ein Vierer nicht nur steife Center-Bewegungen drauf haben, sondern dribbeln, passen, werfen können. Das hat sich schon ein bisschen verändert.

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