Interview am Morgen:"Olympia ist ein wahnsinnig attraktives Produkt"

Sotschi 2014

Die Olympische Ringe im Nebel - aufgenommen vor dem Langlaufski- und Biathlon-Center in Sotschi 2014.

(Foto: picture alliance / Kay Nietfeld/)

Doping, Korruption, Kritik am IOC: Trotz des Ärgers um Olympia rechnet Sportpolitik-Experte Jörg-Uwe Nieland mit guten Einschaltquoten.

Interview von Thomas Hummel

An diesem Freitag beginnen die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang, und neben vielen anderen Fragen stellt sich diese: Wie reagieren die Fernsehzuschauer auf die Skandale in der olympischen Welt? Das großflächig organisierte Doping der Russen bei den vorherigen Spielen in Sotschi ist eine schwere Last für die Wettbewerbe. Statt Russland komplett auszuschließen, entschied sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) für die Sperre einzelner Sportler, doch der Internationale Sportgerichtshof Cas kassierte viele Entscheidungen wieder. Die Russen dürfen die Medaillen von 2014 behalten, die meisten Athleten in Südkorea antreten.

Dennoch investieren Fernsehsender Hunderte Millionen Euro in stundenlange Übertragungen der Wettbewerbe aus Südkorea. Sind die Zuschauer der Skandale rund um den Sport müde und schalten diesmal ab? Jörg-Uwe Nieland, Mitarbeiter an der Universität Münster und am Institut für europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung an der Sporthochschule Köln, erklärt, warum das nicht zu erwarten ist.

SZ: Herr Nieland, wie steht es um die olympische Bewegung?

Jörg-Uwe Nieland: Ihre Lage hat sich in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich verschlechtert. Das liegt an den Skandalen, der Korruption in den Verbänden und Ausrichterländern. So hat beispielsweise die Berichterstattung über die verfallenen Sportstätten in Rio de Janeiro das negative Bild verstärkt. Jetzt geht es um das russische Doping und vor allem darum, wie das IOC damit umgeht. Das Verhalten des IOC finde ich katastrophal. Das Vertrauen in Olympia nimmt gerade massiv Schaden.

Vor vier Jahren in Sotschi standen die Spiele bereits herb in der Kritik wegen Menschenrechtsfragen und horrender Ausgaben. Trotzdem freuten sich die Fernsehsender über außergewöhnlich hohe Einschaltquoten.

Sobald die Flamme brennt, sobald die Skier im Schnee sind, verdrängen und vergessen die Zuschauer die Skandale. Sie konzentrieren sich auf die Wettkämpfe. Für das deutsche Publikum sind die Winterspiele in einigen Bereichen attraktiver als die Sommerspiele. Sie sind übersichtlicher, es gibt weniger Sportarten und Nationen. Dank der ausführlichen Berichterstattung über Wintersport haben die Zuschauer mehr Informationen über die Athleten und Wettbewerbe. Und der Hauptgrund: Die Aussicht auf deutsche Erfolge ist größer.

Die Enthüllungen zum Doping in Russland lassen an der Integrität des Wettkampfs zweifeln. Warum scheint das keinen Einfluss zu haben auf die Zuschauerzahlen?

Weil deutsche Sportler bislang nicht betroffen sind. Bei vielen Sportarten vermutet man auch kein Doping, wie im alpinen Skisport oder im Skispringen. Höchstens das Ansehen des dopingverseuchten Langlaufens könnte beim Zuschauer sinken.

Vom Langlaufen ist es nicht weit zum Biathlon.

Mir scheint, das blendet der Zuschauer aus. Hier sind deutsche Erfolge zu erwarten und es sind spannende Wettbewerbe, die medial sehr gut aufbereitet werden.

Mangelt es an Informationen bei den Zuschauern?

Zahlreiche Studien zeigen, dass den Sportinteressierten die Skandale bekannt sind.

Es klingt paradox, dass sie trotzdem einschalten. Welche Kräfte wirken da?

Es gibt Zuschauer, die sich aktiv nicht mit den kritischen Themen beschäftigen. Bei den meisten Zuschauern überwiegt das Motiv, sich unterhalten zu lassen. Wenn der Wettbewerb hochklassig oder spannend ist, dann freut man sich darüber. In dem Moment denken die Zuschauer nicht an Doping. Andere sagen: Ich weiß, da wird gedopt, aber das machen ja eh alle und dann gewinnt halt der beste Doper. Diese Haltung macht meiner Überzeugung nach aber den Sport mittelfristig kaputt.

Würde es der globalen, olympischen Bewegung denn schaden, wenn die Deutschen aus Ärger über Doping oder IOC-Skandale wegschauen?

Deutschland ist, gerade was die Winterspiele angeht, ein wichtiger Markt. Ein Aussteigen der deutschen Zuschauer wäre schmerzhaft für das IOC, was den künftigen Verkauf der TV-Senderechte angeht, aber auch für seine Werbepartner.

Können sich das IOC oder andere Verbände eigentlich alles erlauben, aber Olympia und der Sport bleiben immer attraktiv?

Es gibt Beispiele, dass sich das Publikum abwendet. Etwa bei der Tour de France vor einigen Jahren. Aber ich glaube nicht, dass Skandale den Sport als Ganzes bedrohen. Wenn das IOC überdreht, dann verliert Olympia seinen Status, aber dann werden halt die X-Games das neue, große Ding.

Wie ist ihre Prognose für die Spiele in Pyeongchang?

Ich rechne mit guten Einschaltquoten. Olympia ist ein wahnsinnig attraktives Produkt. Die TV-Sender investieren viel Geld in eines der letzten großen Fernsehereignisse. Die ausstrahlenden Sender haben ein gutes Image und im Februar verbringen die Zuschauer eher Zeit vor dem TV-Gerät als im Sommer. Olympia produziert schöne Bilder und tolle Geschichten.

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