Inter Mailand:Der Kapitän droht mit einem Killerkommando

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Killerkommandos und Maul stopfen: Mauro Icardis Drohungen an die Ultras von Inter Mailand stoßen auf wenig Gegenliebe.

(Foto: AFP)

Mauro Icardi von Inter Mailand träumt in seiner Biografie davon, einige Fans zum Schweigen zu bringen. Denen gefällt das weniger, der Verein kündigt Strafen an.

Von Birgit Schönau, Rom

Der Argentinier Mauro Icardi ist ein begabter Torjäger. Mehr als 50 Treffer hat der 23-Jährige für Inter Mailand erzielt, den Klub, bei dem er seit drei Jahren unter Vertrag steht. Allein in dieser Saison sind es schon sechs. Sein Talent und seine Popularität verschafften ihm das Kapitänsamt. Doch als Icardi am vergangenen Sonntag ins Meazza-Stadion einlief, hielten die sogenannten Ultras in der Nordkurve jede Menge Spruchbänder für den Mannschaftsführer bereit, auf denen zum Beispiel stand: "Du bist kein Mann, du bist kein Kapitän, du bist nur ein feiges Stück Dreck." Dazu ertönten Pfiffe und beleidigendes Gegröle, wenigstens von der vulgären Minderheit des Publikums. Die Mehrheit buhte nämlich die Organisierten aus und spendete Mauro Icardi demonstrativ Applaus. Doch der Spieler gab vor dieser gespaltenen Kulisse eine denkbar schlechte Vorstellung, er verschoss sogar einen Elfmeter. Inter verlor gegen Cagliari 1:2.

Für die Kurven-Hooligans war das Spiel damit noch nicht aus. Gut 40 von ihnen zogen vor Icardis Wohnung und drohten dem darin verschanzten Familienvater. Die italienische Antiterroreinheit Digos stellte am Montag Beweismaterial sicher. Stunden später entschuldigte sich Icardi öffentlich bei seinen Fans und kündigte an, die Forderungen der "Ultras" zu erfüllen. Die hatten verlangt, dass der Spieler seine Autobiografie vom Markt nehme. "Sempre Avanti" betitelt sich das Oeuvre, das Icardi in branchenüblicher Manier mit Hilfe eines Journalisten verfasst hat: Immer weiter.

Eine skandalträchtige Stelle - und niemand streicht sie

Ein Bestseller, innerhalb von drei Tagen waren 15 000 Stück verkauft, auch weil das Buch eine skandalträchtige Stelle enthielt, das die Icardi-Autobiografie von den zumeist sehr nichtssagenden Memoiren seiner Kollegen unterscheidet. Was sicher auch daran liegt, dass die Profis aus der Pressestelle das Buch des Kapitäns nicht vor der Veröffentlichung gelesen hatten.

Icardis Managerin hingegen kannte das Manuskript. Es handelt sich um seine Ehefrau Wanda, ein ehemaliges Showgirl, das zuvor mit Icardis Kollegen Maxi López verheiratet war und mit diesem drei Kinder hat. Wanda Icardi, 29, inzwischen auch Mutter von einer Icardi-Tochter und mit dem fünften Kind schwanger, gilt als Femme fatale des argentinischen Fußballs, aber auch als überaus klug, ja gerissen. Auch sie hatte die kritische Stelle angeblich nicht bemerkt.

In dieser geht es um das Match gegen US Sassuolo am 15. Februar 2015, das Inter Mailand 1:3 verlor. Icardi berichtet, ein Kind habe ihn nach dem Schlusspfiff um sein Trikot gebeten. Als er es überreichen wollte, habe es ihm ein Ultra-Führer aus den Händen gerissen. "Da habe ich rot gesehen und den Typen übel beleidigt."

Kriminelle gegen "Kurvenkasper"

Die besorgte Klubführung habe Icardi daraufhin zur Mäßigung aufgefordert. "Aber ich habe denen gesagt: Sollen diese Ultras doch kommen. Die wissen wohl nicht, dass ich in einem der schlimmsten Viertel Südamerikas aufgewachsen bin, bei uns lagen andauernd Tote auf den Straßen. Richtet diesen Kurvenkaspern aus, dass ich hundert Kriminelle aus Argentinien aufbieten kann, um denen das Maul zu stopfen."

Ein starkes Stück, dieser Traum von einem südamerikanischen Killerkommando. Icardi drohte daraufhin die Suspendierung. Ausgerechnet der ewige Inter-Kapitän Javier Zanetti, inzwischen Vizepräsident des Klubs, distanzierte sich kurz vor dem Match gegen Cagliari öffentlich von seinem Landsmann. "Wir werden alles tun, um unsere Tifosi zu schützen", sagte Zanetti: "Für uns sind die Fans am allerwichtigsten." Was Icardi angehe, denke er deshalb "über Maßnahmen" nach.

Welche Tifosi aber meinte Zanetti? Die Kurven-Hooligans oder jene, die im Meazza-Stadion die Krawallmacher ausbuhten? "Es ist ein Missverständnis, von Tifosi zu sprechen, wenn wir die Minderheit der Ultras meinen", mahnte der Corriere della Sera. Im San-Siro-Stadion habe es eine "Revolte normaler Tifosi" gegeben, die durch die Strafmaßnahmen gegen Icardi zugunsten der "despotischen Ultras" zunichte gemacht werde: "Die Klubs fürchten die Ultras, dabei bezahlen die noch nicht mal fürs Kommandieren."

"Alles ein großes Chaos"

Zanetti habe einen Fehler gemacht, erklärte auch Inter-Ikone Nicola Berti: "Er hätte sich zumindest nach dem Spiel gegen Cagliari äußern können." Für vorauseilenden Gehorsam gegenüber den Kurvenführern gebe es keine Rechtfertigung: "Als Stimme des Klubs hat er an Ansehen eingebüßt. Zanetti muss nicht nur die Tifosi schützen, sondern auch seinen Kapitän."

Fast zwei Jahrzehnte lang hat Javier Zanetti für Inter gespielt, seine Meriten sind unbestritten. Unaufgeregt und pflichtbewusst brachte er das Spiel voran und hielt dabei eine Horde von Diven zusammen, ohne jemals selbst als unkonventionell aufzufallen. Drastische Entscheidungen sind seine Sache nicht, in der Affäre um Icardi aber wurden sie plötzlich verlangt. Zanetti ist in Mailand nämlich allein zu Haus, die Klubeigner aus Indonesien und China befinden sich fernab des Geschehens und interessieren sich ohnehin weniger für Kurven-Folklore als für Resultate und Rendite. "Es ist alles ein großes Chaos", kommentierte der frühere Patron Massimo Moratti. Mehr wollte Moratti nicht sagen, aber es hatten sowieso alle verstanden: Unter ihm wäre so etwas nicht passiert.

Icardi bleibt Kapitän. Aber er muss büßen, die Sassuolo-Episode aus dem Buch streichen und an seinen Klub 50 000 Euro Strafe zahlen. Vor allem aber muss Mauro Icardi dringend Tore schießen. Am besten schon am Donnerstag in der Europa League gegen Southampton. In der Liga steht Inter auf Platz elf. Nach fünf Niederlagen in zehn Spielen droht Trainer Frank de Boer der Rauswurf. Und den Inter-Fans weitaus größeres Ungemach als die Gewaltfantasien eines Jungmachos, dem seine Frau sagt, wo es lang geht.

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