Interview: FCK-Trainer Marco Kurz:"Torjubel bedauern? Nein."

Marco Kurz, Trainer von Zweitliga-Tabellenführer Kaiserslautern, über die Faust gegen Ex-Klub 1860, seine Neigung zu Traditionsklubs und viele Leihspieler im Team.

Johannes Aumüller

Am Freitag startet die zweite Liga in die Rückrunde - mit dem 1. FC Kaiserslautern als souveränem Spitzenreiter (hier geht's zur Tabelle). Im Interview mit sueddeutsche.de spricht Marco Kurz über die Favoritenrolle seiner Mannschaft, sein Faible für Traditionsvereine und seinen umstrittenen Torjubel im Spiel gegen seinen früheren Klub TSV 1860 München.

Interview: FCK-Trainer Marco Kurz: Marco Kurz, Trainer des Zweitliga-Tabellenführers 1. FC Kaiserslautern.

Marco Kurz, Trainer des Zweitliga-Tabellenführers 1. FC Kaiserslautern.

(Foto: Foto: Getty)

sueddeutsche.de: Herr Kurz, es ist auffällig, dass in Ihrem Kader viele ausgeliehene Spieler stehen, darunter Leistungsträger wie Rodnei, Georges Mandjeck oder Sidney Sam. Finden Sie es grundsätzlich eine gute Strategie, auf ausgeliehene Spieler zu setzen?

Marco Kurz: Es sind die Voraussetzungen, die wir hier finden. Wir sind dankbar für die Möglichkeit, solche Spieler auszuleihen, weil es sonst keine Chance gibt, solche Spieler für den 1. FC Kaiserslautern zu gewinnen. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Klub immer noch nicht in einem hundertprozentig gesicherten Fahrwasser ist. Man ist aber auf dem Weg, eine Struktur reinzubringen, um in Zukunft solche Spieler nicht auszuleihen, sondern sich leisten zu können.

sueddeutsche.de: Aber haben Sie keine Angst, dass Unruhe in die Mannschaft kommt, wenn zum Beispiel der HSV sagt: Der Sam spielt so stark, den wollen wir im Sommer zurück.

Kurz: Das kann doch jetzt nicht mein Gedankengang für die laufende Saison sein. Ich sehe den Moment, ich sehe die Rückrunde. Alle Spieler, die wir ausgeliehen haben, sind Spieler des 1. FC Kaiserslautern, und wenn es irgendwann darum geht, ausgeliehene Spieler dauerhaft für uns zu begeistern, werden wir das tun. Sich jetzt damit zu beschäftigen, kostet nur unnötige Energie.

sueddeutsche.de: Sie haben die finanzielle Situation selbst angesprochen. Wie sehr beeinflussen und beeinträchtigen Sie die ständigen Diskussionen in Ihrer Arbeit?

Kurz: Gar nicht, ich kenne das aus der Vergangenheit und das beeinträchtigt mich nicht. Ich bin fürs Sportliche zuständig, und wenn wir sportlich erfolgreich sind, kann das für andere Dinge nur förderlich sein.

sueddeutsche.de: Wenn man sich Ihre Karriere anschaut, ist es auffällig, dass Sie viele Stationen bei Traditionsvereinen hatten, als Spieler bei Nürnberg, Dortmund, Schalke und 1860 München, als Trainer bei 1860 München und Kaiserslautern. Ist das Zufall?

Kurz: Ich denke, das ist Zufall. Es war eben immer ein gewisses sportliches Interesse vom Trainer oder vom Verein da. Aber wenn man die Möglichkeit hat, zwischen zwei, drei Vereinen zu wählen, entscheidet man sich eher für den Traditionsverein.

sueddeutsche.de: Sie gelten als eher ruhig und sachlich. Passt man mit solch einer Grundeinstellung überhaupt zu einem Traditionsverein, wo es doch oftmals sehr emotional zugeht?

Kurz: Man passt überall da rein, wo man gute Arbeit leistet, alles andere ist nicht wichtig. Ich versuche immer, und das auch immer gerne, strukturiert und auch fachlich und sachlich Antwort zu geben. Das Drumherum, das ist nicht unbedingt mein Ding, aber das ist nicht hinderlich für Traditionsvereine. Wenn ein Verein lieber jemanden mit anderen Qualitäten haben will, dann muss das der Verein entsprechend lösen, aber ich als Trainer kann mich nicht verstellen, um irgendjemanden gerecht zu werden.

sueddeutsche.de: Glauben Sie denn, dass Sie sich gegenüber Ihrer Zeit bei 1860 verändert haben, dass Sie ein bisschen mehr diese emotionale Schiene bedienen?

Kurz: Ich möchte überhaupt keine Vergleiche ziehen. Emotional bin ich während des Spiels schon immer. Ich lebe damit, weil wir als Trainer kein anderes Ventil haben. Die Spieler, die können rennen, die können grätschen, und als Trainer musst du auch ein bisschen mitleben, musst aber sehr konzentriert sein, um das Spiel zu lesen.

sueddeutsche.de: Wenn wir bei emotionalen Momenten sind: Beim Spiel gegen Ihren Ex-Klub 1860 München haben Sie nach dem Siegtor die Faust geballt, Ihr Gegenüber Ewald Lienen fühlte sich provoziert, weil diese Geste so eindeutig in Richtung Löwen-Bank gegangen sei. Haben Sie nach dem Spiel noch mal über diese Szene nachgedacht?

Kurz: Nein, wir haben schnell unsere Meinung kundgetan und nach diesem kurzen Kommentar war die Sache erledigt.

sueddeutsche.de: Also bedauern Sie diese Szene nicht?

Auf der nächsten Seite: Marco Kurz über nötige Qualitätssprünge seiner Mannschaft und seine Einstellung zu häufigen Wechseln.

"Der Aufstieg ist ein ganz fernes Ziel"

Kurz: Einen Torjubel bedauern? Nein.

sueddeutsche.de: Gibt es zwischen 1860 München und Kaiserslautern viele Gemeinsamkeiten?

Kurz: Ich möchte gar nicht viel über 1860 München sprechen, sondern nur über den Verein hier. Es ist bei Traditionsvereinen immer eine gewisse Erwartungshaltung im Umfeld. In der Pfalz ist eine unheimliche Fußballbegeisterung, das Umfeld lebt diesen Verein, die Identifikation ist enorm, und das spürst du an jeder Ecke. Die Fans bringen Leidenschaft mit ins Stadion, und das wollen wir im Spiel zeigen. Und wenn das gelingt, verzeihen die Fans auch mal den einen oder anderen schwächeren Moment.

sueddeutsche.de: Bisher haben Sie immer vermieden, den Aufstieg als Saisonziel zu formulieren, nun haben Sie 39 Punkte auf dem Konto und liegen vor dem Rückrundenstart souverän vorne. Ist es da überhaupt noch möglich, das Wort Aufstieg nicht in den Mund zu nehmen?

Kurz: Ja, natürlich. Ich glaube, der Aufstieg ist ein ganz fernes Ziel. Wir haben eine wirklich gute Vorrunde bestritten und uns eine gute Ausgangsposition erarbeitet. Aber wir konzentrieren uns jetzt nur auf den Rückrundenauftakt in Fürth. Wenn ich mich jetzt schon auf ein Ziel im Mai konzentrieren würde, würde mich das in Fürth hindern. Es ist nicht förderlich, über einen längeren Zeitraum zu schauen, weil so viele Dinge passieren können. 39 Punkte jedenfalls reichen vielleicht für einen gesicherten Nichtabstiegsplatz, aber sonst für nichts anderes.

sueddeutsche.de: Andererseits gilt aber: Wenn man ein bisschen rechnet und schaut, was in den vergangenen Jahren zum Aufstieg gereicht hat, müssen Sie noch sieben, acht Spiele gewinnen und sind dann durch. Sollten Sie das nicht schaffen, dürfte es sehr schwer werden, die Rückrunde noch schönzureden.

Kurz: Also, Punkt eins: Im vergangenen Jahr hat Nürnberg mit 60 Punkten Relegation gespielt, ich glaube, da kann man nicht davon sprechen, mit sieben, acht Siegen durch zu sein. Punkt zwei: Wir beschäftigen uns natürlich auch nicht mit Negativdingen, was wäre, wenn wir nichts schaffen. Aber wir wissen, dass wir in der Rückrunde erneut einen Qualitätssprung machen müssen, um erfolgreiche Spiele zu absolvieren.

sueddeutsche.de: Dennoch müssen Sie sich damit abfinden, dass Ihre Mannschaft nun der Topfavorit auf den Aufstieg ist. Wie gehen Ihre Spieler damit um?

Kurz: Wir haben jetzt eine andere Ausgangssituation als im Sommer, als noch keine Punkte vergeben waren. Unsere Wertigkeit ist jetzt anders, sowohl in der Öffentlichkeit als auch bei den Gegnern. Aus dem Umfeld heißt es jetzt, der Aufstieg sei uns ja gar nicht mehr zu nehmen. Die Spieler sind einer neuen Situation ausgesetzt, die sie gedanklich erst einmal meistern müssen. Klar ist aber, dass wir in keinem Spiel auch nur einen Millimeter weniger Aufwand betreiben dürfen als in der Vergangenheit. Es wird für mich interessant sein zu sehen, wie weit die Situation angenommen und umgesetzt wird, und dann sehen wir, wie weit die Qualität reicht.

sueddeutsche.de: Was war ausschlaggebend für die gute Hinrunde der Mannschaft?

Kurz: Zum einen hatten wir im Sommer eine sehr gute und verletzungsfreie Vorbereitungsphase. Außerdem haben wir Akteure wie Nemec, Ilicevic oder Rodnei hinzubekommen, die uns sofort weitergeholfen haben. Und wichtig waren die Siege zu Saisonbeginn, denn die Vorbereitungsspiele waren von den Ergebnissen her nicht gut und die Mannschaft war, auch geschürt durch verschiedene Aussagen im Umfeld, noch einmal ins Denken gekommen. Danach hat es die Mannschaft geschafft, von Spiel zu Spiel ihre Qualität zu entwickeln.

sueddeutsche.de: Als Sie Trainer bei 1860 waren, wurde Ihnen bisweilen vorgeworfen, dass Sie oft die Aufstellung ändern würden, vor allem in der Abwehr, nun gibt es beim FCK etliche Spieler, die alle oder fast alle Spiele bestritten haben. Haben Sie da Ihre Haltung geändert?

Kurz: Es ist schon besser, wenn es eine gewisse Struktur gibt. Die Spieler brauchen Sicherheit mit ihrem Nebenmann. Vor allem in der Abwehr will ich relativ selten wechseln, wenn das früher anders war, dann hatte das andere Gründe, zum Beispiel Verletzungen oder Sperren.

sueddeutsche.de: Es gibt nun zwei Blickweisen auf Ihre Mannschaft. Die einen sagen: Unter Marco Kurz brennt der Betze wieder, es wird wieder gekämpft und gefightet wie früher. Die anderen sagen: Endlich spielt der FCK auch mal schönen Fußball. Welche Seite hat recht?

Kurz: Ich denke, dass beides absolut zutrifft. Ich glaube, dass wir hier ein begeistertes Umfeld haben, das von der Mannschaft immer Einsatz und Leidenschaft fordert, und das ist ein Grundprinzip, das ich von meiner Mannschaft fordere. Das muss ja nicht das Fußballerische ausgrenzen. Im Gegenteil: Ich glaube, dass wir eine hohe fußballerische Qualität haben und das möchte ich natürlich auch sehen.

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