Innenminister und Polizei gegen Fußball-Klub:Machtprobe auf Schalke

Innenminister und Polizei gegen Fußball-Klub: Die Flagge des Anstoßes im Schalker Fanblock

Die Flagge des Anstoßes im Schalker Fanblock

(Foto: imago sportfotodienst)

Der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger erhebt schwere Vorwürfe gegen Schalke 04. Der SPD-Politiker unterstreicht seinen Willen, die Polizei aus dem Stadion abzuziehen, falls der Klub weiterhin den Einsatz gegen die Fans kritisiert. Dabei läuft er Gefahr, sich selbst und die Polizei durch überzogene Maßnahmen zu diskreditieren.

Der Streit zwischen der nordrhein-westfälischen Polizei und dem FC Schalke 04 gerät zur Machtprobe. Polizei und Innenminister Ralf Jäger wollen den Bundesliga-Klub offenbar dazu zwingen, die Kritik am Einsatz im Play-off-Hinspiel zur Champions League am 21. August gegen Paok Saloniki (1:1) zu widerrufen.

Am Donnerstag hatte SPD-Minister Jäger vor dem Innenausschuss des Landtags erklärt, dass sich die Hundertschaften nun aus dem Stadion-Innenraum in Gelsenkirchen zurückzögen, und der Verein nun selbst für die Sicherheit zuständig sei. Am Freitag konkretisierte er die Maßnahme und erhob schwere Vorwürfe gegen Schalke 04.

Jäger bemängelt in einem Interview mit dem Sportinformationsdienst, dass es zwischen Polizei und Klub keine echte Zusammenarbeit gebe. "Da sind Vertrauen und Kooperationsbereitschaft sehr gestört, nicht erst seit dem 21. August." Mit der Ultra-Szene im Schalker Fanblock gebe es wiederholt Ärger, Schalke würde sich diesem Problem und seiner Verantwortung nicht stellen.

Jäger ging in seiner Kritik noch weiter: "Es muss auf Schalke in Richtung der Ultra-Szene anders gearbeitet werden. Die Fanarbeit muss erweitert werden. Es kann nicht sein, dass Schalke sich nur um die Logengäste kümmert und die Kurve sich selbst überlässt."

Beim Spiel gegen Paok Saloniki hatten sich einige Fans der Griechen offenbar von einer Fahne in der Schalker Kurve provoziert gefühlt. Nach Angaben der Polizei drohten die Gäste-Fans mit Randalen und sogar einem Platzsturm, sollte die Fahne nicht entfernt werden. Dabei handelte es sich um eine alte Flagge der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Mazedonien mit dem Schriftzug "Komiti Düsseldorf". Nach Angaben aus Fankreisen gehört sie einer Gruppe mazedonischer Schalke-Fans aus Düsseldorf, die Flagge ist in Deutschland nicht verboten und hängt seit Langem bei den Spielen dort.

Weil die Fans die Fahne nicht abhängen wollten, enterten 150 Bereitschaftspolizisten den Block, es kam zu Auseinandersetzungen, die Polizisten setzten Tränengas und Schlagstöcke ein. Es wurden mehr als 80 Menschen verletzt, eine Frau musste angeblich die folgende Nacht wegen Atembeschwerden im Krankenhaus verbringen.

Kritik an Jäger

Es folgte nicht nur aus Fankreisen heftige Kritik am Einsatz der Polizei. Auch die Verantwortlichen von Schalke 04 stellten sich vor ihre Fans und missbilligten das Vorgehen der Beamten als unverhältnismäßig. Zudem gibt es einen Streit zwischen Verein und Polizei, ob der Klub den Einsatz abgesegnet hatte - oder nicht. Die Polizei reagierte erbost auf diese Kritik, nun eskaliert der Streit nach den Äußerungen von Innenminister Jäger.

Dass Jäger nun die Polizei aus dem Stadion ruft, verursacht indes Kopfschütteln. "Ich kann mir das nur so erklären, dass an Schalke ein Exempel statuiert werden soll", sagte der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU) im Kölner Stadt-Anzeiger und nannte den Vorgang eine "Retourkutsche zulasten von Schalke 04".

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der NRW-CDU, Peter Biesenbach, geißelte Jägers Vorgehen als "pubertäre Trotzreaktion" und "Kriegserklärung an die gesamte Bundesliga". Die nordrhein-westfälische Polizei sei nicht Jägers "Privatarmee", die er nach "Gutsherrenart" führen dürfe. "Eine Entscheidung von derart großer Tragweite darf nicht aus der Hüfte geschossen werden. Zudem spielt er fahrlässig mit der Gesundheit und der Sicherheit der Fußballfans", kritisierte Biesenbach.

Frank Herrmann, innenpolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag, urteilte: "Die Polizei handelt bei den Fußballfans gerade ohne Sinn und Verstand." Herrmann bemängelte, es fehle der Polizei "an einer Fehlerkultur und einer Sicherheitsstrategie, die abwägt, wann eine Maßnahme die Situation verbessert und wann sie diese verschlechtert".

Jäger kündigte an, außerhalb der Arena weiterhin ausreichend Kräfte vorzuhalten, damit die Polizei im Ernstfall eingreifen könne. Im Inneren allerdings soll nun Schalke 04 genügend ausgebildete Ordner einsetzen, wohlwissend dass der Klub dies bis zum nächsten Heimspiel gegen Steaua Bukarest in der Champions League kaum schaffen wird. Es läuft auf ein Kräftemessen hinaus, nach dem Motto: Wer gibt nach?

Oder geht es dabei ums Geld? Immer wieder fordern Vertreter der Polizei oder der Politik eine Kostenbeteiligung der Fußballvereine an den Einsätzen rund um die Spiele. Jäger deutet das an: "Ich habe das Problem, dem Steuerzahler gegenüber zu begründen, warum 30 Prozent unserer Einsatzhundertschaften nur Fußball machen. Es kann nicht sein, dass auf Steuerzahlerkosten Ordner gestellt werden, die eigentlich der Verein stellen müsste. Wir haben 18 Hundertschaften à 123 Beamte - und die sind zu 30 Prozent nur mit Fußball beschäftigt." Er kündigte an, dass dieser Dienst zumindest den Preis habe, dass sich die Polizei nicht für ihre Einsätze vor allem gegen die aktiven Fans rechtfertigen müsse: "Das kann ich nur begründen, wenn es eine rechtfertigende Kooperation mit den Vereinen gibt."

Außerdem müssten die Ultras die Stadionordnung akzeptieren, und der Verein dürfe sich nicht noch nach außen vor ein falsches Verhalten der Ultras stellen. "Das ist nicht akzeptabel."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: