Interpol und Fifa:Ende einer merkwürdigen Beziehung

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Kein außergewöhnlicher Anblick mehr: Polizisten vor dem Fifa-Gebäude in Zürich (Foto: REUTERS)

Die Partner lassen die Fifa scharenweise hängen, auch Interpol rückt nun ab. Die Beziehung zwischen dem Fußball-Weltverband und der Polizeiorganisation war jedoch stets umstritten. War die Unabhängigkeit von Interpol wirklich gewährleistet?

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Viele Jahre lang rühmte sich der Fußball-Weltverband ob seiner innigen Verflechtung mit bedeutenden Organisationen rund um den Globus. Nun, eingedenk endloser Korruptionsaffären, rücken die Partner scharenweise ab. Der Vatikan kündigt an, ein geplantes Spendenprogramm des Südamerika-Verbands Conmebol abzulehnen. Das schmerzt die Fifa sehr, gerade die Nähe zu Rom hat Tradition, sogar die Mitarbeit hoher Fifa-Leute in einer Opus-Dei-nahen Stiftung ist dokumentiert. Schwerer für den Weltverband wiegt aber, dass sich Interpol abwendet; der alte Partner kann nicht mehr anders.

Auch der Vatikan wendet sich von der Fifa ab

Vor vier Jahren hatte die Fifa eine spektakuläre Spende über 20 Millionen Euro an die internationale Polizeibehörde verkündet. Nun setzt Interpol die Zusammenarbeit aus. "Im Licht der gegenwärtigen Situation der Fifa" habe er sich für eine Suspendierung entschieden, erklärte Generalsekretär Jürgen Stock am Freitag. "Alle externen Partner, ob öffentliche oder private, müssen die fundamentalen Grundwerte und Prinzipien der Organisation teilen." Das ist der vorläufige Schlussakt einer merkwürdigen Beziehung, die zeigt, wie sich eine renommierte Behörde beim Schulterschluss mit der Fifa durchaus die Finger verbrennen kann.

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Die Geschichte dieser Partnerschaft begann im Fifa-Wahljahr 2011. Der Monat Mai war äußerst angespannt, am 1. Juni musste Sepp Blatter seinen Thron gegen den langjährigen Getreuen Mohammed Bin Hammam verteidigen. Auch sonst stand der Präsident enorm unter Druck, die kurz zuvor erfolgte WM-Vergabe an Russland 2018 und Katar 2022 hatte Sportwelt und Öffentlichkeit aufgewühlt. Heikle Fragen standen im Raum, Europas Politiker wurden unruhig. Und für den 10. Mai hatte das englische Parlament eine Anhörung zum Thema Korruption bei der WM-Vergabe angesetzt. Mehr sportpolitischer Sprengstoff lauerte in der Pipeline.

Mitten in diese kritische Phase erfolgte eine mysteriöse Ankündigung der Fifa: eine kurzfristig angesetzte Pressekonferenz am 9. Mai, dem Tag vor der Londoner Anhörung. Fifa-Sicherheitschef Chris Eaton raunte dazu etwas über die Enthüllung der größten Wettaffäre, die der Globus je sah: Es gehe um 300 manipulierte Spiele auf drei Erdteilen, im Zentrum ein Wettpate aus Singapur; die Presse eilte herbei.

Doch es gab keine Enthüllungen, und die angedeutete Affäre hatte sich Eaton nur aus den Bochumer Prozessakten geborgt. Stattdessen sahen die Reporter den Auftrifft von Ronald Noble, damals Generalsekretär von Interpol, wie er im Züricher Fifa-Hauptquartier mit Blatter vertraglich eine Spende besiegelte: 20 Millionen Euro, verteilt auf zehn Jahre, stiftet die Fifa dem Polizeiorgan zur Wettbetrugsbekämpfung. Das Programm gegen illegale Wetten und Spielabsprachen wurde angesiedelt in einem eigenen "Fifa Anti-Corruption Training Wing" im neuen Interpol-Quartier in Singapur.

Betrugsbekämpfung ist eine gute Sache. Aber warum so ein Auftritt just jetzt, so kurz vor der Wahl in politisch brisanter Zeit? Blatter genoss die Bühne an Nobles Seite. "Warum sollte das nicht eine Art Fifa-Geheimdienst werden?", fragte er. "Wir müssen die im Auge behalten, die unser Spiel zerstören wollen." Interpol als Fifa-Geheimdienst? Noble sagte nichts.

Er tat sich auch Monate später schwer mit einer Erklärung, wie es zu der Blitz-Spende kam. Demnach hatte er erst Ende April 2011 in der Presse gelesen, dass sein Ex-Kollege, Fifa-Sicherheitschef Eaton, in Singapur ein Zentrum des Wettbetrugs erkannt habe. Das traf zu, nur war es auch ein alter Hut: Der Stadtstaat galt längst als Knotenpunkt der Wettmafia, Interpol selbst war schon länger mit der Causa von Zockerpaten aus Singapur befasst. Aber Noble sagte: "Hätte ich dasselbe ein Jahr früher gelesen mit einer anderen Quelle als Chris (Eaton), hätte ich es wohl nicht beachtet." Demnach hatte er also acht Tage vor Vertragsunterschrift eine Gefährdung für Singapurs Ruf erkannt, wo Interpol einen neuen Komplex erstellt - und binnen kurzem ein Programm für die 20-Millionen-Spende erarbeitet. Ebenso rasch hatte Blatter die jähe Notwendigkeit abgesegnet: 20 Millionen Euro für Interpol, vorbei an den Fifa-Gremien ausgereicht, wie Herausforderer Bin Hammam rügte.

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Zwar war die Finanzierung auf die Bekämpfung von Spielbetrug fixiert. Aber kannte das globale Polizeiorgan da nicht längst die Reputation des neuen Topsponsors? Einige Länder sollen Interpol gewarnt haben vor der Allianz mit einem Privatklub, "dessen Spitzenleute regelmäßig mit Korruption in Verbindung gebracht werden". Noble erklärte auf die Frage, ob er bei Vertragsabschluss Korruptionsvorwürfe gegen die Fifa kannte: "Ich verstehe die Frage nicht. Wenn sie meint, ob ich mir bewusst war, dass eine Reihe Anschuldigungen um die Fifa schwirrten, ist die Antwort ja." Aber die Frage sei nicht, "ob Fifa-Vorstände korrupt oder suspendiert sind oder sogar unter Korruptionsermittlungen stehen. Die Frage für Interpol war, ob es ein Problem mit Spielmanipulation gibt." Der Vertrag habe keinen Einfluss auf Ermittlungen um Fifa-Vorstände.

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Die Kritik schwoll an. 2011 mahnte in der Schweiz Nationalrätin Simonetta Sommaruga, derzeit Bundespräsidentin, es dürfe nicht zur Bevorzugung der Schenker oder zu Beeinflussungen kommen. Auch das Bundeskriminalamt (BKA) sah die Nähe mit Sorge und erklärte: Es begleite den "Ausgestaltungsprozess dieser Initiative durchaus kritisch". Jürgen Stock war, bevor er 2014 Noble als Generalsekretär bei Interpol ablöste, Vizepräsident des BKA.

Die Fifa hat über die Spende hinaus enge Bindungen zum Polizeiorgan. Der frühere Sicherheitschef Eaton war bis 2010 bei Interpol. Als er 2012 einen neuen Job antrat - bei der neuen Firma ICSS in Katar, die mittlerweile den Sportsicherheitsmarkt dominiert -, folgte ihm in Ralf Mutschke ein weiterer Ex-Interpol-Direktor und BKA-Mann. Experten fällt auf, dass Interpol in den Fifa-Ermittlungen von FBI und Bundesanwaltschaft erst nach Blatters Rücktrittsankündigung in Erscheinung trat. Anfang Juni führte die Behörde sechs Personen, die von der US-Justiz wegen Korruption und Geldwäsche rund um die Fifa angeklagt sind, auf ihrer Fahndungsliste: die Ex-Vorstände Jack Warner (Trinidad) und Nicolás Leoz (Paraguay) sowie vier Geschäftsleute. Einer, der argentinische Rechtehändler Alejandro Burzaco, stellte sich vor kurzem in Italien.

Parallel zu den Ermittlungen bestand also weiter eine Partnerschaft, die zwar unauffällig blieb, aber bei der die damalige Vereinbarung für die ersten vier Jahre die Ausschüttung von gut zehn Millionen Euro vorsah. Wegen dieses Konfliktes initiierte Nationalrat Roland Büchel in der Schweiz nun eine Fragestunde im Parlament: Ob die Unabhängigkeit von Interpol noch vollumfänglich gewährleistet sei?

Die Frage hat Interpol jetzt selbst beantwortet. Die Fifa teilt mit, sie sei von dem Rückzug "enttäuscht" und glaube, er werde sich negativ auf den Kampf gegen kriminelle Machenschaften auswirken. Das zeigt: Noch hat nicht jeder in der korruptionsgeplagten Fifa die neue Stoßrichtung des Ex-Partners Interpol erkannt.

© SZ vom 13.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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