BVB vor dem Spiel gegen Málaga:Die Geister, die sie riefen

File photo of Borussia Dortmund's Reus and Goetze celebrating a goal against Shakhtar Donetsk during their Champions League soccer match in Dortmund

Von vielen Top-Klubs umworben: BVB-Spieler Marco Reus (links) und Mario Götze.

(Foto: REUTERS)

Dortmunds sportlicher Aufstieg bleibt eine wackelige Angelegenheit. Viele Spieler werden von Europas Top-Klubs umworben. Doch noch stellen Götze, Reus & Co. die Erfolgs-Vision des Vereins über hohe Gehälter. Ein Weiterkommen gegen Málaga würde die Personallage im Klub deutlich stärken.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Nachricht aus dem Uefa-Hauptquartier war gut gemeint, aber sie verbreitete trotzdem keine überschwängliche Freude. In der Fünf-Jahres-Wertung des europäischen Fußballverbands, so wurde mitgeteilt, ist Borussia Dortmund auf Platz 27 aufgerückt - verbessert von Platz 119 zu Beginn der Saison. Dortmund wird, wenn es sich erneut für die Champions League qualifiziert, nicht mehr im untersten Lostopf mit dem Meister Sloweniens einsortiert.

Aber was ist ein Platz 27, gemessen daran, dass der eben entthronte deutsche Meister und Pokalsieger gegen den FC Málaga um den Einzug ins Halbfinale der Königsklasse spielt? Und was, gemessen am Wert der Dortmunder Spieler?

Die Uefa-Listung bringt das Dortmunder Dilemma schmerzlich auf den Punkt. Während der aktuelle BVB von Englands hippen Fußballmagazin Four-Four-Two in einer überschwänglichen Titelgeschichte als "Europe's hottest club", der heißeste Verein Europas, gefeiert wird, hat Borussia Dortmund das Problem, dass man seine Spieler für leichte Beute hält. Bei Nummer 27 kann man sich sicher verhältnismäßig preiswert bedienen.

Und überhaupt: War Dortmund nicht so gut wie pleite und auf jeden Transfer angewiesen? "Wenn man bedenkt, wo wir vor acht Jahren finanziell standen", sagt BVB-Boss Hans-Joachim Watzke, "nämlich im Vorraum zur Pathologie, dann ist es unglaublich, dass wir jetzt um den Einzug in ein Champions-League-Halbfinale spielen, in dem ansonsten wahrscheinlich Real Madrid, Barcelona und Bayern stehen."

Watzke weiß aber auch, dass er die Geister, die der märchenhafte Aufstieg unter Jürgen Klopp gerufen hat, so schnell nicht los wird. Wer so viele aufregende, begehrte Spieler hat, für den wird das Leben eine einzige Flucht nach vorn. Keiner käme auf die Idee, mit den Namen Schweinsteiger, Müller oder Alaba zu spekulieren. Bei der Nummer 27 aber erlaubt sich das jeder.

Auf 255 Millionen Euro wird der Transferwert der jungen Truppe taxiert. Tendenz steigend. Und weil Dortmund keines der anerkannten Schwergewichte des Fußball-Establishment ist und kein Scheich, kein Oligarch, kein Weltkonzern als Sugardaddy hinter dem Klub steht, gelten die jungen Nationalspieler des BVB als Spekulations-Freiwild.

Watzke erzählt gerne, wie ungläubig ihn Alex Ferguson im vergangenen Sommer beim Pokalfinale in Berlin angesehen habe, als er dem Trainer von Manchester United erklärte, dass Stürmer Robert Lewandowski unverkäuflich sei. Unverkäuflich - das Wort kennt Ferguson nur im Zusammenhang mit eigenen Leuten. Robin van Persie kam dann für 29 Millionen Euro von Arsenal zu ManU.

Das Zeitalter des Bloggens und der Hobby-Portale hat eine gigantische Plattform für ein endloses virtuelles Transfer-Monopoly geschaffen, ein Spiel ohne Einsätze, das alle Grenzen zwischen Realität und Phantasie aufgegeben hat. Aktuell sind gerade Mats Hummels (Vertrag bis 2017 in Dortmund) und Ilkay Gündogan (Vertrag bis 2015) angeblich auf dem Einkaufszettel des FC Barcelona, was nicht weiter wundert, weil beide jedem Klub der Welt gut zu Gesicht stehen würden.

Witze über Arsenal

Beliebt sind derzeit meist "Pakete", in unterschiedlicher Zusammensetzung. Mal Mario Götze (Vertrag bis 2016) mit seinem ausgewiesenen Kumpel Marco Reus (bis 2017), mal wird Sven Bender (bis 2017) mit Lewandowski (bis 2014) geschnürt, für mal lächerliche 40, dann für 60 Millionen Euro oder auch mal Pfund, mal ist es Real Madrid, mal Chelsea, mal Manchester City.

Im Mannschaftsbus machen Dortmunds Spieler inzwischen Witze über Schlagzeilen, in denen der FC Arsenal als Käufer gehandelt wird. Als ob das noch eine Verbesserung bedeuten würde, bei Arsenal mitzuspielen. Wer mit Wenger in Verbindung gebracht wird, der wird im BVB-Bus aufgezogen, weil er auf der Resterampe gelandet sei.

Spieler wie Götze oder Reus lachen, weil sie den eigenen Stellenwert kennen. "Man kauft bei Borussia Dortmund nicht mal so eben einen Spieler weg", kommentiert das der Trainer Klopp.

Aber ein bisschen Pfeifen im Walde ist auch dabei. "Für unsere Spieler", sagt Watzke, "gibt es nur drei oder vier Klubs, über die sie vielleicht nachdenken würden: Barcelona, Real, Manchester United - und vielleicht noch der FC Bayern." Alles Klubs, die garantiert nie auf Platz 27 eingestuft würden und die - und sei es auf Pump und wegen günstigerer Steuersätze - höhere Gehälter zahlen können.

Dortmunds Aufstieg bleibt deshalb ein Wettlauf mit der Zeit. Nicht nur bei Sponsoren, sondern auch bei den eigenen Spielern müssen die BVB-Macher Watzke, Klopp und Michael Zorc immer wieder dafür werben, dass es sich lohnt, am "Projekt Dortmund" weiterzubauen.

Als der gebürtige Dortmunder Reus neulich in einem Interview mit dem Guardian sagte, dass man aus so etwas nicht aussteigen wolle, hat das der Stimmung mal wieder gut getan. In der aktuellen Tabelle der Unternehmens-Umsätze der europäischen Klubs rangiert der BVB schon auf Platz elf, einen Platz vor Juventus Turin, immerhin. Eine Erfolgs-Vision scheint aber beinahe wichtiger, als die kurzfristige Gehaltsaufstockung. Auch in Dortmund verdienen die Spitzenspieler inzwischen an die fünf Millionen Euro pro Jahr - plus Werbeeinnahmen.

Nur zu gerne verweisen sie auf die Geschichte von Nuri Sahin, der als Balljunge im Westfalenstadion anfing, 2011 der beste Bundesligaspieler der Saison war, bei Real Madrid und anschließend beim FC Liverpool aber den Faden verlor und im Januar glücklich war, als er in den Schoß seines "Heimatklubs", wie er es nennt, zurückkehren konnte. Für die Rückkehr verzichtete Sahin offenbar sogar auf mehrere Millionen.

Jung-Spielmacher Ilkay Gündogan, 22, das aktuell beliebteste Jagdobjekt, hat auf kolportierte Avancen aus Barcelona ungewöhnlich schnell geantwortet: Er könne sich "sehr gut vorstellen", seinen bis 2015 laufenden Vertrag deutlich zu verlängern. Natürlich bei erheblich verbessertem Gehalt. Nur einer spielt bei all dem eine Sonderrolle: Robert Lewandowski. Beim BVB glaubt keiner mehr, dass der polnische Torjäger noch eine Kehrtwende macht und seinen Vertrag verlängert.

Lewandowski, in der Mannschaft als Einzelgänger bekannt und vom viel beschworenen Teamspirit nur bedingt einzufangen, wird höchstens noch ein letztes Jahr bleiben. Vorstandschef Watzke hat seinen Frieden damit gemacht. "Ich sehe ihm wahnsinnig gern zu. Und wenn das jetzt nur noch ein Jahr lang geht, dann ist das immer noch besser, als wenn er gleich ginge."

Teamvergleich Dortmund - Malaga

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