Interview:"Ich bin überzeugt, dass der Fußball von uns profitieren kann"

Hockeybund-Präsident Abel über die Kultur seines Sports und die Talente des vom DFB umworbenen Bundestrainer Peters

Ulrich Hartmann

SZ:Herr Abel, sind Sie glücklich? Deutschland spricht über Hockey.

peters, ap

Der deutsche Hockey-National- trainer Bernhard Peters beim Spiel Indien gegen Deutschland 2004.

(Foto: Foto: AP)

Stephan Abel: Ich habe recherchiert. Am Donnerstag stand in 75 deutschen Zeitungen etwas über Hockey. So eine Quote haben wir nicht mal, wenn wir eine Goldmedaille gewinnen.

SZ: Aber Ihr Vergnügen hält sich in Grenzen, denn Hockey steht nur in der Zeitung, weil Sie Ihren besten Mann als Sportdirektor an den Fußball zu verlieren drohen. Ist Ihr Bundestrainer Bernhard Peters so gut, wie alle sagen?

Abel: Auf jeden Fall. Deshalb ist seine Position bei uns nach Olympia 2004 auch aufgewertet worden, indem er in den Vorstand aufgenommen wurde.

SZ: Was macht ihn so gut?

Abel: Sein Enthusiasmus. Er lebt Hockey seit 20 Jahren, ist ein irrsinnig disziplinierter Arbeiter und jemand, der Spieler extrem gut motiviert, indem er ihnen aufzeigt, wo Schwachstellen und Stärken liegen.

SZ: Aber in der Fußballbranche regt sich Widerstand - weil Peters nicht aus dem Fußball kommt.

Abel: Das ist traurig. Jürgen Klinsmann arbeitet unkonventionell, will Weltmeister werden und nimmt personelle Veränderungen vor. Das ist gut und wichtig, und die, die dagegen sind, sind das bloß, weil sie das Neue nicht kennen.

SZ: Sind Fußballer borniert?

Abel: Ein so riesiger Verband lebt in sich selbst. Die haben nicht die Notwendigkeit, sich umzuschauen, weil ihr System über viele Jahre erfolgreich war. Das ist ein Problem etablierter Strukturen.

SZ: Klinsmann denkt anders.

Abel: Weil er unabhängig ist. Der braucht die Strukturen des DFB nicht. Der kann vorschlagen, was er selbst will, weil er eine finanzielle und soziale Sicherheit besitzt. Jetzt findet ein Umdenken statt. Unabhängig vom Ergebnis denkt man zumindest nach, ob man von anderen Sportarten profitieren kann.

SZ: Hockey als Entwicklungshelfer?

Abel: Ich bin überzeugt, dass der Fußball von den modernen Maßnahmen und Methoden, die wir beim Hockey nutzen, profitieren kann. Wir arbeiten schon lange mit vielen verschiedenen Spezialisten.

SZ: Sie meinen Spezialisten für Fitness, Ausdauer oder Videoanalyse. Peters hat seinen Spielern im Training sogar Helmkameras aufgesetzt, um ihre subjektiven Blickwinkel zu analysieren.

Abel: Solche Ideen kommen auch aus dem engen Austausch mit internationalen Hockeyverbänden. Es gibt Gremien, in denen die Trainer der Nationalteams zusammenkommen. Für die ist das eine intellektuelle Herausforderung.

SZ: Vieles, was Klinsmann eingeführt hat, galt im Fußball als neu: Trainingsmethoden, Spezialisten für Ausdauer, Psychologie, Motivation. Darüber können Sie beim Hockey nur gähnen, oder?

Abel: Ich gehe davon aus, dass vieles davon eingeführt wurde, weil Klinsmann und Peters miteinander gesprochen haben. Die Parallelen zu unserer Arbeit waren augenscheinlich. Diese Methodik kannten wir längst. Ich war mal bei so einer Videoanalyse von Bernhard Peters dabei. Das ist irre. Da wird nicht einfach nur das Spiel gezeigt, da werden 15 Szenen nur mit dem rechten Verteidiger vorgespielt: wie der Ball läuft, wie der Spieler sich verhält, was er besser machen muss. Dann sind die Stürmer dran.

„Ich bin überzeugt, dass der Fußball von uns profitieren kann“

SZ: Sind Ihre Trainer moderner?

Abel: Die Hockeyfamilie ist ganz anders strukturiert als die der Fußballer. Wir sind international konzeptioniert. Bei uns gibt es eine Turnierkultur. Das ist etwas anderes als ein singuläres Länderspiel gegen Brasilien. Bei unseren Turnieren spielen Holländer, Inder und Pakistani an einem Wochenende gemeinsam Hockey, trinken zusammen und haben Spaß, und diese Kultur bedingt, dass man sich andere Systeme anschaut, über Methoden spricht und sich austauscht.

SZ: Sie kooperieren sogar mit dem Erzrivalen Niederlande.

Abel: Ich treffe mich regelmäßig mit dem Präsidenten, wir denken über gemeinsame Projekte nach. Die starken Nationen haben vor dem Sport eine Verantwortung. Es macht ja keinen Spaß, wenn es auf der Welt nur noch sechs vergleichbar starke Hockeynationen gibt.

SZ: Im Hockey sind Fortschritte also ein gemeinsames Ziel?

Abel: Das hat natürlich in erster Linie mit Geld zu tun. Bei uns geht es immer auch darum, unsere Mäzene zu überzeugen, dass sie in einen globalen und innovativen Sport investieren. Das erfordert ständige Fortschritte.

SZ: Halten Sie spielerische Erneuerungen beim Fußball für nebensächlicher?

Abel: Es geht letztlich nicht so sehr um die Leistung, sondern um Geld, Zuschauer und Konsumenten und zum Beispiel darum, mit welcher Häufigkeit Markennamen im Bild erscheinen.

SZ: Wäre Peters im viel schwierigeren und streitbaren Fußball-Geschäft denn noch genauso gut und kreativ?

Abel: Ich traue ihm das definitiv zu. Er müsste sich natürlich neu orientieren.

SZ: Und wenn sein Fürsprecher Jürgen Klinsmann nach der WM abträte?

Abel: Entweder sie haben Erfolg, dann bleibt Klinsmann - oder sie haben keinen, dann zeigte das doch umso mehr, dass die Notwendigkeit zur Veränderung besteht.

SZ: Peters ist manchmal knorrig, es heißt, das sei typisch fürs Westfälische. Wann blüht sein Enthusiasmus auf?

Abel: Der zeigt sich in seiner durchdachten Arbeit. Ich darf ja die Briefe lesen, die er regelmäßig an die Nationalspieler schreibt.

SZ: Er schreibt den Spielern Briefe?

Abel: Er hat sehr guten Kontakt zu jedem Spieler und mit jedem auch persönliche Zielvereinbarungen. Wie man das aus der Wirtschaft kennt. Die sind so individuell, dass jeder sich wiederfindet.

SZ: Peters ist ein sehr zielstrebiger Mann. Nach Olympia hat er mit Angeboten kokettiert, um seine Ziele im Verband durchzusetzen.

Abel: Wenn man Erfolg haben und Ziele erreichen will, braucht man eine gewisse Kompromisslosigkeit. Ich bin von seiner Zielstrebigkeit begeistert.

SZ: Die Nationalspieler auch?

Abel: Unbedingt. Unsere Spieler sind alle akademische Amateure, die es schaffen müssen, ihre berufliche mit einer leistungssportlichen Karriere zu vereinbaren. Das erfordert viel Disziplin von den Spielern und Fingerspitzengefühl von den Trainern.

SZ: Umso kurioser ist, dass sich der professionelle Fußball, in dem mit enormen Summen hantiert wird, Rat und Personal bei einem Verband holen will, der mit reinen Amateurspielern arbeitet.

Abel: Das schmeichelt uns, weil es zeigt, dass wir vieles richtig machen. Wir haben ein klares Prinzip und sinnvolle Konzepte, und das ist auch deshalb so gut möglich, weil wir eine kleine Hockeyfamilie sind. So eine Koordination ist beim Fußball mit seinen Mengen an Menschen und Vereinen schwieriger.

SZ: Dort regiert die Macht des Geldes.

Abel: Leider. Ich bin wahrscheinlich zu naiv und zu romantisch, aber ich habe sehr idealistische Vorstellungen vom Sport und gehöre eigentlich nicht in diese Welt. Beim Hockey kann ich das teilweise durchsetzen, weil man dort viele Gleichgesinnte trifft.

SZ: Teilt Bernhard Peters Ihren Idealismus und Ihre Romantik?

Abel: Ja.

SZ: Dann könnte ihn das harte Fußballgeschäft desillusionieren?

Abel: Es wird zumindest Überraschungen geben, mit denen er nicht rechnet. Er ist aber so intelligent, dass er weiß, dass die Strukturen dort völlig anders sind. Er will diese Herausforderung und weiß schon, worauf er sich einlässt.

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