Interview mit Dirk Bauermann:"Von Nowitzki allein kann der Basketball nicht leben"

Bundestrainer Dirk Bauermann sorgt sich vor der EM weniger um sein aktuelles Team als vielmehr um die künftige Talentsuche.

Andreas Burkert

Dirk Bauermann, 47, ist seit November 2003 Bundestrainer der Basketball-Nationalmannschaft, die vom heutigen Freitag an bei der Europameisterschaft in Serbien&Montenegro antritt (bis 25.September). Als Vereinscoach betreut Bauermann parallel den fränkischen Traditionsklub GHP Bamberg, den er in der abgelaufenen Serie zur ersten Meisterschaft führte.

Interview mit Dirk Bauermann: Sieht Nachwuchsprobleme im deutschen Basketball: Dirk Bauermann.

Sieht Nachwuchsprobleme im deutschen Basketball: Dirk Bauermann.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Bauermann, Ihr Team muss bei der EM auf drei verletzte Stammkräfte verzichten - Ademola Okulaja, Stefano Garris und Steffen Hamann. Sie haben dazu angemerkt, der deutsche Basketball habe nicht die Tiefe, dies zu kompensieren. Weshalb hat er sie nicht?

Bauermann: Zunächst einmal glaube ich, dass es nicht viele Länder in Europa gibt, die den Ausfall eines wichtigen Leistungsträgers wie jetzt Okulaja kompensieren können. Die Italiener würden sich ohne Gianluca Basile vom FC Barcelona schwer tun, die Russen ohne Andrej Kirilenko von den Utah Jazz. Andererseits besitzen wir wirklich nicht die Tiefe bei der hohen Qualität wie etwa die Jugoslawen oder Litauen.

SZ: Die Nationalspieler haben die Aktion "Made in Germany" ins Leben gerufen, sie möchten Talente fördern. Ist das Ausdruck von Angst vor der Zukunft?

Bauermann: Glaube ich schon, die Spieler haben ja in den letzten Jahren gemerkt, dass sich aus dem Nachwuchs keiner so richtig aufgedrängt hat, mit Ausnahme vielleicht von Steffen Hamann und Misan Nikagbatse.

SZ: Ihr Kollege, der Fußball-Bundestrainer Jürgen Klinsmann hat dagegen die Jugend entdeckt, zuletzt ließ er Marcell Jansen spielen, einen 19-Jährigen.

Bauermann: Richtig, da kommen plötzlich zuhauf die jungen Leute hoch wie Podolski, Mertesacker, der Jansen und wie sie alle heißen. Ich glaube, das hängt damit zusammen, dass der deutsche Fußball in seiner Problemphase - damals mit Trainer Erich Ribbeck - die Zeichen erkannt hat, und dass massiv investiert wurde. Da wurden Programme aufgelegt, es wurden Internatsstrukturen geschaffen und einiges mehr.

Es wird höchste Zeit, dass der deutsche Basketball erkennt, dass er von einem Dirk Nowitzki allein nicht leben kann. Wir haben sicherlich auch deshalb nicht genügend gute Spieler, weil die Talentsuche nicht professionell stattfindet, sondern sehr beliebig ist. Es gibt keine flächendeckenden Grundschulprogramme, häufig bekommen wir Talente erst viel zu spät, mit 15 oder 16 Jahren. Wir müssen sie viel früher finden und gezielter fördern.

"Von Nowitzki allein kann der Basketball nicht leben"

SZ: Diese Vorsätze sind nicht neu. Bereits nach dem überraschenden EM-Gewinn 1993 und auch nach dem dritten WM-Platz 2003 gab es Ankündigungen, die Erfolge in eine sinnvolle Nachwuchsförderung umzumünzen.

Dirk Bauermann

Dirk Bauermann will sich mit dem Nationalteam für die WM qualifizieren.

(Foto: Foto: AP)

Bauermann: Das stimmt, aber manchmal muss man offenbar tief fallen, um den Ernst der Lage zu erkennen. Damals wurde im Erfolg vergessen, dass man intensiv für die Zukunft planen muss. Wir müssen jetzt verhindern, dass es zu diesem tiefen Fall kommt; es ist doch absehbar, dass diese erfolgreiche Generation mit Nowitzki, Okulaja, Femerling, Wucherer maximal noch Olympia 2008 erleben wird. Dazu muss jeder seinen Beitrag leisten, die BBL, die zweite Liga, der Verband. Sonst wird Deutschland im Basketball bald zweitklassig sein.

SZ: Das frühere Vorbild Detlef Schrempf wurde nach seinem Karriere-Ende nicht für die Aufbauarbeit gewonnen, wird das mit Nowitzki gelingen?

Bauermann: Konkret nachgedacht wurde da noch nicht, aber man weiß doch, dass die Nationalmannschaft seine Herzenssache ist. Wenn es absehbar ist, dass er aufhören wird, wird man sich mit ihm zusammensetzen müssen. Wir müssen versuchen, ihn zu integrieren, weil man sich ein solches Aushängeschild erhalten muss.

SZ: Die Bundesliga hat den Spielermarkt komplett für ausländische Profis geöffnet. Das macht es für die deutschen Spieler nicht gerade einfacher.

Bauermann: Kurzfristig natürlich nicht. Allerdings zwingt die beschlossene Quote von zunächst vier deutschen Spielern im Kader bis 2008 - und später dann sechs - die Vereine langfristig dazu, ihre Personalpolitik zu verändern. Bisher haben sich die Klubs auf eine sehr liberale Ausländerregelung verlassen können - das wird in ein paar Jahren vorbei sein. Deshalb ist das sicher ein Schritt in die richtige Richtung.

Die Liga hätte auch sagen können: Das interessiert uns nicht, wir wollen nur ein attraktives Produkt - hat sie aber nicht. Die BBL braucht deutsche Aushängeschilder, die Interviews geben können, die die Fans kennen und die den Verein nicht als austauschbaren Job verstehen.

SZ: Wenn dieses Problem insgesamt doch sehr groß ist - braucht der deutsche Basketball nicht einen Bundestrainer, der das ganze Jahr zur Verfügung steht?

Bauermann: Das Argument, der deutsche Basketball brauche einen hauptamtlichen Bundestrainer, ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, denn es gibt viele Baustellen. Doch der internationale Kalender bringt die Situation mit sich, dass die Nationalteams nur fünf, sechs Wochen im Jahr beschäftigt sind. Deshalb glaube ich nicht, dass man in Europa einen Spitzentrainer finden wird, der elf Monate nur Fortbildungen macht und Vorträge hält.

"Von Nowitzki allein kann der Basketball nicht leben"

SZ: Demnach sind Sie in Ihrer Doppelfunktion eine Kompromisslösung?

Bauermann: Vielleicht, aber es wird trotzdem an allen Enden gearbeitet, weil man es beim Reden nicht mehr belassen will. Was an Veränderungen notwendig ist, ist mit unserem Konstrukt zu erreichen. Insofern glaube ich nicht, dass ich meine Situation hinterfragen muss. Ich kann mich auf meine Leute in Bamberg verlassen und mich gleichzeitig auf die Nationalmannschaft konzentrieren.

SZ: Dieses Team hat eine sehr komplizierte EM-Vorbereitung hinter sich.

Bauermann: Das war eine Häufung von Problemen, die ich so massiv noch nie erlebt habe mit den Dingen um Holger Geschwindner (Nowitzkis Privatcoach, der wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft saß/Anm. d. Red.) und den vielen Verletzungen. Andererseits werden in so einem Turnier die Karten neu gemischt, da zählen die Ergebnisse der Vorbereitung nichts mehr.

So bin ich etwa der Meinung, dass die Griechen ihren besten Basketball dieses Sommers schon gespielt haben. Wir sind sicher noch steigerungsfähig, und vielleicht helfen uns die Verletzungen insofern, als dass uns viele nichts mehr zutrauen. Wir können ohne Druck aufspielen und alle überraschen.

SZ: Was ist das konkrete Ziel?

Bauermann: Zunächst einmal die Qualifikation für die nächste Runde, also mindestens Gruppendritter zu werden; der direkte Weg als Erster ist schwierig, da sind Russen und Italiener favorisiert. Danach möchte ich schon mit aller Leidenschaft versuchen, dass wir uns für die WM qualifizieren (wofür Platz sechs reichen würde/Anm. d. Red.). Und womöglich können wir dann doch noch einen Schritt weiter gehen.

SZ: Dafür müssten allerdings Ihre Spieler aus dem Schatten von Dirk Nowitzki treten, auf dem zuletzt wieder fast die gesamte Verantwortung lastete. Ist das ein psychisches Problem?

Bauermann: Vor allem ist das eine Frage der Gewöhnung. Wir hatten viele Spiele, doch die ständigen Veränderungen durch die Verletzungen haben uns nicht geholfen. Aber Denis Wucherer zeigt aufsteigende Form, ich erwarte auch eine Menge von Marko Pesic oder Demond Greene, der erst seinen zweiten Sommer beim Nationalteam erlebt. Ich bin optimistisch, dass sich die anderen freischwimmen. Unsere so genannte Goldene Generation ist auf jeden Fall noch nicht in ihren letzten Zügen. Da kommt noch 'was.

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