Interview:"Mit Caro habe ich wieder ein Glückslos gefunden"

Brisbane International ATP Tennis Herren 250 World Tour WTA Hardcourt Tennis Turnier in Brisbane; Bajin

Motivator, Imitator, Helfer: Hitting Partner Sascha Bajin. Er sagt: "Dieser Posten beinhaltet viel mehr als nur Bälle zu schlagen."

(Foto: imago)

Hitting Partner Sascha Bajin aus München über die Arbeit mit der dänischen Top-Spielerin Wozniacki, seine Jahre mit Serena Williams - und Opferbereitschaft für einen Job, den in der Öffentlichkeit kaum jemand wahrnimmt.

Interview von Gerald Kleffmann, München

An diesem Sonntag beginnt der letzte Höhepunkt 2017 im Frauentennis. Bis zum 29. Oktober finden in Singapur die WTA Finals mit den acht besten Spielerinnen statt. Auch Caroline Wozniacki hat sich qualifiziert, die Dänin trifft in der Gruppenphase auf Simona Halep (Rumänien), Elina Svitolina (Ukraine) und Caroline Garcia (Frankreich). In der anderen Gruppe sind Garbine Muguruza (Spanien), Karolina Pliskova (Tschechien), Venus Williams (USA) und Jelena Ostapenko (Lettland). Wozniacki hat eine starke Saison gezeigt und arbeitete sich auf Rang sechs der Weltrangliste vor. Die frühere Nummer eins stand in sechs Finals (Doha, Dubai, Miami, Eastbourne, Bastad, Toronto), die sie allerdings alle verlor. In Tokio klappte es dann mit dem Sieg. Ihre gute Form liegt auch an Sascha Bajin, der zu Jahresbeginn ihr Team verstärkte. Der Münchner kann bereits auf viel Erfahrung als Hittting Partner und Assistenztrainer zurückblicken, seine größten Erfolge feierte er mit Serena Williams. Ein Gespräch über Wohngemeinschaften mit Frauen, Trainingstricks, Trennungen und Weihnachten ohne Familie.

SZ: Herr Bajin, kann es sein, dass Sie der beliebteste Hitting Partner im Frauentennis geworden sind?

Sascha Bajin: Ich weiß es selber nicht. Aber danke erst mal für das Kompliment.

Sie haben bekannten Spielerinnen zugearbeitet. Viele Jahre Serena Williams, dann Viktoria Asarenka, Sloane Stephens. Im Februar dieses Jahres stiegen Sie im Team von Wozniacki ein.

Ich bin glücklich und dankbar darüber, dass ich für alle arbeiten durfte. Ich will wirklich nur meine Arbeit machen. Möglicherweise hat ein Familienschicksal mir diese Einstellung verinnerlicht. Als ich 15 war, ist mein Vater gestorben. Damals hatte ich auf einmal drei Frauen im Haus, meine Mutter und zwei Schwestern. Da habe ich viel über die weibliche Seele gelernt. Und als ich 2007 in die USA gegangen bin und mit Serena arbeitete, war ich auch wieder mit vier Frauen zusammen, mit Venus, ihrer Schwester, der Physiotherapeutin und der Assistentin. Wir waren dort drei Jahre lang in einem Haus.

Wie ist das Leben eines Hitting Partners?

Dieser Posten beinhaltet ja viel mehr als nur Bälle zu schlagen. Ich verbringe auch viel Zeit mit den Spielerinnen, das war immer so. Mit Vika (Asarenka, d. Red) war ich auch alleine in Wimbledon damals. Ich tue mich mit Titeln schwer, denn nur weil ich einmal Caro das Frühstück mache, bin ich auch nicht ihr Koch. Aber wenn ich weiß, dass sie einen engen Terminkalender hat, würde ich ihr sofort helfen und auch das Mittagessen machen. Ich helfe, wo immer es geht. Die Leute können mich Hitting Partner, Assistant Coach, Koch, auch Gärtner nennen, das ist mir egal. Hauptsache, ich helfe meiner Spielerin und mache sie so besser.

Warum braucht jemand extra einen Spielpartner auf dem Platz?

Viele Trainer spielen nicht mehr selbst mit ihren Spielerinnen. Manche sind auch ein bisschen älter. Es gibt aber auch viele Trainer, die meiden diese Situation. Denn wenn irgendwo Konflikte entstehen können, ist es meistens auf dem Platz. Viele Trainer gehen dem auch ein bisschen aus dem Weg, habe ich das Gefühl, indem sie einen anderen anheuern und sich das Leben ein bisschen leichter machen. Ich selber glaube fest daran, wenn du als Trainer unterwegs bist und du nur zu den Turnieren kommst, wird es schwer. Du gewinnst Turniere fünf, sechs Wochen vor den Turnieren. Wenn man die Arbeit davor richtig macht. Und nicht erst, wenn du zum Turnier kommst.

Wie begann Ihre Karriere?

Serena war in Rom beim Turnier, sie hatte verloren und wollte einen Zugang im Team. Sie kannte einen Freund von mir, sie rief ihn an, ob er jemanden kenne. Und er schlug mich vor. Ich war damals 22 Jahre alt. Ich hatte in der zweiten Bundesliga in Deutschland gespielt, für Iphitos München. Ich habe sogar erst Nein gesagt. Nach einem ersten Training ging es dann Schlag auf Schlag und ich bin in die USA gezogen.

Wie arbeiten Sie auf dem Platz? Man kann ja sensibel sein und alles versuchen so zu machen, wie es vorgegeben wird. Oder man kann selbst das Training bestimmen.

Ich stelle mich immer auf die Spielerin ein, mit der ich arbeite. Ich sehe ja zum Beispiel, in welcher Verfassung Caro die Treppen hoch kommt. Wenn sie etwas ruhiger, introvertierter ist, halte ich mich auch zurück. Je nachdem, wie die Laune der Spielerin ist, muss man sich anpassen. Es geht ja nicht um mich. Es geht um sie. Da glaube ich, dass ich ein relativ gutes Gefühl habe. Dass ich weiß: Wie bekomme ich das Beste an dem Tag aus meiner Spielerin heraus? Dafür bin ich mir für nichts zu schade.

Spielen Sie auch mal den Bad Boy?

Wenn es sein muss, auch das. Das war bei Serena manchmal so. Sie war dann sauer auf mich. Aber dafür wurde das Training intensiver. Nach dem Training haben wir uns alle wieder gern. Genau so probiere ich das mit Caro auch.

Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit? Um Ihre Arbeit wissen ja nur die Leute, die Einblick hinter die Kulisse haben.

Viele meiner Freunde sagen manchmal, ich habe ja so einen tollen Job, ich spiele zwei Stunden und das war's dann! Meine Tage sind vollgepackt. Das fängt auch damit an, dass ich selbst fit bleiben muss, meine Fitness ist mein Kapital. Ich sollte physisch Caro überlegen sein. Ich will physisch stärker sein als sie. Damit ich sie quasi mitziehen kann. Und ich spreche nicht nur von der Arbeit auf dem Platz. Ich will mich auch gut ernähren und mir keinen Kuchen reinstopfen. Sie soll durch mich auch zusätzliche positive Motivation aufnehmen. Wir machen auch die Cool-down-Phase auf dem Trainingsplatz zusammen. Bei großen Turnieren bin ich zum Teil zwölf Stunden auf der Anlage. Aber das macht auch Spaß. Man kann an schlechteren Orten arbeiten. Ich weiß das zu schätzen.

Wie sehr sollten Sie Spielstile von Gegnerinnen imitieren können?

Klar, das gehört auch zur Arbeit. Ab einer gewissen Spielstärke sollte das aber jeder können. Gottseidank habe ich die. Aufwendig in diesem Fall ist die Vorbereitung, denn ich muss auch diese Spielstile der anderen genau ansehen, entweder live oder in jedem Fall bei Youtube. Damit ich ihr sagen kann, was auf sie wartet. Ich investiere abends oft auch eineinhalb, zwei Stunden, nur um zu analysieren, wo schlägt jemand bei 40:30 auf und wie schnell sind die Aufschläge in welchen Phasen.

Was machen Sie mit den vielen Informationen?

Ich überfrachte Caro nicht damit. Aber wenn sie mich für fünf Minuten fragt, muss ich vorbereitet sein und Antworten parat haben. Wir nennen das Background Check. Es gibt inzwischen auch gute Programme im Internet, bei denen alle Werte von Spielerinnen festgehalten werden.

Wie gehen Sie damit um, dass man beruflich viel Zeit miteinander verbringt und dadurch automatisch viel Privates in die Arbeit fließt?

Die Regeln sind klar und für mich selbstverständlich. Loyalität, Verschwiegenheit zu Privatem, Zuverlässigkeit. Diese Dinge einzuhalten, ist Pflicht, und ich will im Übrigen ja auch nicht, dass jemand etwas Privates über mich ausplaudert. Gewisse Momente sollte man für sich behalten. Was ich über mich verrate: Ich führe auch Tagebuch und halte vieles fest. Auch für Tage, an denen es mir vielleicht mal nicht so gut geht. Ich habe ja auch viel Witziges erlebt. Ich kann dazu aber nichts preisgeben. Die Professionalität habe ich vor allem von Serena gelernt. Ich bin ja durch sie ins kalte Wasser geworfen worden. Ich hatte niemanden fest trainiert und dann die Beste aller Zeiten.

Dann muss aber sofort auch die Chemie gestimmt haben?

Hat sie auch. Und mich hat das auch gewundert, dass Serena mich gleich so nah an sich ran ließ. Vielleicht ist es etwas an meiner Art. Ich sehe mich ja nicht von außen. Alles, was ich besitze, verdanke ich Serena. Ich habe es mir zwar hart erarbeitet. Ich habe viel geopfert. ich habe die Hochzeiten meiner Mutter und einer meiner Schwestern verpasst durch den Job. Ich bin bei Caro auch einen Tag nach einer Kiefer-Operation auf dem Platz gewesen. Ich sehe meine Nichten nicht aufwachsen. Ich hatte zehn Jahre kein Weihnachten, keinen Geburtstag. Vieles zieht an einem vorbei. Aber doch habe ich das aus Leidenschaft in Kauf genommen. Und ich werde dafür bezahlt, dass ich mit den besten Spielerinnen arbeite und um die Welt reise. Auch dank Serena wurde diese Leidenschaft geweckt. Wenn sie nicht wäre, wäre mein Leben anders verlaufen.

Wozniacki hatte sich ja bei Williams erkundigt, ob Sie eine gute Arbeitskraft wären. Und Williams äußerte sich nur gut über sie.

Ja, das stimmt. Die beiden sind ja gut befreundet miteinander. Ich bin auch dafür dankbar, dass Serena Positives über mich gesagt hat.

Womit man immer rechnen muss: Dass es vorbei sein kann und die Spielerin einen entlässt. Als sie für Asarenka arbeiteten, waren Sie über das Aus leicht irritiert, hieß es.

Alles halb so wild. Sie hatte mir nur leider nicht gesagt, dass sie schwanger ist, sondern sie entließ mich ohne klaren Grund. Das fand ich im ersten Moment ein bisschen schade, ich habe mir dann drei Wochen den Kopf zerbrochen, woran es lag. Ich suche dann den Fehler auch bei mir. Vielleicht hätte ich mehr dies oder jenes machen müssen. Dann habe ich bei Twitter erfahren, dass sie schwanger ist.

Es ist eben auch ein Geschäft.

Das ist ja auch okay. Mit Sloane Stephens war auch von einem Tag auf den anderen Schluss. Wir hatten sechs Monate gearbeitet, sie hatte Reha gemacht und alles getan, damit der Fuß hält. Und am Abend vor ihrem ersten Match mit mir hatte sie wieder Schmerzen. Und es war vorbei. Vielleicht wird ja auch Caro schwanger, man weiß es ja nicht. Ich hoffe es natürlich noch nicht, aber wenn es so kommt: Alles Gute für sie! Und Glückwunsch fürs Kind!

Wollen Sie dann auch eines Tages Headcoach sein?

Natürlich. Man will ja das, was man sich erarbeitet hat, auch weitergeben. Ich hatte auch ein paar Optionen. Aber das hatte in dem Moment nicht gepasst. Ich habe zwischendurch auch Trainerstunden ganz normal in Florida gegeben. Wenn ein kleiner Junge oder eine Oma mit Freude auf den Ball haut, macht mir das genauso viel Spaß. Ich sehe mich nicht nur als Hitter. Ich rede ja auch viel mit Caros Vater.

Lohnt sich Ihre Arbeit auch finanziell?

Ich hoffe doch. Je nach Vertrag bekommt man einen bestimmten Bonus. Ich bekomme auch ein Jahresgehalt und die Spesen ersetzt. Ich tue aber auch viel dafür und ich habe ein Haus in Palm Beach zur Absicherung gekauft. Mit Caro habe ich wieder ein Glückslos gefunden. Es hat von Anfang an super geklappt. Sie ist super professionell. Ich habe immer gesagt: Bis zum Jahresende sind die Top 5 drin. Jetzt ist sie Sechste.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: